Oliver Freud: Biographie des zweiten Sohnes von Sigmund Freud
Oliver Freud war das dritte Kind von Sigmund Freud und seiner Ehefrau Martha. Er wurde am 19. Februar 1891 in Wien geboren und starb im Februar 1969 in Williamstown, einem kleinen Ort im Nordwesten von Massachusetts (USA). Zusammen mit seiner Frau Fanny hatte er eine Tochter, welche während des 2. Weltkrieges in Europa zurückblieb und 1944 starb.
Oliver Freud (1891 – 1969)
Oliver wurde nach dem englischen Feldherrn Oliver Cromwell benannt, welchen Sigmund Freud schon als Kind verehrte. Der Junge war der Liebling seiner Mutter, litt unter Zwängen und Perfektionismus. Laut psychoanalytischer Theorie war daran ein unterdrückter Trieb schuld, dessen Verdrängung den Zwang auslöste.
Freud diagnostizierte ihm eine „anal sadistische Organisation“. Bis dahin war Oliver sein Stolz und seine Hoffnung gewesen. Denn der Junge war durchaus intelligent, liebte Zahlen und verstand es, in komplizierten Tüfteleien aufzugehen.
Nach dem Ende seines Ingenieurstudiums wurde Oliver zum Militärdienst eingezogen. Dort diente er als Bauingenieur beim Ausbau eines Tunnelsystems. Zu Beginn des ersten Weltkrieges verliebte er sich in die Medizinstudentin Ella Haim, und beide heiraten.
Ella folgte ihm zu seinen Militärstützpunkten in den Karpaten, wurde schwanger, aber ließ das Kind im März 1916 abtreiben. Ein halbes Jahr später trennten sich Ella und Oliver.
Nach Kriegsende zog Oliver nach Berlin und ließ sich dort von Max Eitingon analysieren, nachdem sein Vater ihm die Analyse verweigerte. Beim Psychoanalytiker Franz Alexander war Oliver seit 1921 in Behandlung.
Oliver heirate ein zweites Mal die Berliner Arzttochter Henny Fuchs (1923). Ein Jahr später bekam das Ehepaar ihre einzige Tochter, namens Eva (1924 – 1944).
In Deutschland waren Olivers Berufsaussichten seit der Inflation und Weltwirtschaftskrise (1929) aussichtslos. Gleichzeitig wurde er, jüdischer Herkunft, durch die Machtzunahme der Nationalsozialisten bedroht. Deshalb wanderten er, Tochter Eva und Fanny im Jahr 1933 nach Frankreich aus.
Zunächst lebte die Familie in Saint-Briac, später in Paris. Als Oliver dort angekommen war, schreibt Sigmund Freud einen Brief (25.10.1933) an den Schriftsteller Arnold Zweig. Dort heißt es:
„Aber ich habe einen Sohn in Paris – Oliver, der mit seiner Frau und Kind lebt in 16me, rue George Sand. Er ist Bauingenieur, ein sehr talentierter Mann [ein hochbegabter Alleswisser], weiß alles, ausgezeichnet in seinem Job;. nette Frau und charmante kleine Tochter ich fürchte , er wird in Paris nichts erreichen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie ihn treffen könnten.“
Daraufhin besuchte Zweig den Sohn Sigmund Freuds und schrieb an dessen Vater zurück:
„Es sei erschütternd, wie er am lebendigsten und wärmsten wurde, wenn er von seinen Kriegsjahren sprach, jetzt, wo er noch einmal von vorn anfangen solle.“
Da auch in der Bretagne und in Paris die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Arbeit eher aussichtslos waren, zog Oliver 1934 nach Nizza. Dort leitete er ein Fotogeschäft, welches er später – durch einen Zuschuss seines Vaters – kaufen konnte. Doch während des Krieges marschierten die Faschisten auch in Frankreich ein und besetzten weite Teile.
1942 verließen Oliver und Fanny ihre Wahlheimat, da italienische Truppe auf Nizza vorrückten und besetzten. Rene Laforgue, Begründer der französischen Psychoanalyse, half ihnen 1943 bei der Flucht über Spanien in die USA. In Williamstown Massachusetts ließen sich beide nieder und Oliver starb dort 1969.
Die Ausreise in die USA geschah ohne ihre Tochter Eva. Zwar hatten Fanny und Oliver vor, ihr einziges Kind mitzunehmen, doch „Evchen“ hatte andere Pläne. Vor der Emigration immatrikulierte sie sich in an der Universität in Nizza. Im Alter von 16 Jahren (1940) lernte sie einen russischen Widerstandskämpfer kennen und schloss sich der Resistance an.
Unter falschen Namen blieb sie in Nizza, ohne Eltern, zurück. Eva wurde schwanger und ließ eine Abtreibung vornehmen. Dabei zog sie sich eine Infektion zu und verstarb im Krankenhaus (1944).