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Psychoanalytische Persönlichkeitstheorie: Modelle & Strukturen


Im Zentrum der Psychoanalyse stehen mehrere Einzeltheorien, welche ineinander verzahnt sind und aufeinander aufbauen. Eine in sich geschlossene Persönlichkeitstheorie gibt es in der Psychoanalyse nicht. Stattdessen ist die Charakterbildung bzw. die Entwicklung einer Persönlichkeit geprägt durch die Triebtheorie, das Strukturmodell, die psychosexuelle Entwicklungstheorie und das topographische Modell.

Aus deren Erkenntnissen schuf Freud dann Charaktertypen, wie den analen Charakter oder die orale Persönlichkeit. Diese besitzen bestimmte Merkmale bzw. Charaktereigenschaften, welche phasentypisch geprägt sind.

Das topographische Modell und die psychoanalytische Persönlichkeitstheorie

Freuds topographische Theorie wurde in seinem Werk zur Traumdeutung (Kapitel 7) aufgegriffen. Demnach existieren drei Bewusstseinsstufen, welche miteinander verbunden sind.

  • Bewusstsein sind alle Sinneswahrnehmungen, wie Hören, Sehen usw.
  • Unbewusster Bereich als Sitz von Wünschen und Trieben
  • Vorbewusster Bereich als Zensor, welche bestimmte Inhalte ins Unbewusste verbannt und vor dem Bewussten enthüllt. Dennoch kann dieser Bereich auch bewusst gemacht werden.

Laut Freuds Theorie existieren in jedem Menschen triebhafte Wünsche, welche in Widerspruch zu moralischen Wertvorstellungen stehen. Diese können ins Unbewusste verdrängt werden, wo sie nicht ausgelebt werden dürfen. Falls diese Wünsche aber sehr stark bzw. intensiv sind, kommt es immer wieder zum inneren Konflikt. Denn jeder starke Wunsch, Trieb bzw. Bedürfnis, welche im unbewussten Bereich eingesperrt wurde, will zurück ins Bewusstsein, um dort ausgelebt zu werden.

Das Drängen vom Unbewussten ins Bewusste wird zu einem Symptom und zeigt sich dann im Wesen eines Menschen, bestimmt dessen Handeln und Verhalten und wird somit zum Charakter. Als Symptom sind nicht nur Krankheitsbilder gemeint, sondern auch die Persönlichkeitseigenschaften eines gesunden Menschen.

Das Strukturmodell und die psychoanalytische Persönlichkeitstheorie

Auf Grundlage des topographischen Modells mit seinen drei Ebenen, schuf Freud später ein Strukturmodell, welches die innerlichen Prozesse besser abbilden sollte. Laut der Strukturtheorie existieren drei psychische Instanzen, welche Freud als „das ES“, „das Ich“ und „das Überich“ bezeichnete.

Anhand dieses Instanzenmodells wollte Freud genauer klären, wie und warum die unbewussten Anteile der menschlichen Psyche nach Freisetzung und Befriedigung drängen.

  • Das „ES“ ist weitestgehend mit dem unbewussten Teil des topographischen Modells identisch. Hier sitzen die Triebregungen, welche befriedigt werden müssen. Diese Instanz besitzen bereits Säuglinge, da der menschliche Trieb bereits angeboren ist. Somit sind Neugeborene triebgesteuert und folgen lediglich ihren Wünschen.
  • Das „Überich“ ist die Instanz der Moral, der Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Regeln. Dieser Teil der Psyche ist anerzogen und somit nicht bei der Geburt vorhanden.
  • Das „Ich“ wird als Kontroll- und Vermittlerinstanz der Psyche gesehen. Dieses bildet sich im Laufe der kindlichen Entwicklung und soll die beiden inneren Stimmen („ES“ und „Überich“) kontrollieren.

Laut Sigmund Freud ist der Mensch demnach ein triebgesteuertes Wesen, welches im Laufe seines Lebens lernt, sich an gewisse Regeln zu halten und dadurch einen vernünftigen Verstand ausbilden kann. Unter Trieben versteht sich natürlich der Sexualtrieb, aber auch alle anderen biologischen Triebe (Schlaf, Nahrung, Fürsorge, Atmen usw.).

Ein Säugling kann diese Triebe nicht steuern, seine Bedürfnisse nicht aufschieben und muss diese stattdessen sofort ausleben. Erst durch die später aufkommende Ich-Instanz kann die menschliche Psyche bestimmte Konsequenzen abwiegen, vorrausahnen und darauf vernünftige Entscheidungen treffen.

Im Laufe der kindlichen Entwicklung wird das „Ich“ von beiden Seiten („ES“ und „Über-Ich“) stark bedängt. Das anerzogene „Überich“ fordert Moral, Regeln und Gewissen ein. Und das angeboren „ES“ will weiterhin sofort essen, trinken, schlafen, nuckeln oder überall seine Nahrungsreste wieder ausscheiden. Dadurch ergeben sich innerpsychische Interessenkonflikte, welche das „Ich“ regeln, beheben und lösen muss. Dazu gesellt sich noch die aktuelle Realität, welche ebenfalls auf das „Ich“ wirkt.

ich überich es struktur eingeengtes ich

Das eingeengte „ICH“ wird nur vom „ES“ und „ÜBER-ICH“ beherrscht und fremdbestimmt. Außerhalb der beiden anderen Instanzen gibt es kein „ICH“.

Das „Ich“ wird demnach von beiden anderen Instanzen eingeengt und hat selbst keinen Platz zur Entfaltung. In dieser Phase ist die „Ich-Instanz“ lediglich ein Teil des „ES“ und zum anderen Teil des „Überichs“ zugeschrieben. Es wird somit von beiden Instanzen überlagert und fremdbestimmt.

Im Grunde genommen ist es erstaunlich, dass das „Ich“ sich halbwegs gesund entwickeln kann. Denn der Druck von innen und außen, welche auf diese langsam wachsende Instanz einwirkt, muss riesig sein. Ein reiferes „ICH“, eines gesunden Erwachsenen, ist Träger des Bewusstseins. Es ist sich somit seiner zwei inneren Stimmen bewusst und kann zwischen beiden vernünftig abwägen, den Trieb bzw. die Forderung hinterfragen, einen von beiden hintenanstellen und dadurch eine Persönlichkeit formen.

Im Laufe der Entwicklung der Ich-Instanz bilden sich nun auch Idealvorstellungen, an denen jeder Einzelne seine Persönlichkeit ausrichtet. Das ursprüngliche Strukturmodell Freuds lokalisierte diese im „Überich“, als Resultat der anerzogenen Wertvorstellung. Einige Schüler Freuds sahen das sogenannte Ideal-Ich bzw. Ichideal als eigenständige Instanz.

Die Persönlichkeit eines Menschen wird demnach von einer idealen Persönlichkeit angezogen und richtet sich an diesem Ideal aus. Dadurch kann sich die Ich-Instanz vergrößern und von „ES“ und „Überich“ lösen. Es entsteht Raum, welcher als Realität bezeichnet wird.

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Das befreite „ICH“ kann das „ES“ und „ÜBER-ICH“ nutzen.

Das „Ich“ ist dann nicht mehr eingezwängt zwischen „ES“ und „Überich“ und kann sich entfalten. Weiterhin sind bewusste Bereiche des „ES“, des „Überichs“ oder auch des „Idealbildes“ für das „Ich“ verfügbar. Diese bewussten Bereiche kann die „Ich-Instanz“ steuern, hinterfragen und deren Forderungen oder Trieben rational begegnen.

Um dieses Ideal zur erreichen, gleicht das „Ich“ immer wieder die Realität und das eigene innere Bildnis des Ideals ab. Ist das Idealbild völlig realitätsfremd oder nicht erreichbar, wird das Bild – bei einem gesunden „Ich“ – korrigiert. Bei einem ungesunden „Ich“ kann dies nicht geschehen, da es keinen Zugang zur Realität hat. (siehe Bild vom eingeengten Ich)

Ziel des „Ichs“ ist es sich derart zu vergrößern, dass es große Teile des „Überichs“, „des Ideals“ und des „Es“ in den bewussten Teil miteinschließt. Um das Bewusstsein zu erweitern, müssen Teile des jeweils Unbewussten instanziell aufgedeckt werden. Psychoanalyse ist demnach eine Methode, um die eigene unbewusste Psyche zu entschlüsseln und diese für das „bewusste Ich“ zugänglich zu machen.

Jene Teile, welche zwingend erforscht werden wollen, treten – laut Psychoanalyse – als Symptome einer kränklichen Persönlichkeit auf. Dies können Phobien, Ängste, Neurosen oder Ähnliches sein. Denn hinter diesen Krankheitsbildern stecken unbewusste Triebe, welche in das Bewusstsein dringen und ausgelebt werden wollen. Aufgrund von Abwehrmechanismen des Unbewussten schaffen es die Triebe allerdings nicht ins Bewusstsein und gelangen stattdessen als Symptom in den bewussten Teil.

Abwehrmechanismen der psychoanalytischen Persönlichkeit

Laut Freud kommt es in den frühkindlichen Phasen als das „Überich“ mit seinen Forderungen das „Ich“ derart bedrängte, zu drastischen Maßnahmen des „Ich“. Dazu schließt die „Ich-Instanz“ die Triebe des „ES“ ins Unbewusste ein und schafft eine psychische Barriere, damit diese Es-Triebe unbewusst gefangenbleiben. Diese Barrieren nannte Freud „Abwehrmechanismen der Psyche“.

Ein Abwehrmechanismus kann zB. Verleugnung sein. Ein Mensch leugnet seine geheimen Wünsche, da diese nicht in das gesellschaftliche Bild von Anstand und Moral passen. Das Überich verbietet das Zulassen dieser Triebbefriedigung und das „Ich“ als verlängerter Arm bzw. Vermittler unterdrückt diese im unbewussten ES-Bereich. Durch die innere Leugnung werden diese Wünsche nicht mehr bewusst angesteuert und äußern sich nun auf eine andere Art und Weise.

Der Mensch bemerkt seine unterdrückte Triebneigung nicht, da diese unbewusst stattfindet. Die Ursache, weshalb diese im Unbewussten gefangen gehalten wird, ist der Konflikt zwischen den Instanzen, welche der Mensch in seiner frühkindlichen Phase erlebt und wieder vergessen hat. Somit bleiben lediglich Symptome und Verhaltensweisen übrig, welche – ohne psychoanalytische Arbeit – nicht erklärbar bzw. begreifbar sind.

Zum Beispiel kann der angeborene Wunsch zur körperlichen Liebe geleugnet werden. Vielleicht war der Trieb beim Kleinkind stark ausgeprägt und wurde von den Eltern bewusst aberzogen. Das „Überich“ greift dann die Verhaltensregeln der Eltern auf und das „Ich“ setzt dessen Forderungen gegenüber dem „Es“ um. Dazu errichtet es die Verleugnungs-Barriere, um den Trieb zu unterdrücken.

Dieser Trieb steckt im unbewussten ES-Bereich fest, ist aber derart stark – dass er auf andere Art und Weise hervorbricht. Die Charaktereigenschaften des späteren erwachsenen Menschen kann man als kühl, zurückhaltend, verklemmt oder schüchtern beschreiben. War der ES-Wunsch nach Liebe derart stark, musste die Verleugnungs-Barriere ebenfalls sehr stark aufgebaut werden. Dann kann sich dies auch auf eine krankhafte Weise äußern. So können Menschen mit einem stark unterdrückten Liebestrieb an Sozialphobien leiden.

So kann man sagen, dass der Wunsch Liebe auszuleben, mit einer Sozialphobie unterbunden wurde. Der Mensch, welcher an der Phobie leidet, hat Angst vor anderen Menschen und wird dadurch stark eingeschränkt. Dem „Überich“ und dessen Forderung ist dies aber egal, denn der „ES-Trieb“ der kindlichen Psyche sollte lediglich unterdrückt werden, was auch gelang.

Neben der Verleugnung gibt es weitere Abwehrmechanismen, welche allesamt lediglich als Verstärker dienen, um die ES-Triebe ins Unbewusste zu verbannen und deren Ausleben zu verhindern. Die Persönlichkeitsmerkmale des Erwachsenen hängen demnach mit dem Trieb, aber auch mit einer psychosexuellen Entwicklungsphase zusammen.

Einfluss der Entwicklungsphase auf die psychoanalytische Persönlichkeitsbildung

Die Triebe und ihre Regungen unterliegen – laut Freud – gewissen Phasen der frühkindlichen Entwicklung. So sind Kinder in bestimmten Phasen besonders auf ihren Mund fixiert und stecken alles hinein, was sie in die Finger bekommen. Es existiert demnach ein Trieb zum Nuckeln und Saugen. In einer späteren Phase werden sie zur Sauberkeit erzogen, finden aber Schmutz und Dreck besonders interessant.

Somit wird klar, dass sich zuerst zwischen Eltern und Kind gewisse Konflikte ergeben, welche das Kind ins Innere verlagert und dort mit den Instanzen ausfechtet.

Hier die Phasen:

  • orale Phase (bis zum 2. Lebensjahr): Kinder ertasten ihre Umwelt über den Mund. Große Triebneigungen, neben Essen, Trinken und Schlafen, sind Nuckeln, Saugen und Lutschen. Die erogene Zone ist der Mund (lat. oris). Am Ende der Phase werden Kinder dazu erzogen, sich nicht alles in den Mund zu stecken. Aus dem ursprünglichen Hygiene-Konzept wurde eine Verhaltensnorm und die kindliche ES-Psyche muss lernen, bestimmte Triebe aufzugeben.
  • anale Phase (zwischen 2. und 3. Lebensjahr): Kinder bereitet der eigene Kot und das Ausscheiden ihrer Nahrungsreste große Lust. Alles, was damit assoziiert wird ebenfalls. Deshalb haben Kinder eine Vorliebe für Dreck, Matsch und Schmutz. Der Konflikt mit den Eltern ergibt sich, aufgrund gesellschaftlicher Anpassung. Dadurch entsteht der innere Konflikt zwischen „ES“ und „Überich“.
  • phallische Phase (zwischen 3. und 5. Lebensjahr): Der andersgeschlechtliche Elternteil wird idealisiert und zum Wunschpartner erklärt. Mädchen lieben ihren Papa und Jungen ihre Mutter. Das spätere Aufgeben dieses Wunsches und das damit verbundene Loslassen ist ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung.
  • Latenzperiode (zwischen 5. und 11. Lebensjahr): Die Kinder widmen sich mehr dem eigenen Geschlecht. Jungen spielen mit Jungen. Und Mädchen mit Mädchen. Dies schafft Zugehörigkeit, geschlechtliche Abgrenzung und die Grundlage für später aufkommende Sexualität in der Pubertät.
  • genitale Phase (ab dem 12. Lebensjahr bis ins späte Alter): Das – bis dahin – selbstbezogene Kind zeigt nun Interesse am andersgeschlechtlichen Partner. Das Wiedererwachen der Sexualität wird nun nicht mehr nur an sich, sondern vor allem am Partner ausgelebt.

Anhand dieser Phasen leitete Freud gewisse Reifeprozesse, welche als innerpsychische Instanzkonflikte ausgetragen werden, ab. Psychische Reife setzt demnach voraus, dass die inneren Konflikte stattgefunden haben, das „Ich“ dadurch reifen konnte und jede Phase abgeschlossen wurde.

Weiterhin lassen sich Charaktertypologien je nach Phase finden, welche ich kurz beschreiben will.

Der orale Charaktertyp

Nach psychoanalytischer Sicht ist dieser Typus bestimmt durch Nehmen und Bekommen. Der Bremer Neurologe Karl Abraham, welcher als zweiter Mann der Psychoanalyse galt, unterteilte die orale Phase 1924 in weitere zwei Perioden.

  1. frühere orale Phase: Dies ist die Sauge-Stufe
  2. spätere orale Phase: Kannibalismus-Stufe

In der ersten Stufe der oralen Phase findet eine Lustbefriedigung lediglich am Objekt statt. Der Saugtrieb ist auf die mütterliche Brust ausgerichtet. Es findet demnach Autoerotismus, Lustgewinn ohne Partner, statt. In der zweiten Stufe kommt es zu ersten narzisstischen Tendenzen und zur Einverleibung des Objektes (Mutterbrust).

Aber daraus ergeben sich – laut Abraham – noch weitere Konsequenzen. Er unterteilt die oralen Charaktertypen in zwei Gruppen. Die oral befriedigten Optimisten, welche durch die orale Zuwendung bestens versorgt wurden. Und die oral frustrierten Pessimisten. Diese wurden anscheinend unterversorgt.

Im Erwachsenenalter zeigen beide Gruppen unterschiedliche Sichtweisen in ihrer Weltanschauung und demnach auch verschiedene Verhaltensweisen im Umgang mit sich selbst und ihren Mitmenschen.

Die oral befriedigten Optimisten glauben, dass sie von allem immer genug bekommen würden. Sie vertrauen darauf, dass ihre Umwelt sie versorgt und verfallen sogar in eine passive Erwartungshaltung. Im Gegensatz dazu sind die oral frustrierten Pessimisten der Auffassung, dass sie zu jeder Zeit benachteiligt werden.

Dadurch ergeben sich unterschiedliche Handlungsweisen beider Gruppen. Denn die Optimisten nehmen passiv ein und die Pessimisten stehen in ständiger Forderung gegenüber ihrer Umwelt. Dies wirkt sich auf Beziehungen aus, Karrierezielen oder Ähnliches aus. Denn der Pessimist sucht seine Benachteiligung immer bei den Anderen und der Optimist spürt keinen Nachteil, obwohl sich beide in gleichen Situationen befinden können.

Den Grund sieht Abraham und auch seine Schüler im Trauma der frühzeitigen Triebverschiebung. Frustrierte Pessimisten mussten schnell begreifen, dass die Muttermilch nicht ausreicht bzw. das Triebverlangen – aus irgendwelchen Gründen – nicht gestillt werden kann. Dadurch wurde der „ES-Trieb“ zwar nicht zwingend durch „Überich“ verboten, musste allerdings auf andere Weise eine grausame Beschneidung erfahren.

Und da die Grundtendenzen des oralen Charaktertypus auf das Nehmen beschränkt sind, musste sich die Psyche schnell einstellen und schmerzhaft umstellen.

Der anale Charaktertyp

In der analen Entwicklungsphase ist das Lustobjekt der eigene Darminhalt. Das Zurückhalten, das Auspressen bereitet dem Kind große Lust. Dreck und Schmutz dienen ebenfalls zum Ausleben dieser Lust. In dieser Phase entsteht mitunter ein großer Konflikt zwischen Eltern und Kind, da erwachsene Bezugspersonen das kindliche Schmutzverhalten aberziehen.

Diesen Konflikt trägt das Kind nach innen und aus den innerpsychischen Dialogen kann das „Ich“ reifen. Gleichzeitig können hier bestimmte Abwehrmechanismen greifen, um die ES-Triebe und Lustempfindungen zu unterbinden. Werden die Konflikte unzureichend gelöst, entsteht der sogenannte anale Charakter.

Dieser Charaktertyp ist gekennzeichnet durch einen übertriebenen Ordnungssinn, Sparsamkeit und Perfektionismus. Ist der angeborene Schmutztrieb besonders groß, wird auch der entsprechende Abwehrmechanismus größer ausfallen. Und so können aus den Gegebenheiten dieser Phase diverse Probleme für den Erwachsenen entstehen: Waschzwang, Neurose und allgemeine Zwänge.

Auch hier hat die Psyche einen Waschzwang eingesetzt, um den „ES-Trieb“ nach Beschmutzung zu unterbinden. Der Erwachsene bemerkt diesen Trieb natürlich nicht, da dieser im unbewussten Teil verborgen liegt. Außerdem liegen seine Kindheitserlebnisse, welche dazu führten, solange zurück – dass er sich nicht daran erinnern wird.

Durch psychoanalytische Arbeit kann nun der ES-Bereich, welcher den Abwehrmechanismus „Waschzwang“ als Form der Verzerrung aufgebaut hat, zugänglich gemacht werden. Dadurch wird die Verzerrungs-Barriere, welche sich als Waschzwang zeigt, aufgelöst.

Der phallische Charakter

Die phallische Phase ist durch die Ausrichtung auf den andersgeschlechtlichen Elternteil beschrieben. Demnach ergeben sich auch Konsequenzen für die kindliche Wunschvorstellung und Ängste. Bei Mädchen spricht Freud vom „Penisneid“ und bei Jungen von „Kastrationsangst“.

Laut Freud dreht es sich bei beiden Geschlechtern nur um den männlichen Penis, was heutzutage heftig umstritten ist. Demnach soll die Frau, aufgrund ihres Penisneides, später gewisse Rachefantasien entwickeln und unbewusst ausleben.

Dies äußert sich dann entweder durch hohe Leistungsziele, welche die Frau versucht zu erreichen, um so die männliche Überlegenheit auszugleichen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Frauen versuchen durch Erniedrigung ihre männlichen Mitmenschen zu unterdrücken.

Der genitaler Charakter

Da laut Freud die zweite sexuelle Entfaltung im 12. Lebensjahr beginnt, können auch hier Abwehrmechanismen einsetzen, welche durch starke Überich-Forderungen begünstigt werden. Sexuelle Hemmungen können sich auch erst im Erwachsenenalter zeigen, welche allerdings auch ein Produkt der ersten Erfahrungen sein können.

Gerade in der Sexualität äußert sich der Konflikt zwischen Trieb und Moral am stärksten, was auch zu sehr schweren innerpsychischen Verletzungen und Symptomen führen kann. Diese müssen sich dann nicht zwingend auf der Sexualebene zeigen.

So kann es sein, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter recht freizügig und offen im Umgang mit anderen Menschen waren. Doch dann stellen sich Konflikte mit ihrer Umwelt ein, wodurch die jungen Erwachsenen zu introvertierten und scheuen Wesen werden. Da diese Phase erst im 12 Lebensjahr beginnt und sich bis ins hohe Alter zieht, kann sich auch die Psyche weiter ändern, erweitern oder einengen.

Was ist der Charakter laut Psychoanalyse?

Freud nahm 1929 an, dass der Charakter eines Menschen die Folge von Identifikation und verinnerlichten Objektbeziehungen ist. Als Objektbeziehung wird in erster Linie die Mutter-Kind-Beziehung oder die Beziehung zu anderen Bezugspersonen verstanden. Im Laufe der kindlichen Entwicklung wird das Ziel des Triebes verändert, wodurch sich die Energie ebenfalls ändert.

Bestimmte Triebe und die damit verbundene Triebenergie werden im Laufe des Lebens neutralisiert, andere werden sublimiert (erhöht). Dadurch entsteht eine Zuwendung zu bestimmten Trieben bzw. Wünschen (Essen, Arbeit, Leben, Tod, Partnerschaft), welche sich im individuellen Verhalten zeigen.

Dabei fließen in die Charakterbildung immer Vorstellungen des „Überichs“ und des „Ich-Ideal“ mit ein. Diese verändern die Energien und auch die Triebimpulse, wodurch ein Charakter dynamisch und wandelbar wird.

Sven Olaf Hoffmann, ein Hamburger Psychologe sieht in Freuds Charakterbegriff ein Triebderivat. Somit sind alle Charaktereigenschaften auf unterdrückte Triebe zurückzuführen, für welche Ersatz geschaffen wurde und die sich jetzt als Persönlichkeitsmerkmale ausdrücken lassen.

Sämtliche Schüler Freuds sahen den Charakterbegriff als Triebschicksal, welcher durch die Auseinandersetzung zwischen „Ich“, „Überich“, „ES“ und der äußeren Realität entsteht.


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