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Warum nennt man Azubis auch Stift: Wortherkunft und Urspung


Ein Azubi ist ein Lehrling, während früher ganz offiziell das Wort Stift für diese Auszubildenden verwendet wurde. Jedoch erhielt das Wort Stift im Laufe der Zeit eine negative Konnotation, also eine diskriminierende Wortbedeutung.

Wann nennt man einen Azubi auch Stift: Wortverwendung und Bedeutung

Das Wort Azubi, das so viel wie Lehrling bedeutet, ist bereits ein Akronym, das heißt eine Zusammenziehung oder Verkürzung eines besonders langen Wortes oder auch eines Schachtelwortes. Das Akronym Azubi heißt voll ausgeschrieben Auszubildender oder Auszubildende. So werden aus fünf Silben plötzlich drei. Das Wort Stift hingegen hat nur eine Silbe, und kurze Wörter werden im Gesprächsverlauf bevorzugt verwendet. Das Wort Stift ist zwar gleichbedeutend mit dem Wort Azubi, doch es wird eher umgangssprachlich verwendet als das formale Azubi.

So würde in einem Ausbildungsvertrag niemals das Wort Stift stehen, denn es wirkt diskriminierend, ja sogar herabsetzend. Stattdessen würden die Bezeichnungen Azubi oder Lehrling verwendet. Stift bedeutet ursprünglich Stachel oder Dorn, aber auch etwas Kleines, Geringwertiges. Deshalb bezeichnete man ebenso halbwüchsige Jungen und Lehrlinge als Stifte.

Warum nennt man Azubis überhaupt Stift: Wortherkunft und Ursprung

Zu weiblichen Azubis sagen viele Azubine. Für das umgangssprachliche einsilbige Wort Stift gibt es hingegen keine weibliche Form, ebenso nicht für das Substantiv Lehrling. Das Wort Stift hat mehrere Homonyme. Homonyme sind identische Wörter, die jedoch in anderen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen haben. So gibt es den Schreibstift, den Lippenstift, den Stiftzahn, den Wohnstift oder Altenstift, die Stiftskirche, die Stiftsdame und vieles mehr.

Gemeinsam haben diese Worte, dass es sich um Hilfsmittel handelt oder Hilfseinrichtungen. Eine Stiftung soll beispielsweise anderen Menschen aus einer Notlage helfen. Mit Stift verwandt sind auch die Verben stiften gehen oder anstiften, und Substantive wie Brandstiftung, Stiftung im Sinne von wohltätige Einrichtung oder ein Stifter, also eine Person, die etwas spendet oder beisteuert. In Schleswig-Holstein gibt es sogar eine Ortschaft namens Stift.

Der Auszubildende bzw. Azubi ist demnach ein Helfer, welcher seinem Vorarbeiter oder anderen Kollegen zur Seite steht.

Azubis stiften lediglich bei

Azubis leisten, zu Beginn ihrer Ausbildung, einen untergeordneten Beitrag im Betrieb. Ihre Arbeit beschränkt sich meistens auf Hilfs- und Zuarbeiten. Sie unterstützen das Fachpersonal, indem sie im Handwerksberuf die Arbeitsstelle aufräumen, das Arbeitsmaterial und Werkzeug reichen oder Vorrichtungen anbringen, damit der Facharbeiter besser arbeiten kann. Ihre Tätigkeit ist demnach ein Beistiften zur eigentlichen Tätigkeit.

Im Büro werden Azubis anfangs für Botengängen genutzt oder müssen Akten ablegen oder heraussuchen. Auch hier ist die Tätigkeit ein Beistiften, um das Fachpersonal zu entlasten oder um deren Tätigkeiten besser hervorzubringen.

Egal ob im Büro oder im Handwerk…. Die Arbeit des Azubis findet sich anfangs nicht unmittelbar im hergestellten Produkt, in der angebotenen Dienstleistung oder im abgearbeiteten Verwaltungsakt wieder. Stattdessen leisten Auszubildene lediglich eine Zuarbeit, welcher jeder Ungelernte leisten kann und wofür keine sonderliche Qualifikation notwendig ist. Der Azubi stiftet somit lediglich seine Zeit und allgemeine Fähigkeiten, welche jede Person innehat, bei. Diese Fähigkeiten sind bspw. Tragen, Laufen, Sprechen, Zuhören usw.

Spezifische Fähigkeiten, welche für die Problemlösung am Arbeitsplatz notwendig sind, besitzt der Azubi noch nicht. Und deshalb ist sein Beitrag am Gesamtprodukt untergeordnet und fließt nicht direkt – sondern nur indirekt – ein.

Wenn Arbeit ein planmäßiger und schöpferischer Prozess ist, welcher dem Zweck dient – ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erschaffen, dann ist das Wirken eines Auszubildenen eher als Hilfe zu verstehen, damit das Fachpersonal zielgerichtet diese Tätigkeiten vollbringen kann.

Stift als Synonym für Azubiarbeit mit geringem Wert

Arbeit bedeutet Anerkennung. Ein Mensch, welcher nicht abarbeitet, bekommt immer weniger Anerkennung als ein Mensch, welcher arbeitet. Denn der Arbeitende leistet einen Beitrag für die Gesellschaft. Er ist nützlich. Und je höher der Nutzen einer Person für das Gesamtwohl einer Gesellschaft ist, desto höher sind Status und Wertschätzung.

Wieso?
Jede Zusammenkunft von Menschen, welche einen Zweck erfüllt, kann als Gesellschaft betrachtet werden. So erfüllt eine Familie einen Zweck, nämlich die Aufzucht und Erziehung der Nachkommen, und kann als kleinste Teilgesellschaft in einem Staat betrachtet werden. Ein Kollegium ist eine Zusammenkunft von Arbeitspersonal, welche zum Zweck einer Produkterstellung oder Dienstleistungsbereitstellung zusammenkommen.

Den Wert, den eine Person in einer Gesellschaft zugesprochen bekommt, wird dadurch bestimmt – welchen Beitrag diese Person für das Gesamtwohl der Gesellschaft leistet. Jene Person, welche es durch den Einsatz von eigenen Fähigkeiten schafft, dass andere Mitglieder der Gesellschaft – ihre Ziele erreichen können, wird stets den höchsten Status genießen. So war es bereits in der Urgesellschaft und ist heute noch so im Tierreich. Das Ziel einer Urgesellschaft war das Überleben. Jene Person, welche das Überleben aller Stammesmitglieder gewährleisten konnte, wurde zum Anführer und genoss den höchsten Status.

Heute sind die Ziele der Menschheit nicht mehr das Überleben an sich, sondern abgeleitete Ziele – wie Geld, Glück, Gesundheit, Zufriedenheit, Sicherheit oder Selbstbestimmung.

Aber das Zusprechen von Status und Anerkennung ist geblieben. Denn falls bspw. eine Person unter Schmerzen leidet, wird jene Person – welche die Schmerzen nehmen kann, im Status der Person aufsteigen. Und falls jemand unter Geldmangel leidet, wird immer die Person im Status weit oben stehen, welche sie mit Geld versorgt.

Diese geschaffene Abhängigkeit drückt sich im Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis aus, aber auch im Führungskraft-Untergebenen-Verhältnis, sobald Abhängigkeiten geschaffen wurden. Denn die Führungskraft ist abhängig davon, dass die Untergebenen ihrer Arbeitsleistung nachkommen. Gleichzeitig sind die Untergebenen auch von der Führungskraft abhängig, indem diese die bestmögliche Arbeitsumgebung schafft, damit der Arbeitnehmer seine Arbeitsziele erreicht.

Da Führungskraft und Arbeitskraft jeweils eigene Arbeitsziele verfolgen, entstehen Abhängigkeiten zwischen beiden Personenkreisen. Status und Macht werden unbewusst daran ausgerichtet. Ist die Abhängigkeit der Führungskraft von der Arbeitsleistung der Untergebenen besonders groß und im Gegenzug die Abhängigkeit der Arbeitskräfte relativ klein, sinken Status und Ansehen.

Wie?
Ein Arbeitsziel des Auszubildenen könnte es sein, etwas zu lernen. Denn durch die Aneignung von neuen Fähigkeiten, kann er den Beitrag – welchen er leisten kann – erhöhen. Dadurch kann er seinen Wert für den Betrieb erhöhen, erhält mehr Wertschätzung und erreicht somit einen höheren Status. Aber um dies zu erreichen, ist der Azubi angewiesen auf die Bereitschaft seiner Kollegen, ihm etwas beibringen zu wollen. Es besteht somit eine Abhängigkeit gegenüber seinem Ausbilder.

In einer Gesellschaft ist somit jeder irgendwie von einem anderen abhängig. Und so blöd das auch ist. Umso größer man abhängig vom anderen ist, desto höher ist mitunter dessen Status. Konstrukte, wie Geld oder Wissen, transportieren lediglich die Abhängigkeit und den Status.

Bei Auszubildenen besteht eine einseitige Abhängigkeit. Denn dieser Personenkreis ist abhängig davon, wie viel ihm die Facharbeiter zeigen und zutrauen. Gleichzeitig ist das Fachpersonal kaum von der Arbeitsleistung des Auszubildenen abhängig. Denn Ablage und Aufräumen kann der Facharbeiter eigentlich auch allein. Somit besteht, seitens Fachpersonal, eine geringe Abhängigkeit und seitens der Auszubildenen eine größere. Dieses Ungleichgewicht macht sich im Status bemerkbar. Die Bezeichnung Stift unterstützt diese Abhängigkeit und fehlende Wertschätzung, indem indirekt gesagt wird, dass der Auszubildene lediglich einen untergeordneten Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele beiträgt.

Einige Ausbilder schützen ihre Tätigkeiten, indem sie den Azubis nicht alles zeigen. Damit machen sie sich indirekt unabkömmlich und schützen ihren Status in der Firma.

Azubis beanspruchen Kapazitäten und Fähigkeiten wie Stifter

Anstiften bedeutet, dass man andere Personen dazu überredet, etwas zu tun. Die Stiftung ist eine Einrichtung, welche ein bestimmten Zweck verfolgt, dazu Gelder einsammelt, um damit den Stiftungszweck vollbringen zu können. Zuvor müssen die Stifter ihre Geldgeber ebenfalls überzeugen bzw. überreden.

Der Stifter benötigt also die Zuarbeit anderer Personen oder das Zufließen von fremdem Kapital, Fähigkeiten oder Kapazitäten. Diese gehen in die Stiftung über, bevor diese dann in den Stiftungszweck investiert werden.

Ein Azubi als Stift beansprucht ebenfalls die Kapazitäten und Fähigkeiten seines Ausbilders. Nachdem ihm diese Kapazität gewidmet wurde, gehen die Fähigkeiten des Ausbilders auf den Auszubildenen über. Dies geschieht auf ähnlichen Weg, wie in einer Stiftung.

Ist die Bezeichnung Stift für Azubis überhaupt zeitgemäß?

Das Wort Stift als Bezeichnung für eine junge Person hat im Laufe der Zeit eine Wortkarriere durchlaufen. Das heißt, es hat sich von der ursprünglichen Bedeutung immer weiter entfernt. Während es früher Begriffe wie Azubi, Trainee und Praktikant noch gar nicht gab, kam das Wort Stift sehr viel häufiger zur Anwendung. Erst im Laufe der Zeit machte Stift einen Bedeutungswandel durch, bis es schließlich einen diskriminierenden Beigeschmack bekam.

Grundsätzlich jedoch verbirgt sich hinter dem Begriff Stift nichts Negatives, es sei denn, Stift wird wie ein Schimpfwort verwendet, denn auch hier macht der Ton die Musik. Es mag sicherlich Zeiten gegeben haben, in denen Lehrlinge als Stifte bezeichnet werden konnten, ohne dass das abwertend wirkte. Heutzutage sollte ein Azubi nicht mehr im Gespräch persönlich Stift genannt werden. Allerdings könnte man das in dessen Abwesendheit tun, wenn der Azubi es nicht hören kann. Azubis sollten mit Respekt behandelt werden. Bei dem Wort Stift könnten Missverständnisse aufkommen, wenn der Azubi sich beleidigt fühlt. Stift klingt halt etwas altbacken und überholt wie Magd und Diener.

Stift kann diskriminierend wirken

Mit Stift kann auch ein Bote, ein Helfer, Praktikant, Trainee, ein halbwüchsiger Junge oder ein Lohnabhängiger gemeint sein und nicht zwangsläufig immer ein Lehrling. Allerdings ist die Anwendung des Begriffs stets stark diskriminierend, ob es auf einen Lehrling abzielt oder generell auf einen Jugendlichen. Es kann auch regionale Unterschiede bei der Verwendung geben, ob in Süd- oder Norddeutschland, ob im ländlichen Bereich oder in der Stadt. Des weiteren kann die Verwendung in unterschiedlichen Altersgruppen durchaus variieren.

Die ältere Generation an Chefs und Vorarbeitern, die Senioren, neigen eher dazu, heute noch Stift zu verwenden, denn früher war es gang und gäbe. Darüber hinaus liegt es sicher am Arbeitsklima, wenn junge Auszubildende als Stift bezeichnet werden. Zwar kann es auch Humor sein, doch es kann ebenso abwertend wirken. Deshalb sollten die Betroffenen selbst entscheiden, ob sie sich als Stift bezeichnen lassen wollen und ob bereits Mobbing daraus geworden ist. Ein Azubi, der 20-mal am Tag als Stift bezeichnet wird, verliert schnell den Spaß an der Ausbildung. Stift steht für ein überholtes Rollenverständnis und ist deshalb nicht mehr up-to-date.


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