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Warum gibt es heute keine Nilschwemme mehr und welche Auswirkung hat dies


Nilschwemme ist ein anderes Wort für Nilflut, Nilschwelle oder Nilüberschwemmung in Ägypten. Vor dem Bau der Nil-Staudämme sorgten die jährlich auftretenden Hochwasser in Ägypten Jahrtausende lang für die Bewässerung und die natürliche Düngung des Fruchtlandes mit dem mineralreichen Nilschlamm.

Die Nilschwemme war die Grundlage für die Entstehung der altägyptischen Hochkultur. Das bestätigt schon ein Blick auf das altägyptische Jahr. Der Kalender orientierte sich am natürlichen Wasserstand des Nils. Es gab drei Jahreszeiten: die Jahreszeit der Nilüberschwemmung („Achet“), die der Aussaat („Peret“), nachdem das Wasser abgelaufen und die Felder durchfeuchtet waren, und die der Ernte („Schemu“) in der Zeit der „Hitze“. Jede Jahreszeit umfasste vier Monate. „Achet“ dauerte von Anfang Juni bis Anfang Oktober.

Auch das moderne, landwirtschaftlich geprägte Ägypten war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von der regelmäßigen Nilschwemme abhängig. Mit dem Bau des ersten Staudamms bei Assuan in den Jahren 1898 bis 1902 begannen die Menschen die Wassermassen des Nils zu regulieren.

Der Assuan-Staudamm

Die Regulierung der Wassermassen durch den Bau der ersten Staumauer sollte dazu dienen, die Landwirtschaft das gesamte Jahr hindurch mit Wasser zu versorgen. Das Bewässerungssystem in Ägypten beruht auf Kanälen, die das Wasser vom Nil in die Felder rechts und links des Flusses leiten. Während der Nilflut konnte viel Land bewässert werden. In der übrigen Zeit, bei Niedrigwasser, war dies kaum möglich.

Das Bevölkerungswachstum zwang die Menschen zur ganzjährigen Bewässerung. Der Stausee sollte einen Teil der Wassermassen während der Überschwemmungszeit zurückhalten, damit es während der Trockenzeit in den Fluss geleitet konnte. Die erste Staumauer musste allerdings zweimal erhöht werden, weil das jeweils aufgestaute Wasser nicht ausreichend war, um die niedrigen Wasserstände auszugleichen. Es brauchte einen neuen, viel größeren Hochdamm.

Der neue Assuan-Staumdamm, der es-Sadd el-Ali, wurde zehn Jahre lang von 1960 bis 1970 gebaut. Der Nil staute sich im Nassersee bis in den Sudan auf. Der Nasser-Stausee heißt im Sudan Nubia-See und hat eine Kapazität von bis zu 169 Kubikkilometern Wasser. Seine Füllung dauerte sechs Jahre und war 1976 beendet. Zum Vergleich: Der alte Staudamm ermöglichte ein Stauvolumen von lediglich fünf Kubikkilometern.

Die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre

Eine völlig neue Art der Herausforderung an die Möglichkeiten der ägyptischen Bewässerungstechnik ist der Bau des „Großen Renaissance-Staudamms“ in Äthiopien. Sie heißt nicht ohne GrundTalsperre der äthiopischen Wiedergeburt“. Mit dem Bau dieses Staudamms erhofft sich Äthiopien einen wirtschaftlichen Neuanfang.

Die Talsperre befindet sich nahe der Grenze zum Sudan und staut den Blauen Nil zu einem See mit einem Stauvermögen von 63 Kubikkilometern. Die Füllung ist bereits angelaufen. Baubeginn war 2011, die Fertigstellung und komplette Füllung wird bis 2028 erwartet. Das angeschlossene Wasserkraftwerk ist das größte in Afrika. Der Sudan und Ägypten fürchten zu Recht einen Wassermangel. Denn mit dem Blauen Nil wird der Hauptzufluss des Nils aufgestaut. Der Blaue Nil vereinigt sich erst im Sudan bei Khartum mit dem Weißen Nil zum Nil.

Wie entstand die Nilschwemme

Der Nil ist, wenn er in Ägypten ankommt, ein Zusammenfluss der beiden Hauptquellflüsse Blauer Nil und Weißer Nil. Der Blaue Nil entspringt im äthiopischen Hochland, der Weiße Nil in den Bergen Ruandas und Burundis. Der Weiße Nil ist zwar der längere Quellfluss mit einem mehr als fünfmal größeren Einzugsgebiet als das des Blaue Nils und wird deswegen als der eigentliche Nil angesehen. Doch der Blaue Nil führt während der Regenzeit etwa fünfmal mehr Wasser als der Weiße Nil.

Der Weiße Nil hat eine recht regelmäßige Wasserführung, denn er entspring den feuchten Tropen Mittel- und Ostafrikas. Der Blaue Nil hingegen wird von dem jährlichen, zwischen Mai und August eintretenden Monsun gespeist. Über Wochen regnen die Wolken an den 4000 m hohen Bergen des äthiopischen Hochlandes ab. In diesen vier Monate werden gewaltige Wassermassen zusammen mit riesigen Mengen nährstoffreicher Erde vom Blauen Nil in den Nil gespült. Die mitgeführten Sedimente lassen den Blauen Nil dunkel erscheinen, deswegen sein Name. In der monsunfreien Zeit hingegen führt umgekehrt der Weiße Nil durchschnittlich fast doppelt so viel Wasser wie der Blaue Nil.

Im äthiopischen Hochland entspringt nicht nur der Blaue Nil, sondern auch der Atbara, ebenfalls ein Quellfluss des Nils. Der Atbara, der „Schwarze Fluss“, transportiert jährlich mehr als zehn Millionen Tonnen Schwebstoffe mit sich. Dies erklärt seinen Namen. Weil der Atbara mehr als ein Fünftel der gesamten Wassermenge des Nils führt, kann er diese enorme Menge an Sedimenten transportieren.

Die Nilschwemme, die in der Zeit vor den Staudämmen den fruchtbaren Schlamm und das lebenswichtige Wasser nach Ägypten brachte, ging also auf den Monsun in Äthiopien zurück. Es dauerte etwa vier Wochen, bis die sich langsam bewegende Flutwelle Assuan erreichte und den Wasserpegel ansteigen ließ. Der Wasserhöchststand wurde im August erreicht. Der Pegel begann im September langsam wieder zu fallen. Es dauerte etwa zwei Wochen, bis die Flutwelle auch im Nildelta ankam. Bei Kairo erreichte der Nil-Pegel seinen Höchststand zwischen Ende September bis Anfang Oktober.

Die fehlende Nilschwemme schafft Probleme

Die ägyptische Wirtschaft benötigt den Strom, der in der Wasserkraftanlage des Assuan-Staudamms produziert wird. Doch ohne die Nilschwemme fehlt den Bauern die natürliche Bewässerung ihrer Felder. Die Nilflut lagerte zudem die mitgeführten organischen Stoffe und mineralstoffreichen Schlammpartikel über dem überschwemmten Fruchtland ab.

Die Bauern können ihre Felder zwar nun das ganze Jahr über bewässern, doch dazu benötigen sie Pumpen, die sich nicht jeder leisten kann. Sie benötigen außerdem teuren Kunstdünger, um die Nährstoffe zu ersetzen, die nicht mehr angeschwemmt werden. Die im Wasser gelösten Salze und das Salz, das sich aus dem Kunstdünger löst, bleibt auf den Feldern zurück, wenn das Wasser verdunstet. Es fehlt die Nilflut, die die Salze aus dem Erdreich auswäscht und abtransportiert.

Dieses Salz hat schon vor Jahrzehnten begonnen, die altägyptischen Hinterlassenschaften zu zerstören. Reliefs an den Tempelwänden platzen ebenso ab wie die Malereien auf den Wandverputzen in den Pharaonengräbern. Das Salz zerstört allmählich die Jahrtausende alten Denkmäler. Zu Zeiten der Nilschwemme lag der Grundwasserspiegel bei Niedrigwasser weit unter der Oberfläche. Das im Wasser vorhandene Salz blieb gelöst im Wasser, so lange bis es mit der beginnenden Nilflut mit dem Grundwasser nach oben stieg. Dort wurde es dann weggeschwemmt. Heutzutage steigt das Grundwasser bis an die Oberfläche und dringt in das Mauerwerk der aus Kalk- und Sandsteinen errichteten altägyptischen Bauwerke ein. Die Zerstörungen, die damit einhergehen, sind kaum aufzuhalten.

Fazit

Mit dem Bau des Staudamms begann die Industrialisierung Ägyptens. Erst durch die Regulierung des Wasserstandes des Nils wurde es möglich, Städte, Industrien und eine Infrastruktur im Niltal zu errichten. Die Wasserkraftwerke lieferten den Strom von Assuan nach Kairo und bis nach Alexandria an die Mittelmeerküste. Einen wirtschaftlichen Aufschwung erhofft sich auch Äthiopien durch den Bau seiner Talsperre.

Der Assuan-Staudamm und seit kurzer Zeit auch die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre verhindern eine Nilschwemme. In Ägypten der Nil und in Äthiopien nun auch der Blaue Nil werden in riesigen Seen zurückgestaut. Die Wassermenge wird nur noch kontrolliert abgelassen:

  • um sie durch Turbinen für die Stromerzeugung strömen zu lassen
  • um Überschwemmungen mit den damit verbunden Tragödien zu vermeiden, denn in moderner Zeit liegen einige Millionenstädte am Blauen Nil und am Nil, sowohl im Sudan als auch in Ägypten
  • um ganzjährig durch das Ablassen des Wassers aus den Stauseen eine kontinuierliche Wasserversorgung zu gewährleisten, auch in Zeiten von Trockenheit und Dürre

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