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Wahrnehmungsfehler: 15 Verzerrungen und ihre Bedeutung


Wahrnehmungsfehler und Wahrnehmungsverzerrungen sorgen dafür, dass sich ein subjektiver Eindruck von einer Situation, einer Person oder anderer Umweltbedingungen ergibt. Diese Verzerrung ist lediglich ein Eindruck oder Interpretation von einer Wirklichkeit, welche sich von einer objektiven Realität stark unterscheiden kann.

Wieso?
Unsere Wahrnehmung unterliegt einer Reihe verschiedenster Einflüsse. Gerade bei der Personenwahrnehmung greifen wir häufig auf Erwartungen, Stereotype, vorhandenes Wissen oder unsere Vorstellungen von sozialen Rollen zurück. Die Nutzung leicht verfügbarer Informationen führt uns schnell zu Entscheidungen und Urteilen.

Allerdings kommt es dabei auch zu Wahrnehmungsfehlern. Schließlich sind die vorhandenen Informationen nicht allumfassend. Einerseits haben wir einfach keinen Zugriff auf sämtliche Aspekte einer Situation oder einer Person. Andererseits könnten wir diese Flut an Informationen auch gar nicht verarbeiten, selbst wenn wir alle Aspekte eines Sachverhalts registrieren würden. Aufgrund dieser Informationslücken ist auch unsere Urteilsbildung nicht fehlerfrei. Welche Aspekte noch in unserer Wahrnehmung von Personen eine Rolle spielen, sehen wir uns im Folgenden an.

Was sind Wahrnehmungsfehler?

Insgesamt unterscheidet die Psychologie 15 Wahrnehmungsfehler:

  1. Erwartungsfehler
  2. Situationsfehler
  3. Rollenfehler
  4. Hierarchieeffekt
  5. Fehler im sozialen Zusammenhang
  6. logische Fehler
  7. Attributionsfehler
  8. Ankereffekt
  9. Projektion
  10. Sympathieeffekt
  11. Kontrastfehler
  12. Ähnlichkeitsfehler
  13. Primacy-Effekt
  14. Endlichkeitseffekt
  15. Halo-Effekt

Diese Form der Verzerrungen werden auch Biases genannt.
Erforscht werden sie hauptsächlich im Bereich der sozialen Informationsverarbeitung. Wie wir andere Menschen wahrnehmen, hängt laut Kahneman und Tversky stark von Urteilsheuristiken ab. Diese Heuristiken sind eine Art von Faustregeln, mit deren Hilfe wir uns schnell ein Urteil bilden können.

Allerdings ist „schnell“ nicht immer gleichbedeutend mit „gut“. Obwohl uns diese „Abkürzungen“ im Alltag häufig schnelle Lösungen bieten und wir auch meist gut mit ihnen beraten sind, sind Urteilsheuristiken auch fehleranfällig. Wir stützten uns bei der Urteilsbildung auf bestimmte Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben. Dazu zählen unter anderem Stereotype, Schubladendenken und generelle Fehlschlüsse. Vor allem in Bezug auf die Einschätzung unserer Mitmenschen sind Wahrnehmungsfehler daher keine Seltenheit.

Personenwahrnehmung und Wahrnehmungsfehler

Wie wir andere Personen wahrnehmen, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.
Wenn wir eine uns unbekannte Person treffen, nutzen wir zur Einschätzung erst einmal all das, was wir mit unseren Sinnen erfassen können.

  • Wie sieht diese Person aus?
  • Wie ist sie gekleidet?
  • Welche Körperhaltung hat sie eingenommen?
  • Wie bewegt sie sich?
  • Was verrät ihre Mimik?

Diese visuellen Informationen werden noch mit weiteren Reizen kombiniert. Auch akustische Hinweise spielen demnach eine Rolle. Wie klingt die Stimme dieser Person? Spricht sie leise oder laut? Ist die Stimme angenehm oder eher weniger?

Hinzu kommt unter Umständen noch der Geruchssinn. Vielleicht trägt diese Person ein Parfum, das dich an jemand anderen erinnert und dir ist die fremde Person daher sympathisch oder das Gegenteil ist der Fall. Wie wir diese Person nun allerdings letztendlich einschätzen, hängt auch von der Interpretation der uns zur Verfügung stehenden Informationen ab. Denn die Persönlichkeit dieses Menschen kennen wir ja noch nicht.

Erwartungen

Bedenke: Wir wollen unsere Erwartungen immer bestätigen.
Menschen neigen dazu diejenigen Charaktereigenschaften des Anderen am stärksten wahrzunehmen, welche auch erwartet werden.

Soll heißen…
Wenn wir uns bereits ein gewisses Bild über jemanden gemacht haben, dann sind daran auch bestimmte Erwartungen geknüpft. Häufig ist es so, dass wir unsere Erwartungen mit den uns vorliegenden Informationen bestätigen wollen.

Nehmen wir an, du bist mit jemandem befreundet, der sich gern einmal verspätet. Zumindest ist das deine Sichtweise auf diese Person, weil es eben schon einige Male passiert ist. Nun seid ihr auf einen Kaffee verabredet und du bist selbst spät dran. Dieser Umstand stört dich allerdings nicht weiter, weil du ja weißt, dass dein Freund eh zu spät auftauchen wird.

Als du beim Café ankommst, steht er jedoch schon wartend davor. Jetzt wunderst du dich vielleicht erst einmal, bist verunsichert und hast nun zwei Möglichkeiten. Entweder suchst du nach Gründen dafür, warum er „ausnahmsweise“ pünktlich ist und behältst deine Erwartung an ihn („Er ist immer zu spät“) bei.

Oder aber du veränderst deine Sichtweise und passt deine Erwartungen an, woraufhin du künftig nicht mehr von seiner Unpünktlichkeit ausgehst.

Aber es geht noch weiter…
Die Erwartungshaltung bestimmt demnach, welche Eigenschaften sich beim Anderen am stärksten herausstellen. Wenn wir jemanden als unfreundlich erwarten, werden wir seine Unfreundlich sehr stark wahrnehmen. Und das obwohl dieser Mensch nicht launiger oder unfreundlicher als ein irgendeine andere Person ist.

Lehrer erwarten von ihren Lieblingsschülern Top-Leistungen. Sobald der Schüler dann hinter seinen Leistungen zurückbleibt, werden sie ihm dennoch eine gute Leistung bescheinigen. Und dies einfach nur, weil es erwartet wird. Bei schlechten Schülern ist dies ähnlich. Fehler werden häufiger erkannt oder gesucht, da der Lehrer eine schlechte Leistung erwartet.

Diesen Erwartungsfehler in der Wahrnehmung nennt man in der Psychologie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Schemata

Auch Wissensstrukturen beeinflussen unsere Wahrnehmung.
Kognitive Schemata sind mentale Konstrukte, welche wir im Laufe unseres Lebens entwickeln. In Bezug auf die Wahrnehmung von Personen werden Schemata auch als Stereotype bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ dauerhaft und auf wenige Merkmale reduziert sind.

Diese Wissensstrukturen ergeben daher häufig recht starre Vorstellungsbilder, in welche wir andere Menschen oder Gruppen einordnen. Mit Stereotypen verknüpft sind Vorurteile. Diese sind – anders als Stereotype – emotional besetzt und fallen meist negativ aus.

Durch Stereotype entsteht ein Schubladendenken. Dieses erspart uns einerseits Zeit, da es eine Art der (wenn auch nicht immer eine zutreffende) Orientierung darstellt. Doch andererseits stecken wir andere Menschen sehr voreilig in diese vorgefertigten Kategorien.

Allerdings entwickeln wir nicht nur solche allgemeinen Schemata, sondern auch sogenannte Personenschemata. In diesen befindet sich unser Wissen rund um eine bestimmte Person. Das können ihre Vorlieben, Interessen, Hobbies oder sonstige Informationen sein.

Soziale Rollen und Hierarchieeffekt

Rollen beinhalten bestimmte Merkmale, welche wir dann auch auf die Rolleninhaber anwenden.
So sehen wir Lehrer generell als intelligent an, schreiben Menschen in Uniformen eine gewisse Macht und Autorität zu und unterliegen dem Glauben, dass Hierarchien ebenfalls mit gewissen Persönlichkeitsmerkmalen einhergehen.

Die soziale Rolle assoziieren wir etwa auch mit berufstypischer Kleidung. Daher schreiben wir unter Umständen einem Bankkaufmann im Anzug mehr Zielstrebigkeit, Gewissenhaftigkeit und Seriosität zu als einer Person in Handwerkerkluft. Uniformen können sogar dazu führen, dass wir unsere eigene Verantwortung an die betreffende Person übertragen und (ohne Anweisungen zu hinterfragen) Folge leisten.

So wird der Arzt im Kittel schnell zum Verantwortlichen wenn es um die eigene Gesundheit geht. Der Polizist ist für meine Sicherheit verantwortlich und der Bankangestellte für die Entwicklung meines Wertdepots. Diese Verantwortungsübergabe wird von den entsprechenden Rollenträgern oft provoziert, dennoch findet niemals ein wirklicher Verantwortungswechsel statt.

Logikfehler

Unser Denken unterliegt häufig einem Wenn-Dann-Schema.
Auch dieser Wahrnehmungsfehler basiert auf Lernerfahrungen und Wissensstrukturen, welche wir zur Beurteilung anderer Personen heranziehen. Wir gehen daher häufig davon aus, dass wenn eine bestimmte Eigenschaft vorliegt, auch andere automatisch damit verknüpft sind.

So könntest du bei einer dir sehr freundlich erscheinenden Person auch denken: „Wenn sie so nett ist, dann muss sie auch gleichzeitig ein ehrlicher Mensch sein“. Das kann natürlich zutreffen, muss es allerdings nicht. Wenn du dieser Person noch nie Geld geliehen hast, das sie dir dann nicht zurückgegeben hat oder sie noch nie bei einer Lüge ertappt hast, dann kannst du ganz einfach nicht wissen, wie es um ihre Ehrlichkeit bestellt ist.

Sämtliche Vorurteile fallen hier rein.

  • Wer lügt, der stiehlt bestimmt auch.
  • Ein starker Junge ist zugleich auch sportlich
  • Ein nettes Mädchen ist gleichzeitig auch zuvorkommend zu ihren Eltern.
  • Ein fauler Mensch ist oft auch dicker und träge.

Mit einer Eigenschaft werden sofort verschiedene andere Eigenschaften herangezogen und auf denjenigen angewandt. Der Logikfehler wird oftmals nicht bemerkt, da Erwartungen immer höher wahrgenommen. Und sobald sich das Anzeichen für einen Verdacht ergibt, scheint sich die Erwartung und Logikfehler zu erfüllen.

Attributionen und Verhaltensursachen anderer

Wir schließen aufgrund unserer Beobachtungen auf die Beweggründe anderer.
In diesem Kontext ist auch von Attributionen die Rede. Dabei überlegen wir uns, ob das Verhalten anderer auf interne oder externe Ursachen zurückgeht.

Bei den internen handelt es sich um beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften oder die Intelligenz. Bei den externen hingegen geht es um situationale Ursachen.

Stell dir vor, du beobachtest jemanden auf der Straße. Diese Person hat gerade ein Geschäft verlassen und plötzlich landen alle Einkäufe auf dem Boden. Eine auf interne Ursachen basierende Attribution könnte lauten „Was für eine ungeschickte Person!“. Damit wird impliziert, dass die betreffende Person generell sehr tollpatschig und unachtsam zu sein scheint.

Eine externale Attribution hingegen könnte sein: „Diese Einkaufstüten halten aber auch wirklich gar nichts aus. Unglaublich, wie schnell die reißen.“ Hierbei würde die Ursache nicht bei der Person, sondern in der Situation gesucht.

Häufig neigen wir allerdings dazu, bei anderen Personen eher auf internale Ursachen zu schließen. Wenn es um uns selbst geht, ist es jedoch umgekehrt. Passiert uns ein Missgeschick, suchen wir den Grund dafür in der Situation und nicht bei uns selbst.

Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der das eigene positive Selbstbild aufrechterhalten soll. Demnach kommt es beispielsweise zu folgender Zuschreibung: Hat eine andere Person eine schlechte Prüfungsnote erhalten, zweifeln wir schnell an ihrer Intelligenz. Haben wir jedoch selbst eine Prüfung versemmelt, lag das ganz eindeutig an den unfair gestellten Aufgaben oder daran, dass der Lehrer uns nicht leiden kann.

Ein Lehrer, welcher bemerkt – dass sein Schüler schlechte Noten schreibt – sieht Faulheit als Charakterschwäche. Oder der Lehrer schließt daraus, dass der Schüler zu dumm ist, was natürlich noch viel schlimmer ist. Dieser Lehrer wird von selbst nicht daraufkommen, dass der Schüler vielleicht gerade verliebt ist und keine Zeit zum Lernen hat. Auch dass ein Jugendlicher mit vielen Eindrücken konfrontiert ist, vergisst der Lehrer.

Beim Blick auf seine eigene Jugend, welche vielleicht auch einer Phase von Erfolgsmangel beinhaltet – zieht der Lehrer aber meistens andere Schlüsse. Hier war die Situation ausschlagend für den Misserfolg. Oftmals werden dann falsche Unterrichtsmethoden, langweiliger Stoff oder eine unfaire Benotung angeführt. Dass dies mitunter Konzepte seines derzeitigen Unterrichts sein könnten, würde diesem Lehrer vielleicht selbst entgehen.

Attributionen als Wahrnehmungsverzerrer schreiben ein mögliches Fehlverhalten immer der individuellen Persönlichkeitseigenschaft des Anderen zu. Somit wird das eigene Selbstbild positiv gehalten.

Ankereffekt

Willkürlich gesetzte Anker beeinflussen unsere Entscheidungen.
Ein Anker ist eine Information beziehungsweise ein Wert, den Menschen sich als Ausgangspunkt für Entscheidungen setzen. Das heißt, entweder setzen sie sich diesen unbewusst selbst oder er wird von außen gesetzt.

Ein kleiner Anker kann etwa beim Schätzen einer Zahl zu einer niedrigeren Schätzung führen als ein großer Anker. Fällt beispielsweise im Rahmen einer Gerichtsverhandlung eine niedrige Zahl, kann sich diese als Anker beim Richter festsetzen. Wenn er dann ein Urteil fällt, fällt dieses milder aus als bei einer höheren Zahl.

Das zeigt, dass nicht nur Laien diesem Wahrnehmungsfehler unterliegen – auch Experten sind nicht davor gefeit. Vermutlich ist die Ursache für diesen Effekt, dass der Anker für ihn passende Gedächtnisinhalte aktiviert. Schneller verfügbare Informationen werden eher für die Urteile und Entscheidungen genutzt als schwerer zugängliche.

Der Ankereffekt kann auch im Zusammenhang mit Erwartungen auftreten. Zum Beispiel kann ein Käufer eines Hauses einen hohen Preis für das Eigenheim erwarten. Nun gibt der Verkäufer sein Angebot ab, welches angemessen aber weit unter des Ankerpreises des Käufers liegt. Demnach wird der Käufer glauben, dass er ein Schnäppchen macht, wenn er das Haus kauft.

Mit diesem Ankerverständnis werben Warenhausketten und Online-Händler. Dabei wird der alte Preis als rot markiert und der neue günstigere Preis als grün. Der alte teurere Preis dient hier als Ankerpunkt und der Vergleich zum neuen Preis bewirkt beim Kunden ein Schäppchengefühl. Da er diesem nachgehen will bzw. muss, wird er so schnellere Entscheidungen treffen.

Die schnellere Kaufentscheidung wird demnach vom Ankerpreis angetrieben. Das vermeintliche Schnäppchen ist allerdings nur eine Wahrnehmungsverzerrung aufgrund des Ankers.

Projektion

Projektion heißt: Was ich an mir selbst nicht mag, fällt mir an anderen besonders stark auf.
Der Grund, weshalb du gewisse Eigenschaften an dir selbst nicht magst – liegt an deiner Erziehung. Bestimmung Verhaltensweisen wurden durch das Umfeld besonders stark und besonders häufig kritisiert.

Dadurch ergibt sich irgendwann eine Abneigung gegen die Eigenschaft. Sobald man diese Eigenschaft dann in einem anderen Menschen sieht, wird diese besonders stark wahrgenommen. So kann beispielsweise eine unordentlicher Mensch, welcher stark zur Ordnung erzogen wurde- ein starke Abneigung gegen Unordnung entwickeln. Trifft dieser auf einen Menschen, welcher vielleicht etwas unordentlich ist – nimmt er diese Eigenschaft besonders stark war und stellt diese in den Vordergrund.

Für all das, wofür man selbst oft kritisiert oder bestraft wurde – wird demnach zum Fokus.
Andersherum finden wir Personen sympathisch, wenn sie uns selbst ähneln. Und zwar in den Eigenschaften für welche wir selbst oft gelobt oder belohnt wurden.

Dieser Umstand kann allerdings auch zu Fehlentscheidungen führen. Denn nur, weil jemand nicht die gleichen Hobbies hat oder andere Werte vertritt, ist er kein schlechterer Mensch. Dennoch führt diese Verzerrung oftmals zu unbewussten Projektionen und zu Fehlern in der Wahrnehmung.

Konfliktpotenzial ist bei Projektionen gegeben, daher sollte man sich bei der Vergabe von Sympathiepunkten vielleicht einmal selbst fragen, woran genau man diese überhaupt festmacht.

Sympathieeffekt

Wer uns sympathisch ist, den bewerten wir positiver.
Das kann beispielsweise in Bewerbungssituationen von Nachteil (oder auch von Vorteil sein). Erinnert der Bewerber den Chef an jemanden aus seiner Jugend, mit dem er nicht klar kam, erscheint er ihm auf Anhieb unsympathisch. Im schlimmsten Fall überfliegt er die Bewerbungsunterlagen dann nur halbherzig (oder gar nicht) und spricht direkt eine Absage aus.

Findet er den Bewerber allerdings sympathisch, verspricht er diesem vielleicht direkt die Stelle – obwohl er sich die Bewerbung noch gar nicht richtig angesehen hat. Dabei wäre der „unsympathische“ Bewerber von seinen Qualifikationen her vielleicht wesentlich besser für die Stelle geeignet gewesen.

Dies wirkt sich auch bei der Einschätzung von Fehlverhalten bei anderen Menschen aus. Sobald ein sympathischer Mensch einen Fehler macht, sieht man gern drüber hinweg. Der Fehler wird als nichtig oder kaum beachtenswert wahrgenommen. Ist der Mensch mir aber unsympathisch, kann der gleiche Fehler als folgenschwer und als großes Problem wahrgenommen werden.

In Liebesbeziehungen sieht man dies sehr häufig. Am Anfang einer Beziehung werden kleinere Probleme oft nicht gesehen. Man spricht von der rosaroten Brille. So kann der Partner schon mal den Einkauf vergessen oder die Wohnung unaufgeräumt hinterlassen. Dies ist ein Wahrnehmungsfehler, welcher allerdings gern in Kauf genommen wird.

Irgendwann ergeben sich Beziehungsprobleme und wenn diese nicht gelöst werden, belastet dies eine Beziehung. Dann wird die unaufgeräumte Wohnung und der versäumte Einkauf als Problem gesehen. Das eigentliche Problem ist allerdings, dass die Partnerbeziehung an Sympathiepunkten verloren hat. Dadurch wird der ursprüngliche Sympathiefehler korrigiert.

Ähnlichkeits- und Kontrastfehler

Beim Ähnlichkeitsfehler werden Persönlichkeitseigenschaften im Anderen besonders stark wahrgenommen, welche einem selbst sehr vertraut sind. Der Kontrastfehler beschreibt, dass Charaktereigenschaften übertrieben stark wahrgenommen werden, welche einem selbst fehlen.

Beide Wahrnehmungsfehler beruhen auf Vergleichen. Wir mögen positive Eigenschaften an anderen Personen, weil sie unsere kompensieren. Spontanität kann so beispielsweise beim Andere geschätzt werden, da man selbst nicht spontan ist. Dabei muss der Spontane lediglich im Vergleich zu mir spontaner sein, damit ich diesen als spontan wahrnehme.

Das Wichtige ist….
Der andere Mensch muss gar nicht übertrieben spontan sein. Und dennoch wird er von mir als spontan wahrgenommen. Grund dafür ist meine eigene fehlende Spontanität, welche im Kontrast zu seiner etwas höheren Ausprägung steht.

Bei der Ähnlichkeit ist dies genauso. Ich erkenne positive Eigenschaften im Anderen wieder, weshalb ich diese höher einschätze als andere Charaktereigenschaften.

Primacy Effekt

Der erste Eindruck ist der wichtigste.
Zumindest dann, wenn der Primacy-Effekt greift. Wir lassen uns bei der weiteren Beurteilung von Personen häufig vom ersten Eindruck blenden.

Das kann allein schon am Beispiel von Wortlisten gezeigt werden. Werden Probanden zwei identische Wortlisten vorgelegt, fällt ihre Einschätzung der beschriebenen Person abhängig vom ersten Wort anders aus.

Wie?
Nehmen wir an, auf der Liste stehen die Adjektive klug, zielstrebig, zurückhaltend, neidisch. Ist „klug“ das erste Wort, wird die Person allgemein positiver gedeutet. Ist die Wortfolge umgekehrt, färbt „neidisch“ auf die anderen Wörter ab. So wird die Person zum Beispiel eher als Eigenbrödler oder karrierefixiert betitelt.

Der erste Eindruck wird oftmals noch verstärkt. Denn Menschen suchen die Bestätigung des Ersteindrucks auch nach mehrmaligen Treffen. Hier greift dann die Erwartungshaltung als Wahrnehmungsverzerrer und der Ersteindruck wird immer wieder bestätigt und summiert sich so.

Endlichkeitseffekt

Der Endlichkeitseffekt geht auf die Psychologen Ed O’Brien und Phoebe Ellswoth zurück. Diese fanden heraus, dass ein bestimmtes Erlebnis anders bewertet wird, wenn das Ende näher rückt. So nimmt man die Schulzeit als angenehmer war, wenn das Ende näher rückt. Oder ein Lehrer prüft die letzte Arbeit anders als die erste Prüfung.

Für die meisten Arbeitnehmer ist der Freitag der schönste Tag der Woche. Denn das Ende ist in Sicht und dies trübt die Wahrnehmung. Und so können unbequeme Arbeitsbedingungen zwar den Montag verderben, aber am Freitag wirken diese weniger schlimm.

Halo-Effekt

Beim Halo-Effekt überstrahlt ein bestimmtes Merkmal alle weiteren.
Der Begriff „Halo“ ist das englische Wort für Heiligenschein. Wenn der Halo-Effekt greift, überstrahlt ein positives oder auch ein negatives Merkmal einer Person dessen restliches Gesamtbild. Gleichzeitig ist dieses eine Merkmal so hervorstechend, dass eine Generalisierung stattfindet.

Das kann uns allerdings blind für die anderen Eigenschaften einer Person machen. Wenn sich jemand etwa in der Schule nicht mit sonderlich guten Noten hervorgetan hat, dann schreiben wir ihm nur allzu schnell auch ein Versagen in allen anderen Lebensbereichen zu. Diese Person wird auch in Beziehungen negativ auffallen und beruflicher Erfolg steht ihm ohnehin nicht bevor.

Der Effekt kann allerdings auch in die andere Richtung wirken. So werden wir einem Einserschüler nicht nur Intelligenz und Fleiß zuschreiben, sondern ihm auch generell ein erfolgreiches Leben zutrauen.


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