Skip to main content

Emotionen und Gefühle: Bedeutung für Evolution und Psychologie


Uns gehen am Tag nicht nur abertausende Gedanken durch den Kopf, sondern wir erleben auch gleichzeitig ein breites Spektrum von Gefühlen. Oft bedingen sich Gedanken und Gefühle gegenseitig. So können die Erinnerungen an ein besonders schönes Erlebnis ein Gefühl der Freude hervorrufen, während auf der anderen Seite ein Gefühl der Wut gleichzeitig eine Lawine an negativen Gedanken lostreten kann.

Doch hast du dich schon einmal gefragt, welche Funktion diese Gefühle überhaupt haben? Das heißt, nicht nur diese – eher alle Gefühle, die dir geläufig sind. Gefühle sind im Laufe der Evolution zusammen mit der Entwicklung unseres Gehirns entstanden und jedem kommt eine gewisse Bedeutung zu. Welche genau das sind und wie der Zusammenhang zwischen Gefühlen und Gedanken zu erklären ist, sehen wir uns nun genauer an.

Was sind Gefühle?

Unter dem Begriff „Gefühl“ lassen sich eine Vielzahl von Empfindungen zusammenfassen.
All unsere Empfindungen können unter diesem Sammelbegriff vereint werden. Dazu zählen ganz basale Empfindungen, wie beispielsweise Hunger oder Schmerz und ebenso komplexere Gefühle. Zu letzteren gehören etwa Zufriedenheit, Glück oder Geborgenheit.

Daneben gibt es die Emotionen, welche als Produkte unseres Empfindens verstanden werden können. Sie können aufgrund bestimmter Gedanken oder auch direkter Auslösereize entstehen. So kann sowohl der Gedanke an einen angriffslustigen Hund Angst auslösen sowie auch der direkte Anblick des realen Tieres.

Was sind Basisemotionen?

Manche Emotionen sind kulturabhängig, andere kulturübergreifend.
Zu den sieben kulturübergreifenden Emotionen gehören nach den Forschungsergebnissen von Paul Ekman Überraschung, Trauer, Angst, Wut, Verachtung, Ekel und Freude. In seinen Studien stellte Ekman die Existenz dieser Emotionen in sämtlichen Kulturen fest.

Dazu verwendete er Fotos, auf denen Personen die verschiedenen Emotionen in ihrem Gesicht darstellten. Die Befragten verschiedener Kulturen konnten die Gesichtsausdrücke den jeweiligen Emotionen problemlos zuordnen. Nur bei der Identifikation der Emotionen Angst und Überraschung hatten einige Teilnehmer ihre Probleme. Da sich die jeweiligen mimischen Ausdrücke dieser beiden Emotionen stark ähneln, sind die Schwierigkeiten der Zuordnung darauf zurückzuführen.

Wir können Emotionen ausdrücken, ohne sie jemals bei anderen gesehen zu haben

Der universelle Ausdruck von Basisemotionen ist in uns verankert.
Studien mit blind geborenen Kindern konnten dies zeigen. Diese Kinder hatten noch nie die Emotionen in Form eines Gesichtsausdrucks gesehen und brachten sie ihrerseits dennoch mit der entsprechenden Mimik zum Ausdruck.

Zwar könnte man nun annehmen, dass die Kinder die emotionalen Züge im Gesicht anderer Menschen ertasten und dann nachahmen können. Allerdings wurden auch Studien mit Kindern durchgeführt, die nicht nur ohne Augenlicht auf die Welt kamen, sondern auch ohne Arme geboren wurden. Selbst sie zeigten die für die jeweiligen Emotionen typischen Gesichtsausdrücke.

Die kulturübergreifenden Studien Ekmans sowie die Studien mit den blinden Kindern bestätigt die Annahme der genetischen Basis für bestimmte Emotionen. Dabei spiegelt sich jede Emotion durch bestimmte, für sie typische mimische Muster in unseren Gesichtern wider.

Die Gesichtsmuskeln rund um Stirn, Augenbrauen und Mund tragen ihren Teil dazu bei, dass wir Emotionen in den Gesichtern unseres Gegenübers lesen können. Jede spezifische Reaktion der Gesichtsmuskeln bildet einen unverwechselbaren Ausdruck.

Interessant ist das „Baukastenprinzip“ nach dem sich unsere Mimik zusammensetzt. Gemischte Gefühle bestehen daher auch aus einzelnen Teilausdrücken der Gesichtszüge, die für das jeweilige Gefühl charakteristisch sind.

Das legte den Grundstein für die Entwicklung des Facial Action Coding Systems. Hierbei handelt es sich um einen Ansatz, der eine Analyse des muskulären Zusammenspiels objektiv ermöglicht. Kleinste Bewegungen können erfasst werden, welche unwillkürlich mit der jeweiligen Emotion einhergehen. Selbst dann, wenn die betreffende Person eine Emotion mit anderen Gesichtsausdrücken zu überspielen versucht.

Der kulturelle Einfluss auf unsere Gefühle

Wie wir unsere Emotionen zeigen, ist kulturunabhängig.
Allerdings bestimmt die jeweilige Kultur zu einem großen Anteil, wann wir diese Emotionen äußern.

Ein Experiment hierzu stammt ebenfalls von Ekman. Er verglich Gruppen von japanischen und amerikanischen Studenten hinsichtlich ihrer Reaktion auf ein Video. Dieses zeigte ein Beschneidungsritual und wurde von beiden Gruppen sehr negativ aufgefasst. Jedoch nur dann, wenn die Versuchsteilnehmer das Video allein ansahen. In ihren Gesichtern spiegelten sich negative Emotionen, wie beispielsweise Ekel wider.

Sahen die Probanden sich das Video allerdings zusammen mit anderen an, veränderte sich das Bild. Die amerikanischen Studenten zeigten in beiden Versuchsbedingungen negative Reaktionen auf die ihnen gezeigten Szenen. Die japanischen Studenten veränderten ihren Gesichtsausdruck in der Gruppensituation hingegen kaum.

Das offene Zeigen von Emotionen ist kulturabhängig legitim oder eher weniger gern gesehen. Dementsprechend lernen wir im Laufe unserer Sozialisierung, bestimmte Emotionen entweder für uns zu behalten oder frei zu äußern. Diese Unterdrückung ist durchaus mühsam und mit einem langen Lernprozess verbunden.

Und deshalb ist auch nicht verwunderlich, dass Männer in der westlichen Kulturwelt kaum Gefühle zulassen oder diese zeigen. Denn noch vor 150 Jahren lebten die meisten Menschen nicht in Städten, sondern in ländlichen Gegenden. Dort gab es das Gesetz der Ehre, wonach Männer keine Gefühle oder Schwäche zeigen durften. Jegliche Art von Gefühlsregung konnte anderen männlichen Artgenossen demonstrieren, dass der Mann angreifbar war. Und da Rechtsprechung und Ordnung damals noch nicht vollständig integriert waren, könnten Fremde den Ausdruck von Schwäche als Anstoß nehmen – den Mann um Hof und Besitz zu berauben.

Warum können Männer keine Gefühle zeigen

Heute sind Männer in der westlichen Welt viel gefühlsoffener. Dennoch bleibt bei einigen Männer das Konstrukt der Gefühlsarmut erhalten, welches sie wahrscheinlich vom Vater unbewusst abgeschaut und übernommen haben. Mit zunehmender Ordnung und Rechtstaatlichkeit steigt ebenfalls die Sicherheit an. Dadurch ist anzunehmen, dass Männer zukünftig gefühlsoffener werden können, da ihre Besitzansprüche staatlich geregelt sind.

In verschiedenen Situationen, wie zum Beispiel beim Fußball, sind Männer dann doch zu größeren Gefühlsausbrüchen bereit. Dies liegt aber daran, dass ein Kulturwechsel von einer sozialen Gruppe auf die nächste stattfand.

Welche Gefühle wir zeigen, hängt somit mit dem Herkunftsland, den Eltern und anderen sozialen Gruppe zusammen, in welchen wir uns bewegen. Dabei können Emotionen – je nach Gruppe – wechseln. Weiterhin sorgt ein zunehmendes Maß an Sicherheit für eine Auslebung von Emotionen.

Gefühle und Evolution: Warum haben Menschen Emotionen?

Vom evolutionären Standpunkt her wäre es sinnlos, Gefühlen eine allgemeine Bedeutung zuzuschreiben.
Vielmehr haben die jeweiligen Emotionen auch eine eigene Funktionsweise.

Angst kann beispielsweise als Schutzfunktion dienen. Wir vermeiden Dinge, die uns Angst machen und verringern dadurch das Verletzungsrisiko durch die potenzielle Gefahrenquelle. So ist es auch bei der Angst vor einem knurrenden, zähnefletschenden Hund der Fall.

Ekel fungiert auf eine ähnliche Weise, denn auch diese Emotion bewahrt uns vor Schaden. Essen wir etwa ein faulig schmeckendes Stück Obst, spucken wir dieses angeekelt wieder aus. So bewahren wir uns vor der Aufnahme schädlicher Substanzen.

Wut hingegen kann dabei helfen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Durch diese Emotion entsteht Energie, welche uns bei der Überwindung von physischen Hindernissen behilflich sein kann. Vielleicht zerstören wir einfach, was uns im Weg steht.

Auch Freude hat eine nützliche Funktion in Bezug auf die Evolution. Denn positiven Reizen wenden wir uns zu. Die Freude über eine neu entdeckte Nahrungsquelle führt zum erneuten Aufsuchen dieser und damit zur Sicherstellung von lebenserhaltenden Nahrungsmitteln.

Emotionen sind wie Motoren für unsere Motivation und damit auch für unser Verhalten. Sie steuern unsere Aufmerksamkeit darauf, was uns schaden oder nützen könnte und wir können unser Verhalten dementsprechend an die situationalen Gegebenheiten anpassen.

Aus evolutionärer Sicht haben Emotionen einen Wert für unser Überleben. Doch auch im Zusammenleben mit anderen Menschen spielen Emotionen beziehungsweise deren Ausdruck eine wichtige Roll in sozialer Hinsicht. Wenn wir die Emotionen unserer Mitmenschen ablesen können, können wir dementsprechend reagieren. Ist die Person wütend auf mich und sollte ich daher lieber aus Abstand gehen? Ist sie traurig und braucht Zuwendung oder Hilfe? Zeigt eine andere Person Freude, so dass ich gefahrlos auf sie zugehen kann?

Wie hängen Gefühle und Gedanken zusammen?

Unsere Emotionen beeinflussen unsere Wahrnehmung.
Wie bereits erwähnt, lenken Emotionen unsere Aufmerksamkeit zu einem nicht unerheblichen Anteil. Daher wirken sie sich auch auf die Art und Weise unserer Informationsverarbeitung aus. Das führt allerdings nicht nur dazu, dass wir uns auf positive oder negative Reize fokussieren. Denn unsere jeweilige Gemütslage beeinflusst generell, was wir vorzugsweise an Information wahrnehmen.

Diese sogenannte stimmungskongruente Informationsverarbeitung kannst du dir so vorstellen: Deine Laune ist heute besonders mies. Alles läuft irgendwie schief und ein Unglück scheint sich an das nächste zu reihen. Dabei ist das nur in den seltensten Fällen zutreffend. Vielmehr ist es so, dass deine Informationsverarbeitung an allem Negativen kleben bleibt. Du nimmst verstärkt unangenehme Reize wahr und schreibst ihnen gleichzeitig eine höhere Bedeutung zu. Durch deine „negative Brille“ siehst du allerdings ein sehr einheitliches Bild. Und zwar das von einem miesen Tag, der schlechter nicht sein könnte.

Umgekehrt funktioniert das Phänomen jedoch glücklicherweise auch. Wenn du in einer positiven Stimmung bist, ziehen kleinere Missgeschicke deine Aufmerksamkeit kaum auf sich. Negative Informationen haben weniger Gewicht und (anders als bei der schlechten Stimmung) positive Ereignisse werden nicht einfach ausgesiebt. Statt sie unter den Tisch fallen zu lassen, nimmst du sie wahr und summierst sie auf. Am Ende des Tages bist du vielleicht selbst überrascht, wie einwandfrei die letzten 24 Stunden verlaufen sind.

Wer also meistens miese Laune und schlechte Stimmung hat, wählt die falschen Gedanken und zwar immer wieder. Alles was mies läuft wird überbewertet und alles Positive wird ausgeblendet. Aus mieser Stimmung wird irgendwann eine miese Haltung und letztendlich ein mieses Leben.

Zusammenfassung

  • Unsere Emotionen haben nicht nur eine evolutionäre Funktion, sondern beeinflussen auch das soziale Miteinander.
  • Sie schützen uns vor Gefahren und steuern unsere Aufmerksamkeit. Dadurch kann unsere Wahrnehmung allerdings auch ins Positive oder Negative verzerrt werden.
  • Es gibt sieben Basisemotionen. Diese werden in jeder Kultur verstanden und sind angeboren.
  • Ein Beispiel für die genetische Basis dieser Emotionen sind Kinder, die bereits blind zur Welt kamen. Auch sie drücken diese Emotionen über die gleiche Mimik wie alle anderen aus, ohne dass sie je ein wütendes oder freudiges Gesicht gesehen hätten.

Über den Autor

wissen
Folge Sciodoo und bleibe stets auf dem Laufenden. Schließ dich uns an und abonniere unseren Instagram-Kanal ein. Wir stellen täglich neue Artikel für dich rein.
Weiter zum Kanal>>>
     

Ähnliche Beiträge