Erkennung und Wahrnehmung: Prozesse und Abläufe
Erkennen bzw. Erkennung beschreibt einen kognitiven Prozess bei dem das Wahrgenommene identifiziert und zugeordnet werden kann.
Die Wahrnehmung ist der Grundstein für die Interaktion mit unserer Umwelt. Daher ist unser Nervensystem so konstruiert, dass es die für uns relevanten Reize aufnimmt und ans Gehirn weiterleitet. Die über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationen werden anschließend in unserer Hauptschaltzentrale verarbeitet und zu einem großen Ganzen zusammengesetzt.
Das bedeutet beispielsweise auch, dass Sehen nicht mit dem gleichzusetzen ist, was auf unsere Netzhaut trifft. Die eingehenden Signale werden erst über die Sehnerven weitergeleitet und in den dafür zuständigen Hirnarealen interpretiert. Wir nehmen demnach nicht einfach passiv Reize auf. Viel mehr investiert unser Gehirn aktiv eine Menge Arbeit, damit wir uns in unserer Umwelt orientieren können.
Die uns umgebende Welt wird zwar von unseren Augen aufgenommen, doch erst in unserem Kopf wird diese Welt rekonstruiert. So ist es bereits eine erstaunliche Leistung, dass unser Gehirn das zweidimensionale Abbild von der Welt auf unserer Netzhaut wieder zu einem dreidimensionalen zusammensetzen kann. Doch was hat die Wahrnehmung mit dem Erkennen zu tun?
Inhalt
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wahrnehmen und Erkennen?
Wahrgenommene Reize speichert unser Gehirn in der Regel ab.
Wir sehen, hören, schmecken, fühlen oder riechen bestimmte Dinge und diese bleiben im Gedächtnis. Viele Objekte erkennen wir ganz einfach deshalb wieder, weil wir uns an sie erinnern. Wir haben irgendwann gelernt, dass eine horizontale Platte mit vier Beinen ein Tisch ist.
Haben wir das einmal gelernt, erkennen wir einen Tisch fortan. Wahrnehmen konnten wir in vorher auch schon, aber nicht unbedingt benennen. Beim Erkennen können wir ein Objekt einer Kategorie zuordnen. In diese Kategorien stecken wir im Laufe unseres Lebens alles, was passend erscheint. Kleine, große, niedrige oder hohe Tische erkennen wir als solche. Und das trotz ihrer unterschiedlichen Formen. Auch die Anzahl der Standbeine ist nicht relevant.
Gesichtserkennung müssen wir nicht erst erlernen
Andere Reize erkennen wir allerdings selbst dann, wenn wir sie noch nicht erlernt haben.
Denn einige Stimuli sind für uns aufgrund einer genetischen Veranlagung zugänglicher als andere. Menschliche Gesichter sind ein Beispiel dafür. Im Laufe der menschlichen Evolution haben unsere Ahnen sich zu sozialen Lebewesen entwickelt.
Daher ist das Erkennen von Gesichtern anderer Menschen sehr bedeutsam für unsere Spezies. Wir können vertraute Gesichter in dem Bruchteil einer Sekunde von fremden unterscheiden und wissen, wer zu unserer Familie oder Gruppe gehört und wer nicht.
Doch auch die Mimik spielt eine Rolle. Wir nehmen nicht nur ein statisches Bild von Augen, Nase und Mund eines Menschen wahr. Wir können auch ihre Mimik deuten. Wir erkennen meist ohne Probleme, ob unser Gegenüber wütend, freundlich oder verängstigt ist.
Der Psychologe Paul Ekman entdeckte bei seinen Forschungsarbeiten, dass es gewisse Gesichtsausdrücke gibt. Diese spiegeln die sogenannten Basisemotionen wieder und werden kulturübergreifend von allen Menschen verstanden. Dazu zählen Freude, Trauer, Angst, Ärger, Ekel und Überraschung.
Doch auch hinsichtlich des Wiedererkennens eines Gesichts spielt die Mimik eine Rolle. Unsere Gesichtszüge sind zwar in Bezug auf die grundlegenden Emotionen universell. So ziehen alle bei Wut die Augenbrauen zusammen und pressen die Lippen aufeinander oder ziehen bei Freude die Mundwinkel nach oben.
Doch die Züge sind dennoch etwas Individuelles. Bestimmte Lachfältchen oder Zornesfalten sowie die Form der Augen beim Lachen haben bei jedem Gesicht einen gewissen Wiedererkennungswert und fallen – je nach Gesicht- ein wenig anders aus.
Vom Wahrnehmen zum Erkennen
Visuelle Wahrnehmung schließt das Erkennen ein. Denn wir sind in der Lage, verschiedene Farben und Formen zu erkennen. Ersteres liegt vor allem daran, dass unsere Sehzellen darauf ausgelegt sind, Farben in einem gewissen Spektrum wahrzunehmen.
Das menschliche Auge ist für einen Wellenbereich ausgerüstet, der sich zwischen Ultraviolettem und Infrarotem Licht befindet. Wellenlängen in diesem für uns sichtbaren Bereich liegen zwischen etwa 380 und 780 Nanometer. Warum wir genau in diesem Bereich Farben erkennen können, ist evolutionär bedingt und speziesabhängig. So können beispielsweise viele Insekten auch Ultraviolettes Licht sehen.
Andererseits können zum Beispiel Hunde nicht so viele Farben erkennen wie der Mensch. Ihnen fehlt die Fähigkeit Grün- und Rottöne wahrzunehmen. Ihr Sehspektrum schließt also Blau und Gelb ein, doch Grün, Orange, oder Rot sehen sie nicht. Damit ähnelt ihre Farbwahrnehmung etwa der eines Menschen, der an einer Rot-Grün-Sehschwäche leidet.
Das Erkennen von Formen
Doch auch für Formen ist unsere Netzhaut sehr empfänglich.
Bestimmte Zelltypen auf unserer Retina reagieren sehr stark auf Konturen und Kanten. Diese Zellen feuern besonders dann, wenn sie Helligkeitsunterschiede wahrnehmen. Wenn wir nochmal auf die Gesichter als Beispiel zurückkommen, so stellen wir fest, das ein Gesicht realistisch gesehen auch nur eine Ansammlung von Formen und Konturen ist.
Diese erkennen wir beispielsweise daran, dass weiter vorn liegende Bereiche heller erscheinen als weiter hinten liegende. Wenn du dir ein Gesicht auf einem Foto ansiehst, erkennst du einen hellen Nasenrücken, eine helle Stirn und ein helles Kinn. Der Wangenbereich und die Kieferpartie sind dunkler. Auch die Form des Gesichts erkennst du daran, wie diese hellen und dunklen Konturen zusammenspielen.
Wenn wir sehen, was nicht da ist
Dass diese Prozesse nicht immer einwandfrei funktionieren, zeigen optische Täuschungen.
Vielleicht kennst du die Illusion der sich drehenden Maske. Diese scheint dir auf den ersten Blick zugewandt zu sein. Doch im Laufe der Rotation erkennst du, dass du die Innenseite vor Augen hattest.
Es gibt noch etliche weitere Beispiele, bei denen uns unsere Wahrnehmung einen Streich spielt. Mit dem Hermann-Gitter ist unsere visuelle Wahrnehmung scheinbar auch ein wenig überfordert. Hier befindet sich ein weißes Gitter auf einem schwarzen Untergrund. Obwohl sich an den Schnittpunkten der senkrechten und waagerechten weißen Linien nichts befindet, sehen wir an diesen Stellen dunkle Punkte aufflimmern.
Zusammenfassung
- Unsere Sinnesorgane sind unserer Verbindung zur Außenwelt. Sie nehmen Reize auf und leiten sie an das Gehirn weiter. Hier werden die Reize interpretiert und zu einem sinnvollen Ganzen zusammengesetzt.
- Wir nehmen daher nicht direkt die Realität wahr, sondern ein Abbild davon. Dieses Abbild konstruiert das Gehirn.
- Daher befindet sich auch kein klares Bild der Welt auf unserer Netzhaut. Alle auf unser Auge treffende Reize müssen erst einmal im Gehirn rekonstruiert werden. Um etwas mit diesen eingehenden Reizen anfangen zu können, müssen wir diese erkennen.
- Beim Erkennen kommen einerseits biologisch vorprogrammierte Prozesse zum Einsatz. So sind wir etwa besonders auf das Erkennen von Gesichtern spezialisiert. Zudem sind unsere Augen an die Wahrnehmung bestimmter Formen und Farben evolutionär angepasst.
- Das kann allerdings auch zu Fehlinterpretationen führen. Wir erkennen bestimmte Dinge, die nicht vorhanden sind. Das ist der Fall bei optischen Täuschungen.
- Doch auch unser Gedächtnis hat einen großen Anteil am Prozess des Erkennens oder Wiedererkennens. Wir nehmen bestimmte Objekte demnach zwar wahr, doch erkennen sie nicht unbedingt. Wenn wir ein bestimmtes Objekt noch nie zuvor gesehen haben, können wir es schlichtweg nicht einordnen. Uns fehlt es an der entsprechenden Erfahrung.
- Wir müssen dann erst lernen, welche Bedeutung ein Objekt hat. Erst dann können wir beim nächsten Mal auf diese Erinnerung zurückgreifen und das Objekt als solches erkennen. Wahrnehmung und Erkennen sind somit untrennbar miteinander verbunden.