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Attraktivität & Schönheit als evolutionspsychologischer Vorteil


Attraktivität stammt vom Lateinischen Wort attrahere und bedeutet Anziehungskraft. Dabei unterscheidet man zwischen optischen Merkmalen, wie Schönheit und Persönlichkeitsmerkmalen, wie Charisma, Geist oder sozialen Status. Das eine führt zum anderen, wie du später noch erfahren wirst.

Aber…
Eigentlich wissen wir ja, dass es auf die inneren Werte ankommt. Dennoch legen wir nur allzu häufig einen großen Wert auf das Äußere. Sowohl auf unser eigenes als auch auf das von anderen.

Doch warum ist das so?
Aus psychologischer Sicht spielen verschiedene Stereotype eine nicht zu verachtende Rolle. Doch auch die Evolution hat ihre Finger im Spiel. Denn was wir als attraktiv empfinden (und was nicht), liegt in unseren Genen. Zwar bestehen kulturell bedingt Unterschiede in der Wahrnehmung von Attraktivität. Allerdings lassen sich kulturübergreifend bestimmte Merkmale ausmachen, welche gemeinhin als attraktiv gelten.

Welche Vorteile Attraktivität mit sich bringt, welche Stereotype mitwirken und welche körperlichen Merkmale wir überhaupt als attraktiv empfinden, das wollen wir uns nun genauer anschauen.

Sind attraktive Menschen erfolgreicher im Leben?

Schöne Menschen werden für klüger gehalten, bekommen mehr Geld und Aufmerksamkeit.
Attraktivität kann sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Und zwar in einem sehr positiven Sinne.

Verschiedene Studien ergaben beispielsweise nicht nur, dass hübscheren Verbrechern eine mildere Strafe von Richtern auferlegt wurden. Auch in der Schule ist das Aussehen nicht zu unterschätzen. Befragungen ergaben, dass Lehrkräfte attraktive Schüler und Schülerinnen in der Regel für intelligenter halten. Das spiegelt sich dann auch in den Noten der Kinder wider.

Bevor es hier zu Missverständnissen kommt: Hier geht es nicht um sexuelle Interessen. Schließlich können auch ohne diese Absichten Menschen als schön oder weniger schön empfunden werden. Das zeigen besonders Studien, bei denen das Aussehen von Babys im Mittelpunkt stehen. Es mag grotesk erscheinen, doch selbst Mütter werden von der Attraktivität ihrer Babys beeinflusst. Mütter mit hübschen Babys zeigen sich diesen gegenüber liebevoller und spielen auch länger sowie öfter mit ihnen als es bei weniger hübschen Babys der Fall ist.

Das bedeutet auch, dass Attraktivität dazu führt, dass die schöneren Nachkommen besser und intensiver versorgt werden. Dies führt dazu, dass ihre Überlebenschancen steigen und somit auch ihre Reproduktionschancen. Aus Sicht der Evolution ist Attraktivität bereits im Kindesalter ein Vorteil, welcher beim Gegenüber gewisse psychologische Programme hervorbringt.

Blickkontakt mit einer hübschen Person lässt unser Belohnungszentrum anspringen

Attraktive Menschen werden allerdings nicht nur für klüger gehalten, sondern belohnen uns sozusagen allein schon mit ihrem Aussehen. Denn unser Gehirn ist so verschaltet, dass unser Belohnungssystem bereits dann aktiviert wird, wenn unser Blick den einer attraktiven Person kreuzt.

Das könnte nicht nur die verlängerte Spieldauer der eben erwähnten Mütter mit ihren schönen Babys erklären. Auch die Tatsache, dass äußerlich schöne Menschen im Beruf mehr Geld verdienen, könnte damit zusammenhängen. Doch diese erhöhte Zahlungsbereitschaft gegenüber attraktiven Personen können diese sich nicht nur selbst zunutze machen. Auch kann bei Spendenaktionen mehr Geld für einen wohltätigen Zweck gesammelt werden, wenn die Werbefiguren besonders hübsch sind.

Doch wieso sind wir attraktiven Menschen gegenüber freundlicher und sogar zahlungswilliger? Einerseits hängt es mit den neuronalen Schaltkreisen in unserem Gehirn zusammen. Andererseits sind allerdings auch Stereotype dafür verantwortlich.

Ein psychologisches Programm besagt: “Was schön ist, ist gut“

Eines dieser Stereotype beinhaltet, dass Attraktivität mit weiteren positiven Eigenschaften zusammenhängen muss.
Wir schließen von der äußeren Erscheinung eines anderen Menschen innerhalb weniger Sekundenbruchteilen auf weitere Fähigkeiten und Eigenschaften, welche wir überhaupt nicht wissen können. Dennoch vermuten wir nicht selten, dass hübsche Personen auch bessere soziale Fähigkeiten aufweisen, klüger und extravertierter sind sowie auch ein größeres Selbstbewusstsein haben als weniger attraktive Menschen.

In Experimenten zeigte sich, dass dieser Stereotyp selbst dann greift, wenn die Versuchsteilnehmer das Foto einer Person nur einhundert Millisekunden lang sahen. War auf dem Bild eine attraktive Person zu sehen, dann schätzten sie diese (verglichen mit weniger attraktiven Personen auf den Fotos) als fähiger und freundlicher ein.

Und dieser Umstand bewirkt, dass schönere Kriminelle und attraktive Psychopathen niedrigere Haftstrafen bekommen. Oder dass schönen Menschen zuerst geholfen wird. Ebenso führt es dazu, dass schöne Kriminelle einen besseren Zugang zu ihren Opfern finden.

Laut Evolution bedeutet Schönheit auch Fruchtbarkeit

Warum wir nun attraktive Personen positiver einschätzen, wird evolutionspsychologisch mit dem sogenannten Reproduktionswert zu erklären versucht. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gemeint, mit der Nachkommen gezeugt werden können.

Attraktivität bei Erwachsenen ist rein evolutionär gesehen ein Indikator für die körperliche Gesundheit und damit auch ein Hinweis auf die Fortpflanzungsfähigkeit. Dass das nicht zwingend der Fall sein muss, zeigt ein Blick auf ärztliche Unterlagen. Zwar glauben wir normalerweise, dass Schönheit und Gesundheit Hand in Hand gehen. Doch Studien zu dieser Annahme, die sich auf die Untersuchung dieses vermeintlichen Zusammenhangs basierend auf medizinischen Unterlagen fokussierten, konnten das nicht bestätigen. Attraktive Menschen sind per se nicht gesünder als weniger attraktive.

Attraktivität und der Einfluss auf soziale Wahrnehmung

Wenn wir uns im Alltag umschauen, könnten wir unsere „Was schön ist, ist gut“-Annahme eventuell mehrfach bestätigt sehen.

Vielleicht ist dein weniger gutaussehender Kollege auch sozial nicht so stark in den Mitarbeiterkreis deiner Firma eingebunden. Doch liegt das nur an seinem Aussehen oder könnte es sich auch einfach um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung handeln? In der Sozialpsychologie ist damit der Effekt gemeint, dass eine anfänglich falsche Annahme sich später dennoch bestätigt.

Im Fall der attraktiven Menschen bedeutet das Folgendes: Sie werden als intelligenter und sozialkompetenter wahrgenommen. Daraufhin verhalten andere sich ihnen gegenüber ebenfalls häufig freundlicher und wohlwollender. Und da das Stereotyp „Was schön ist, ist gut“ bereits bei Kindern greift (siehe das Beispiel mit den hübschen Babys), könnten diese Personen von klein auf bevorzugt behandelt worden sein. In Folge dessen konnten sie ihre Fähigkeiten unter idealen Bedingungen ausbauen und auch mehr Selbstvertrauen entwickeln als es bei weniger hübschen Kindern der Fall war.

Die soziale Sympathie, welche schönere Menschen genießen – führt dann dazu, dass sie ebenfalls sympathischer werden. Die Prophezeiung, dass schön gleichbedeutend mit sympathisch ist – erfüllt sich in diesem Moment. Unsere Wahrnehmung von Schönheit und den damit verbunden Attributen sorgt somit dafür, dass diese sich beim attraktiven Menschen einstellen.

Laut Psychologie führt eine positive Einschätzung zu einem positiven Verhalten

Eine Studie von Snyder und Kollegen aus den späten 1970er Jahren befasste sich mit der Wirkung von Attraktivität einer Person auf das Verhalten anderer.

Den Versuchspersonen wurde die Untersuchung von Prozessen des Kennenlernens als angeblicher Hintergrund der Studie genannt. Der einen Hälfte der männlichen Teilnehmer wurde ein Foto von einer attraktiven Frau vorgelegt, der anderen Hälfte eines von einer als weniger attraktiv eingestuften Dame. Diese Frauen sollten jeweils die Gesprächspartnerin darstellen, mit denen die Männer telefonisch in Kontakt traten. In Wahrheit bildeten diese Fotos jedoch keine der tatsächlichen weiblichen Versuchspersonen des Experimentes ab.

Nachdem den männlichen Probanden die Fotos gezeigt wurden, sollten sie ihre Einschätzung über die darauf abgebildete Frau darlegen. Hier bestätigte sich die Vermutung der Forscher. Denn die attraktivere Frau wurde von den Männern als freundlicher, intelligenter und erotischer empfunden. Ihrer Einschätzung entsprechend verhielten die männlichen Probanden sich dann auch gegenüber der Frau am anderen Ende des Telefons.

Nahmen sie an, dass sie mit der attraktiven Frau vom Foto telefonierten, waren die Männer wesentlich freundlicher als wenn sie die weniger attraktive Frau als Gesprächspartnerin vermuteten. Das Verhalten der Männer löste ein entsprechendes Verhalten bei den Frauen aus. Begegneten ihre Gesprächspartner ihnen freundlich, so verhielten die weiblichen Versuchspersonen sich ebenfalls freundlicher und liebenswürdiger.

Diese Studie bestätigte gleich zwei Phänomene: Den Stereotyp „Was schön ist, ist gut“ (Die Männer schätzen die attraktivere Frau positiver ein) und die sich selbst erfüllende Prophezeiung (Nahmen die Männer an, dass die Frau am anderen Ende der Leitung freundlich und fähig war, verhielten sie sich ihr gegenüber netter – das wiederum führte zu einem freundlichen Verhalten der Frau).

Was macht uns attraktiv?

Kommen wir noch einmal auf das Beispiel mit den Babys zurück.
Mütter verhalten sich liebevoller gegenüber hübscheren Babys und dehnen auch ihre Spielzeit mit ihnen aus. Doch nicht nur die Mütter stehen unter dem Einfluss von Attraktivität – bei den Babys ist es nicht anders.

Untersuchungen zeigten, dass bereits Kleinkinder zwischen drei und sechs Monaten attraktive Gesichter vorziehen. Werden ihnen Portraitfotos von verschiedenen Personen dargeboten, so fixieren sie das jeweilige Foto länger, welches eine attraktive Person zeigt. Das Empfinden von Attraktivität stimmte mit dem von Erwachsenen überein.

Doch was empfinden wir überhaupt als attraktiv?
Viele Aspekte von Schönheit unterliegen verschiedenen Trends und sind sowohl von der Kultur als auch von der zeitlichen Epoche abhängig. Die alten Ägypter empfanden sehr schlanke Proportionen als attraktiv, während später fülligere Körper als Schönheitsideal galten. Beide wechselten sich immer wieder ab.

Ob der weibliche Körper eher schmal (wie etwa in den 1920ern) oder kurvenreich (wie in den Fünfziger Jahren) als ideal angesehen wurde, schwankte ebenso wie bestimmte Schönheitsvorstellungen vom männlichen Erscheinungsbild. Vollbart oder glattrasiert? Schlank und drahtig oder doch eher extrem muskulös? Blass oder braungebrannt? Es gibt etliche weitere Beispiele.

Doch es gibt gewisse Basiseigenschaften, welche im menschlichen Gen verankert und evolutionär gefestigt wurden.

Evolutionäre Gründe für unser Schönheitsempfinden

Doch bestimmte Merkmale scheinen auf evolutionären Umständen zu basieren, welche eigentlich durchweg als attraktiv wahrgenommen werden.

Zu diesen sogenannten Hormonmarkern gehören beispielsweise die hohen Wangenknochen und eine reine Haut bei Frauen. Diese deuten auf einen hohen Östrogenspiegel hin, welcher mit Fruchtbarkeit einhergeht. Bei Männern steht zum Beispiel ein markanter Kiefer für einen erhöhten Testosteronspiegel.

Ebenfalls ein Indikator für die weibliche Fruchtbarkeit wird in der Waist-to-Hip-Ratio vermutet. Hierbei geht es um das Verhältnis vom Hüft- zum Taillenumfang. Je mehr der weibliche Körper einer Sanduhr ähnelt (breite Hüften, schmale Taille), desto attraktiver. Allerdings ist diese Form je noch Epoche auch nicht immer beliebt. Gleiches gilt für die „Dreiecksform“ der Männer. Möglichst breite Schultern und schmale Hüften stehen heute für einen idealtypischen männlichen Körper.

Ist der Durschnitt das Ideal?

Doch unabhängig vom Geschlecht werden weitere Merkmale als schön angesehen.
Das sind Symmetrie und – das ist vielleicht ein wenig überraschend – Durchschnittlichkeit. Beim sogenannten Morphing werden sehr viele Fotos von Gesichtern übereinandergelegt und so verrechnet, dass ein neues Gesicht daraus entsteht.

Dieses Gesicht bildet dann so gesehen den Durchschnitt aller verwendeten Gesichter und ist recht unscheinbar. Doch gerade das wird als attraktiv wahrgenommen. Denn je ausgefallener ein Gesicht ist, desto seltener wird es als schön bewertet. Allerdings stellt sich hier die Frage ob es sich bei Symmetrie und Durchschnittlichkeit überhaupt um zwei eigenständige Aspekte handelt. Immerhin geht ein „Durchschnittsgesicht“ prinzipiell mit Symmetrie einher.

Unser Attraktivitätsempfinden Fremden gegenüber ändert sich durch eine Beziehung

Was wir als attraktiv empfinden hängt im Übrigen nicht nur von den kulturellen und zeitlichen Gegebenheiten ab.
Selbst unser aktueller Beziehungsstatus spielt eine Rolle. In Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass das Attraktivitätsempfinden Fremden gegenüber durch eine Partnerschaft beeinflusst wird.

Befinden wir uns in einer langjährigen Beziehung, bewerten wir fremde Personen als weniger attraktiv als sie in Wirklichkeit sind. Dieser Effekt ist bei Singles nicht zu beobachten. Hierin wird ein psychologischer Mechanismus vermutet, der zur Stabilität einer Beziehung beitragen soll. Denn auch andauernde Liebe hat einen evolutionspsychologischen Grund, welche genauso wie Schönheit in den Genen liegt.

Zusammenfassung

  • Attraktive Menschen sind häufig im Vorteil. Sie werden von ihren Mitmenschen nicht nur als schön empfunden, sondern gleichzeitig auch als intelligenter, freundlicher und gesünder eingeschätzt als weniger attraktive Menschen.
  • Mit dieser (nicht selten falschen) Vermutung geht der Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung einher. Denn unserer Einschätzung entsprechend interagieren wir mit diesen Personen auch freundlicher, trauen ihnen mehr zu und bezahlen sie sogar besser. Wir sorgen somit direkt dafür, dass sich die mit Attraktivität verbundenen Eigenschaften auch einstellen.
  • Wen wir als attraktiv empfinden und wen nicht, ist zum Teil kulturell bedingt. Sowohl die Kultur als auch die zeitliche Epoche haben einen Einfluss auf die Vorstellungen von Schönheit. Sie unterliegen daher einem stetigen Wandel.
  • Doch einige Merkmale werden evolutionsbedingt als attraktiv erachtet, da sie mit Fruchtbarkeit assoziiert werden. Prinzipiell bewerten wir symmetrische und durchschnittliche Formen als anziehender. Und das altersunabhängig.
  • Nicht nur Erwachsene haben ein Schönheitsempfinden, sondern bereits Babys ziehen attraktive Menschen vor.

Zum Schluss sei gesagt, dass Schönheit nicht automatisch mit positiven Persönlichkeitseigenschaften einhergeht. Wie Untersuchungen zeigen, ist auch der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Schönheit nicht unbedingt gegeben. Zwar sind attraktive Menschen (leider) häufig nur aufgrund ihres guten Aussehens im Vorteil, doch sollte man sich auch immer über die Vergänglichkeit von Schönheit und den Wandel von idealtypischen Vorstellungen bewusst sein, bevor man mit der Person im Spiegel zu hart ins Gericht geht.


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