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Warum wird Afrika als Wiege der Menschheit bezeichnet: Erkenntnisstand heute


warum wird afrika als wiege der menschheit bezeichnet

Afrika wird auch als Wiege der Menschheit bezeichnet, da man davon ausgeht, dass die verschiedenen Menschenarten von dort stammten.

Bibel, Evolutionstheorie und Kolonialismus – welche Antwort zur Herkunft des Menschen ist richtig

Im 19. Jahrhundert löste sich die Wissenschaft langsam von den biblischen Vorstellungen der Schöpfungsgeschichte. Die meisten Altertumswissenschaftler vertraten die Ansicht, die Menschheit habe sich entweder in Europa oder im Nahen Osten entwickelt. Funde des Neandertalers unterstützten diese Theorie.

Schon Charles Darwin hatte jedoch die These vertreten, dass der Urmensch in Afrika beheimatet sei. Nur wenige Gelehrte folgten seiner Meinung. Im Zeitalter des Kolonialismus wollte man nicht glauben, dass die Menschheit ihren Ursprung im primitiven Afrika haben sollte. Wer den Ursprung in Afrika sah, galt in der Wissenschaft bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts als Außenseiter. Zu stark war noch die Verbundenheit mit den alten, von der Kirche diktierten Vorstellungen.

Asien galt, zum Beispiel aufgrund des Java- und Pekingmenschen, als geeignetere Wiege der Menschheit. Dies änderte sich 1924 mit dem Fund eines Skeletts in Afrika.

Ein Junge bringt das alte Weltbild ins Wanken

In Taung, Südafrika, wurde das Skelett eines kleinen Jungen gefunden, das 1925 in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature publiziert wurde. Der Fund erregte sofort Aufsehen, denn die Entdecker datierten das Skelett auf knapp zwei Millionen Jahre. Damit war der Taung-Junge nicht nur das erste in Afrika entdeckte Skelett eines Urmenschen, sondern gleichzeitig auch das weltweit älteste. Die Urgeschichtsforschung musste nun zugeben, dass Afrika zumindest vor zwei Millionen Jahren Menschen beheimatet hatte.

Die Möglichkeit, dass die Menschheit von dort stammte wurde nun auch wissenschaftlich diskutiert. Aber es dauerte noch einige Jahre, bis sich die „Out-of-Africa“-Theorie, also die These, dass die Menschheit ihren Ursprung in Afrika hat, durchsetzte. Der Zweite Weltkrieg und die danach begonnene Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika verhinderte eine kontinuierliche Forschung.

Lucy in the sky und der Durchbruch der Anthropologie

In den 1950er Jahren kam es dann zum wissenschaftlichen Durchbruch. Louis Leakey und seine Frau Mary, später auch seine Kinder, forschten in Afrika. Sie studierten Steinwerkzeuge und fanden dabei auch mehrere Skelette von Urmenschen in der Olduvai-Schlucht in Ostafrika. Heute bezeichnet das sogenannte Olduvanien (Olduvai-Kultur) einen sehr alten Horizont von Steinwerkzeugen, der mit dem Homo erectus verbunden wird. Nach Louis Leakeys Tod forschte Mary alleine weiter, unterstützt von Anthropologen und Studenten.

1974 fanden sie Lucy, ein Skelett, das auf 3.4 Millionen Jahre datiert wurde und zur Urmenschenform des Australopithecus gehört. Es wurde nach einem berühmten Beatles-Song benannt, der damals aktuell war. Dutzende weiterer Funde in Olduvai, aber auch in Südafrika überzeugten seit den 1970er Jahren, dass die Menschheit aus Afrika stammt. Der schwarze Kontinent gilt deswegen als Wiege der Menschheit.

Nicht nur Urmenschen, auch der Homo sapiens ist aus Afrika

Aber dies ist noch nicht das Ende der Antwort. Die ganz alten Skelette gehören Urmenschenformen an, wie Homo habilis, Homo erectus und die ganz alten Menschengruppen des Australopithecus. Heute ist aber weltweit der Homo sapiens verbreitet. Forscher datierten das Aufkommen des Homo sapiens auf zirka 60,000 Jahre. Dies deckte sich mit dem Aussterben des Neandertalers in Europa und dem Übergang des Mittelpaläolithikums zum Jungpaläolithikum, gekennzeichnet durch neue, technisch raffiniertere Steinwerkzeuge.

Funde einer sehr archaisch anmutenden Form des Homo sapiens wurden in Heidelberg gemacht und auf zirka 200.000 Jahre geschätzt. Konnte es nicht sein, dass zwar die Urmenschen aus Afrika stammen, aber der Homo sapiens sich in Europa oder Asien entwickelte? Es gab sogar einige Forscher, welche die Entwicklung des Jetztmenschen in unterschiedlichen Regionen vertraten (das Multiregionen-Modell): Die Menschheit, so sagen sie, entwickelte sich nicht nur an einem Ort, sondern an verschiedenen.

  • Russische Archäologen der damaligen Sowjetunion vertraten die These, die Menschen stammten aus Sibirien.
  • Chinesische Forscher dagegen, die Urheimat des Homo sapiens, zumindest der Asiaten, sei China…

Alles spricht für Out-of-Africa

Die Archäologie und damit auch die Vorstellungen und das Wissen über die Vergangenheit entwickelt sich mit jedem neuen Fund weiter. Seit den 1970er Jahren kamen auch immer mehr alte Skelettfunde in Afrika zu Tage, die älter als die 60.000 Jahre waren. Sie waren auch größtenteils älter als der Heidelberg-Mensch. Funde in Marokko datieren auf mehr als 300.000 Jahre.

Die moderne Anthropologie und auch die Archäologie gehen dabei von zwei Migrationen des Jetztmenschen aus: vor knapp 200.000 Jahren und eine zweite vor 60.000 Jahren. In allen Fällen jedoch, sei es beim Urmenschen, oder dem Jetztmenschen gilt die Out-of-Africa-Theorie als bewiesen. Kein anderer Kontinent oder Region in der Welt ergibt Funde, die das Alter der afrikanischen Skelette erreichen.

Afrika ist demnach nicht nur die Wiege der Urmenschen, d.h. des Australopithecus, des Homo habilis und Homo erectus, sondern auch des Jetztmenschen Homo sapiens. Lediglich der Neandertaler ist noch nicht genau lokalisiert, aber auch hier gibt es mittlerweile Hinweise auf das nördliche Afrika.

Urlaub in der Wiege der Menschheit

Dass Afrika die Wiege der Menschheit ist, ist mittlerweile so anerkannt, dass Touristen sogar die Wiege der Menschheit ganz offiziell besuchen können. In Südafrika, wo viele frühe Ur- und Jetztmenschen-Skelette gefunden wurden, gibt es eine UNESCO-Weltkulturerbestätte Craddle of Humankind (Wiege der Menschheit). Sie befindet sich in der Region Gauteng, nordöstlich von Johannesburg. Hier wurden an mehreren Fundplätzen, wie Sterkfontein, Makapan und das oben erwähnte Taung, Funde sehr alter Überreste gemacht.

Die Ernennung dieser Region als offizielle Wiege der Menschheit ist jedoch nicht unumstritten, denn wissenschaftlich gibt es keine Belege, dass die Menschheit, egal ob Urmensch oder Jetztmensch, sich wirklich hier entwickelten. Das Weltkulturerbe erkennt zwar die Bedeutung der Fundstellen an, ist aber an sich lediglich eine touristische Attraktion. In der Zukunft werden neue archäologische Forschungen und Entdeckungen zu genaueren Kenntnissen darüber führen, wo die Menschheit (besser, Menschheiten) sich entwickelt hat (haben). Mit jedem neuen Fund wird unser Wissen über die Vergangenheit erweitert.


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