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Unterschied zwischen Fanatiker und Märtyrer


Ein Fanatiker kann zum Märtyrer werden. Aber ein Märtyrer muss kein Fanatiker gewesen sein. Als Fanantiker werden Personen betrachtet, welche rücksichtlos agieren und zum Beispiel Attentate verüben. Historische Märtyrer starben den Märtyrertod oft allein.

Wer sind die Fanantiker

Das lateinische Wort „fanaticus“ bedeutet „göttlich inspiriert“. Seit dem 17. Jahrhundert ist der Begriff im allgemeinen deutschen Wortschatz belegt, bedeutete zunächst aber „Schwärmer“ oder auch „Ketzer“. Der Begriff tauchte als Erstes, aber im kirchlich-religiösen Zusammenhang auf. Katholiken bezeichneten Protestanten zur Zeit der Reformation als Fanatiker. Jene fanatischen Protestanten wurden durch Inquisitionsgerichte verurteilt, hingerichtet und wurden Jahrhunderte später durch die Kirche in den Stand des Märtyrers erhoben.

Die Inspiration des Fanatikers ist zunächst einmal eine Eingebung. Wenn ein Fanatiker sich göttlich inspiriert fühlt, ist er des Glaubens, Gott oder ein göttliches Wesen habe ihm seinen Willen oder eine Botschaft „offenbart“. Dadurch fühlt sich der Fanatiker dann dieser „heiligen Sache“ verpflichtet. Allerdings kann diese Inspiration auch eine politisch-ideologische sein. Heutzutage wird „Fanatiker“ in einem allgemeineren Sinn gebraucht, nicht nur in Bezug auf eine Religion oder einen religiösen Hintergrund. Ein Fanatiker kann beispielsweise auch von einer pseudowissenschaftlichen Idee besessen sein, an die er glaubt. Für diese Idee kann auch ein Fanatiker bereit sein, zu sterben. Er wird aber deswegen nicht automatisch zum Märtyrer.

Wer wird zum Märtyrer

Das Wort „Märtyrer“ geht auf das altgriechische Wort „martys“ zurück und bedeutet „Zeuge“. Das altgriechische Wort „Martyrion“ bedeutet „Zeugnis“. Während ein Fanatiker seinen Glauben fanatisch, also scheinbar besessen, verteidigt und zu verbreiten versucht, gibt der Märtyrer durch sein Martyrium Zeugnis seines Glaubens ab. Der Märtyrer ist bereit, für seinen Glauben zu leiden und zu sterben.

Ob ein Fanatiker nach seinem Tod zu einem Märtyrer wird, hängt davon ab, wie er von der Nachwelt oder seinem sozialen Umfeld gesehen wird. Die Selbstsicht eines Fanatikers kann dazu führen, dass er sich als Märtyrer fühlt und bereit ist, einen selbst ernannten Märtyrertod zu sterben. Dieser Tod ist allerdings nur in der Selbstsicht eines Fanatikers ein Märtyrertod. Denn ob jemand als Märtyrer starb oder nicht, entscheidet die historische Sichtweise der Kirche, genauso wie es bei einer Heiligsprechung der Fall ist.

Aber auch ein Fanatiker kann sich zum Martyrium berufen fühlen. Und aufgrund seines Glaubens und seiner Überzeugung behauptet jeder Fanatiker, dass er zum Martyrium berufen ist. Denn jede fanatische Idee, egal ob sie Menschenleben kostet oder nicht, hat ihren Ursprung in einem Gerechtigkeitssinn. Fanatiker glauben immer daran, dass sie Gutes tun, dass sie für Gerechtigkeit sorgen und die Welt es ihnen danken wird, sobald die Zeit gekommen ist.

Letztendlich entscheidet aber die Fremdsicht darüber, ob ein Fanatiker als Märtyrer in das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft oder Glaubensgemeinschaft, der er angehört, eingehen wird oder nicht. Märtyrer werden postum als solche bezeichnet und können beispielsweise in der katholischen Kirche nachträglich auch heiliggesprochen werden. Märtyrer sind für ihren Glauben oder ihre Überzeugung gestorben, ob sie ihn zu Lebzeiten fanatisch vertreten haben oder nicht.

Das Wort Fanatiker ist immer negativ konnotiert, ist also immer negativ belegt. Auch dann, wenn es sich um eine an sich sinnvolle Idee handelt, die ein Fanatiker besessen verfolgt, kann sein Handeln von Außenstehenden missbilligend beäugt oder auch abgelehnt werden. Denn alles, was besessen und damit fanatisch getan wird, wird ohne Sinn und Verstand und ohne Rücksicht auf eventuelle Konsequenzen für sich und andere getan. Eine Besessenheit führt zu einem Verlust an eigenem Denken. Eine bestimmte Überzeugung übernimmt dann das geistige Kommando, besetzt den Geist und lässt keine Kritik und keine Zweifel mehr zu.

Grundlegende Unterschied zwischen Märtyrer und Fanantiker

Der grundlegende Unterschied zwischen einem Fanatiker und einem Märtyrer ist der, dass Märtyrer ermordet worden und also tot sein müssen, bevor sie also solche von ihrer Glaubensgemeinschaft gesehen und bezeichnet werden. Sie sind nicht schon zu Lebzeiten Märtyrer. Sie haben ein Martyrium durchlitten und sind den Märtyrertod gestorben. Menschen, die aufgrund ihres Glaubens bereit sind, in den Tod zu gehen, werden zu ihren Lebzeiten vielleicht als mutige Anführer oder als Helden gesehen. Sie werden aber erst nach ihrem Tod zu Märtyrern. Es handelt sich bei dieser Bezeichnung um eine Art Ehrenbezeichnung.

Wird ein Mensch als Fanatiker bezeichnet, ist dies alles andere als eine Ehrenbezeichnung. Fanatiker werden von Außenstehenden als Eiferer, Fundamentalisten oder Extremisten abgelehnt. „Fanatiker“ ist eine Fremdbezeichnung für einen Menschen, der verbohrt eine Sache bis aufs Blut gegen jegliche andere Meinung verteidigt. Nur unter Gleichgesinnten werden solche Menschen nicht als Fanatiker, sondern als Vorbilder gesehen.

Ein Fanatiker ist jemand, der ohne Rücksicht auf die Konsequenzen an einer Idee, an einer Ideologie oder an einem Glaubenssatz festhält. Ein Fanatiker wird im Extremfall für seine Überzeugung sterben, aber nicht unbedingt freiwillig. Unter bestimmten Umständen wird er auch Leid oder den Tod anderer in Kauf nehmen, um seine Ziele und Vorstellungen durchzusetzen. Ein Märtyrer hingegen ist eine Person, die freiwillig Leiden auf sich nimmt, ihr Martyrium akzeptiert und ihre Ermordung erduldet.

Merkmale des Fanatismus

Das Suffix „-ismus“ am Ende eines Wortes weist auf eine Übersteigerung oder sehr häufig auch auf eine extreme Geisteshaltung hin. Das Wort Fanatismus wird allerdings erst durch einen Zusatz inhaltlich auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Geisteshaltung festgelegt. Das Wort Fanatismus allein zeigt allenfalls an, dass es eine intolerante Lebenshaltung bezeichnet. Erst durch den allgemeinen Zusatz „religiös“ oder den konkreteren Zusatz „christlich“ wird klar, um welche Art von Fanatismus es sich handelt: beispielsweise um einen religiös motivierten christlichen Fanatismus.

Fanatismus bedeutet, eine bestimmte Vorstellung für absolut wahr zu halten und abweichenden Meinungen gegenüber absolut intolerant zu sein. Fanatiker entfalten häufig massiven missionarischen Eifer, um Andersdenkende von ihren Ansichten zu überzeugen. Sie dulden allerdings keine Zweifel und sind jeglicher vernünftigen Argumentation unzugänglich.

Damit ausgehend vom missionarischen Eifer eines einzelnen Fanatikers eine Massenbewegung entsteht, braucht es verschiedene Grundvoraussetzungen, beispielsweise wirtschaftliche oder politische Krisenzeiten. Immer dann, wenn sich Menschen in einer perspektivlosen und scheinbar hoffnungslosen Lage befinden, sind sie anfällig für einfache Wahrheiten und extreme Ideologien. Einem Anführer, dem es gelingt, ein Wir-Gefühl zu vermitteln, gelingt es zugleich auch eine Gruppierung zu etablieren, die sich zu einer Massenbewegung entwickeln kann. Historische Beispiele sind etwa das Kreuzrittertum mit seinen Kreuzzügen, der Nationalsozialismus in Deutschland oder die muslimischen Bewegungen wie der IS oder al-Qaida. Fanatisch begründete soziale Bewegungen gab es zu allen Zeiten und weltweit in den verschiedensten Kulturen.

Aus psychologischer Sicht ist Fanatismus gekennzeichnet durch Intoleranz, fehlende Selbstironie und Humorlosigkeit, außerdem durch Aggression, Gewaltexzesse, Hass, Mangel an Empathie, Vereinfachung von komplexen Zusammenhängen und narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen. Fanatiker kennen keinen Kompromiss und auch keinen Dialog. Sie verfolgen ihre „heilige Sache“ und werden dabei von einer fixen, überwertigen Vorstellung bestimmt, von deren unumstößlicher Wahrheit sie durchdrungen sind. Darum hat alles, was sie tun, denken und fühlen aus ihrer Sicht eine hohe moralische Bedeutung.

Merkmale des Martyriums

Ein aus christlicher Sicht vorbildliches Leben sicherte den Menschen des Spätmittelalters, so die Vorstellung, den Weg ins Paradies. Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind, galten als Helden und wurden als Heilige verehrt. Sie hatten Vorbildcharakter und galten als willensstarke und entschiedene Kämpfer für eine richtige und insofern heilige Sache. Christliche Märtyrerschicksale weisen allesamt Parallelen zum Leiden Christi auf. Wie Jesus von Nazareth wurden sie wegen ihres Glaubens oder ihrer Tatan verfolgt, gefoltert, getötet und gelangten danach direkt ins Paradies.

Das kirchenlateinische Wort martyr bedeutet Blutzeuge oder Glaubenszeuge und ist aus dem Altgriechischen entlehnt. Es ist seit dem 10. Jahrhundert belegt, in seiner deutschen Übertragung aber erst seit dem 16. Jahrhundert eingebürgert. Blutzeugen oder Märtyrer bezeugten ihren Glauben, indem sie ihr Blut und damit ihr Leben opferten. So wie durch das Blut Christi der Bund zwischen Gott und den Menschen erneuert wurde, geschieht dies auch durch das Blutopfer der Märtyrer. Im katholischen Spätmittelalter wurden die Märtyrer deswegen auch zu Schutzpatronen und zu Vermittlern zwischen Gott und den Menschen. Die Bezeichnung „Blutzeuge“ verdeutlicht den Unterschied zu denjenigen Christen, die als sogenannte Bekenner (lateinisch: confessores) zwar ebenfalls Verfolgung und Folter zu ertragen hatten, aber letztendlich nicht ermordet wurden.

Wo gibt es ein Märtyrertum

Es ist nicht bekannt, wann und wo es die ersten Märtyrer gab. Neben Jesus ist Husain ibn’Ali der bekannteste Märtyrer. Jesus wurde wegen seines Glaubens gekreuzigt, Husain ibn’Ali starb für seinen Glauben in einer Schlacht. Husain war ein Enkel des Propheten Mohammed und ist eine zentrale Figur im schiitischen Glauben. Im Islam wird ein Märtyrer als Schahid bezeichnet, was ebenfalls „Zeuge“ bedeutet. Jüdische Märtyrer sind als Begriff nicht bekannt. Stattdessen gibt es Einzelschicksale in der jüdischen Geschichte, wie der Besatzung des Reiches Judäa und der Bar-Kochba-Aufstand. Und schließlich war auch Jesus Christus ein Jude und wurde durch die Christen zum Messias erhoben.

Märtyrertum gibt es nicht in allen Religionen. Ebenso wenig wie im Judentum findet es sich im Buddhismus oder Hinduismus. Bekannt ist das Märtyrertum allerdings auch im Bahaitum, das im 19. Jahrhundert im Iran entstand. Märtyrertum findet sich überall da, wo Menschen aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden und die Verfolgten für ihren Glauben leiden und sterben. Oftmals unterliegen den Verfolgungen aber andere als religiöse Gründe, beispielsweise wirtschaftliche, machtpolitische oder ganz banale menschliche Gründe wie Hass, Neid und Eifersucht. Das ist beispielsweise noch heute für die Kopten in Ägypten oder für die Bahai im Iran Realität. Das Bahaitum ist die größte religiöse Minderheit im Iran. Sie entstand erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zählt zu den abrahamitischen Religionen, denn auch die Bahai betrachten Abraham als ihren Stammvater.

Ein Merkmal der christlichen und islamischen Religion ist allerdings das Missionieren. Missioniert wurde und wird bei den jeweils anderen Religionen, zumeist in den etablierten Religionen vor Ort, die darauf schon immer mit Verfolgung und Ermordung der missionierenden Gläubigen reagierten: Römer gegen Christen, Juden gegen Christen, Römer gegen Juden, Christen gegen Muslime, Azteken gegen katholische Missionare, Katholiken gegen Protestanten, Protestanten gegen Täufer, sunnitische gegen schiitische Muslime, Christen gegen Juden, Hindus gegen Muslime, Schiiten gegen Bahai usw.

Seit wann gibt es den Märtyrertod

Im frühen Christentum des 2. Jahrhunderts entwickelte sich eine Theologie des Martyriums. In ihr wird der Tod eines Märtyrers mit dem Leiden und Tod Jesus Christus gleichgesetzt. Der Märtyrer wird durch seinen Märtyrertod automatisch zu einem Jünger Jesu. Er erwirbt mit seinem Tod seine Vollendung und seine Auferstehung im Zusammensein mit Jesus Christus. Hier wird der Märtyrertod auch als Bluttaufe bezeichnet, denn ein solcher Tod konnte eine eventuell noch nicht stattgefundene Taufe ersetzen und den gläubigen Ermordeten direkt ins Paradies zur Seligkeit führen.

Nach Jesus selbst war Stephanus, ein Diakon der Jerusalemer Urgemeinde, der erste Märtyrer des Christentums. Er wird deswegen auch als Erzmärtyrer bezeichnet. Sein Märtyrertod, vermutlich im Jahr 40, war der Auftakt der Christenverfolgung in Jerusalem. Stephanus wurde gesteinigt, weil er den jüdischen Gott beleidigt haben soll. Heute ist Stephanus ein Schutzheiliger in der katholischen Kirche.

Im Islam wird ein Mensch als Schahid, also als Märtyrer bezeichnet, wenn er im Kampf oder im Krieg gegen Andersgläubige gestorben ist. Auch das Judentum kennt einen Begriff für diejenigen, die nach einem Martyrium aufgrund ihres Glaubens sterben mussten: Kiddusch Haschem. Die hebräische Bibel erwähnt aber noch kein Märtyrertum. Das Alte Testament, also der jüdische und christliche Teil der Bibel, kennt diese Bezeichnung noch nicht, lediglich die Messias-Prophezeiung.

Und auch im Neuen Testament, welche nur von Christen gebraucht wird, taucht der Begriff Märtyrer lediglich im Zusammenhang mit Glaubenszeugen auf, also dann, wenn Menschen von ihrem Glauben an Jesus Christus Zeugnis ablegten. Der Begriff Märtyrer für einen Menschen, der aufgrund seines christlichen Glaubens ein Martyrium durchleiden musste, taucht zum ersten Mal in christlichen Schriften Ende des 2. Jahrhunderts auf.

Vom Märtyrertum zum Fanatismus

Der Schritt von einer vermeintlichen paradiesischen Märtyrerzukunft hin zu einem religiösen Fanatismus ist nicht groß. Märtyrern steht die Tür zum Paradies offen, im christlichen wie auch im islamischen Glauben. Die islamische Rechtswissenschaft kennt drei Kategorien von Märtyrern:

  • solche, die im Krieg sterben oder bei einem Überfall
  • solche, die sterben, weil sie versuchen, ihr Eigentum, ihr Leben oder ihr Gewissen zu schützen oder andere Muslime zu verteidigen
  • solche, die beim Gebären, durch Ertrinken, durch Verbrennen, zu Unrecht beim Handel oder auch beim Erlernen einer Wissenschaft sterben

Ein Märtyrer gilt im Islam als rein, weswegen er auch ungewaschen und in seiner Kleidung und blutig begraben werden kann. Er gelangt nach seinem Tod ohne Umweg über die Todeszwischenphase „Barzach“ direkt ins Paradies.

Die rechtswissenschaftlichen Versicherungen und rituellen Ausnahmen aus der Zeit Mohammeds, in der notgedrungen die Gefallenen auf dem Schlachtfeld so wie sie waren – schmutzig, blutig und bekleidet – bestattet werden mussten, dienen heutigen Fanatikern als moralische Grundlage zur Bildung terroristischer Bewegungen und für terroristische Selbstmordattentate. Fanatiker, besessen von ihren sehr speziellen Glaubensvorstellungen und der Erwartung eines nachtodlichen Lebens im Paradies, verüben Anschläge auf Andersdenkende und Anderslebende. Sie werden von Ihresgleichen vielleicht als Märtyrer bezeichnet. In den Augen Außenstehender sind sie aber nichts anderes als von ihrem ureigenen Irrglauben geleitete Fanatiker.


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