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Veränderungsblindheit: Beispiele, Ursachen, Experimente


Veränderungsblindheit (engl. Change blindness) beschreibt das Phänomen, bestimmte Veränderungen im Blickfeld nicht zu bemerken, sobald diese sich ändern, nachdem man für kurze Zeit den Blick abwandte.

Neben der Wahlblindheit und der Unaufmerksamkeitsblindheit ist die Veränderungsblindheit ein drittes Phänomen der visuellen Einschränkung, welches zum Forschungsgegenstand der wissenschaftlichen Psychologie gehört.

Veränderungsblindheit: Bedeutung und Beispiele

Ein typisches Beispiel findet man in Filmen. In einer Filmszene hat der Hauptdarsteller ein blaues T-Shirt an und in der darauffolgenden Szene ein rotes. Zwischen beiden Szenen liegt normalerweise kein inhaltlicher Zeitsprung, was den Wechsel des T-Shirts begründen könnte. Es ist einfach ein Regiefehler, welcher sich zufällig eingeschlichen hat.

Dennoch werden solche visuellen Veränderungen vom Zuschauer normalerweise nicht registriert. Schuld ist die Veränderungsblindheit des Einzelnen. Die Szene muss dabei wechseln und der Hauptdarsteller kurze Zeit aus dem Sichtfeld verschwinden. Ansonsten funktioniert es nicht.

Ein anderes Beispiel aus dem Alltag könnte sein, dass der Ehepartner sich optisch verändert und dies vom anderen Partner nicht bemerkt wird. So bemerken Ehemänner häufig nicht, dass Frauen sich mehrfach umziehen oder eine neue Haarfarbe tragen. Auch das neu erworbene Kleid fällt dem Ehemann nicht auf.

Der Grund dafür, weshalb wir Veränderungen nicht bemerken – liegt in der Aufmerksamkeit. Denn die selektive Aufmerksamkeit, welche permanent stattfindet, wählt gewisse Merkmale und konzentriert sich darauf. Dabei geraten andere unwichtige Merkmale in den Hintergrund und werden nur unbewusst wahrgenommen.

Was bedeutet dies für den T-Shirt Wechsel?
Falls du in der Filmszene das blaue T-Shirt aktiv bemerkt hättest, vielleicht sogar gewisse Emotionen und Gedanken daran geknüpft hättest, würdest du den Wechsel zum roten T-Shirt bemerken. Da das T-Shirt in den meisten Fällen für den Inhalt des Filmes keine Rolle spielt, drängt der Beobachter dieses Merkmal in den Hintergrund und konzentriert sich auf andere Merkmale des Filmes. Und somit bemerkt man den Wechsel gewöhnlich nicht.

Da unsere Aufmerksamkeitsspanne nicht unendlich ist, muss unsere Konzentration auf das Wesentliche abzielen. Wir nehmen also entscheidende Kriterien bewusst wahr und andere erreichen die Bewusstseinsschwelle nicht. Diese Einteilung ist subjektiv und trifft jedes Gehirn automatisch. Demnach geben wir den Dingen die Bedeutung, welche ihnen zukommt.

Und Dinge, welche durch die Veränderungsblindheit unbemerkt bleiben, haben schlichtweg keine Bedeutung für uns. Die Untersuchung dieses Phänomens wird in der Bewusstseinsforschung eingesetzt, um die Frage zu beantworten, wie sich Realität und Wirklichkeit aufbauen bzw. zusammensetzen.

Experimente zur Veränderungsblindheit

Von Simons und Chabri stammt das sogenannte Gorilla-Experiment, bei dem Teilnehmer ein Video anschauen sollten, um Ballwechsel zwischen auftretenden Basketballspielern zu zählen. Die Probanden konzentrierten sich derart aufs Zählen, dass rund 40 % von ihnen einen kostümierten Mitspieler mit Affenkostüm im Video nicht bemerkten. Dieses Experiment sollte eine empirische Datenlage zu einer anderen visuellen Beeinträchtigung, der Unaufmerksamkeitsblindheit liefern.

Von Simons stammt allerdings auch ein zweites Experiment, welches auf der Straße – mit willkürlich ausgesuchten Passanten – abgehalten wurde. Ein in das Experiment eingeweihter Passant gab sich als orientierungslos aus und fragte Vorbeikommende nach dem Weg. Während diese den Weg beschrieben, liefen zwischen dem ahnungslosen Passanten und dem Lockvogel zwei Männer hindurch und transportierten eine Tür.

Der Blickkontakt wurde dadurch getrennt und während diesem kurzen Zeitpunkt, tauschten der scheinbar orientierungslose Tourist und einer der Türträger die Plätze. Nachdem die Tür wieder aus dem Sichtfeld verschwand, stand plötzlich eine völlig fremde Person vor den erklärenden Passanten. Dieser Umstand wurde, vom Großteil der unfreiwilligen Probanden, nicht bemerkt. Diese erklärten dem Türträger nun den Weg.

Literatur

  • Sascha M. Dornhöfer: Veränderungsblindheit: Drei explorative Untersuchungen in statischer und dynamischer verkehrsbezogener Umgebung, ISBN 3832240160*
  • Christopher Chabris, Daniel Simons: Der unsichtbare Gorilla: Wie unser Gehirn sich täuschen lässt, ISBN 3492053513*
  • Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken , ISBN 3328100342*

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