Warum bestand das oströmische Reich länger als das weströmische Reich
Oströmisches und Weströmisches Reich gingen aus dem Römischen Reich ab dem Jahr 395 n.Chr. hervor. Beide Reiche überdauerten nicht bis heute, allerdings bestand das Oströmische Reich länger als Westrom. Den einen treffenden Grund für das längere Fortbestehen des Oströmischen Reiches gibt es nicht. Vielmehr ist es eine Mischung aus geschichtlichen, gesellschaftlichen, organisatorischen und geografischen Gründen.
Inhalt
Das Oströmische und das Weströmische Reich
Beide Reiche gingen aus dem antiken römischen Weltreich hervor. Ursprung des Imperiums war die 753 v. Chr. gegründete Stadt Rom, die es bis heute gibt. Die römische Siedlung und Kultur waren sehr erfolgreich. Wurde aber auch oft angegriffen. Aufgrund von Wachstum und Vergeltungsakten gegen Angreifer wuchs das Reich ab dem 6. Jhd. v. Chr. enorm. Schließlich fanden römische Könige und Kaiser Gefallen an Eroberungen und der Ausdehnung eines Weltreiches.
Zu den besten Zeiten gehörten Provinzen in Nordeuropa (Gallien und Teile von Britannien), Teile Spaniens und sämtliche an das Mittelmeer grenzenden Regionen bis nach Nordafrika zu Rom. Das Reich zu verwalten war ein Kunststück. Rom wurde von Alleinherrschern oder von Regenten-Gemeinschaften beherrscht.
Ab 395. n. Chr. teilte sich Gesamt-Rom offiziell in einen selbstständigen West- und einen Ostteil. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich die Geschichte beider Reiche auseinander, obwohl sich West- und Ostrom zunächst auch nach der Teilung noch einem Reiche zugehörig fühlten.
Das Oströmische Reich beziehungsweise später das Byzantinische Reich bestand bis 1453 n. Chr. Westrom ging 476 n. Chr. nach vielen Kämpfen mit germanischen und anderen nordischen Stämmen unter. Ostrom beziehungsweise Byzanz wurde erst rund 1000 Jahre später von muslimischen Eroberern bezwungen.
Gründe für die Beständigkeit von Ostrom
Nach der offiziellen Reichsteilung entwickelten sich Kultur, Sprache und Religion langsam auseinander. Wirtschaftlich waren beide Reiche sofort getrennt, kooperierten aber weiter.
Die größten Ausgaben hatten beide Teile Roms durch Kriege und Verteidigungsmaßnahmen. Es gab auf beiden Seiten aber auch Herrscher, die den Staatshaushalt und die wirtschaftliche Sicherheit durch Dekadenz und Verschwendungssucht gefährdeten.
Beide Teile Roms wurden in der Zeit ihres Bestehens regelmäßig angegriffen. Trotzdem erging es Ostrom insgesamt besser als dem Westen.
Mögliche Gründe dafür sind:
Unterschiedliche Organisation der Feinde
Westrom wurde von den wesentlich besser organisierten und zahlenmäßig überlegenen „Barbaren“ aus dem Norden angegriffen. Zu dieser Zeit waren die Feinde Westroms (Balkanvölker, Sassaniden, Araber, Perser) nicht so gut organisiert und bekämpften sich noch mehr untereinander, denn die Römer.
Die nordischen Völker dagegen hatten sich gegen Rom organisiert.
Westrom wurde zudem öfter von östlichen Reitervölkern (Hunnen) angegriffen.
Die Versorgung
Anatolien und Ägypten waren lange die Kornkammern des Ostens. Ägypten belieferte auch Westrom und das antike Griechenland mit Getreide. Dennoch hatte Ostrom nach der Trennung auch durch die verlängerten und besseren Vegetationsperioden in den wärmer gelegenen Provinzen deutliche Vorteile.
Die geografische Lage
Byzanz beziehungsweise Konstantinopel hatte eine viel besseren Lage als Rom. Das Befestigungssystem Konstantinopels war nahezu uneinnehmbar. Die geschützte Lage am Bosporus sorgte zudem für die Sicherheit der Hauptstadt.
Die Provinzen in Südosteuropa, Arabien und Nordafrika zogen sich in einem schmalen Gürtel entlang des Mittelmeers. Mit einer Seite zum Meer waren die Regionen viel einfacher zu schützen. Das ganze Mittelmeer wurde von Rom kontrolliert. Wer hätte dort also angreifen sollen?
Die weströmischen Provinzen lagen auf einem Kontinent zusammen und waren in sich durch die vielen Völker strukturell sehr verschieden.
Zudem hatte sich der weströmische Hof aus Rom in die Städte Ravenna und teilweise auch nach Mailand verlegt. Beide Städte waren weniger gut gesichert als Rom.
Die militärische Organisation
Die weströmische Armee heuerte im großen Stil barbarische (nicht-römische) Kämpfer an. Ostrom tat das nicht. Sie fürchteten die Probleme und eventuellen Putsch-Versuche, die von eingeschleusten Barbaren ausgehen konnten.
Ostrom verbot ab 397 n. Chr. zunächst alle Barbaren in der Armee, später nur in führenden Posten. Durch die vielen Kriege waren beide Armeen oft gezwungen fremde Kämpfer als Söldner anzuheuern. Die Offiziersposten in Ostrom wurden nur an alteingesessene Römer und zuverlässige Kämpfer vergeben. Das byzantinische Heer bestand hauptsächlich aus Anatoliern, Armeniern, Thrakern und Illyrern.
Die Dekadenz des Adels
Westrom identifizierte sich nach der Reichsteilung mehr mit dem alten antiken Rom der Königszeit. Man hielt sich für unverzichtbar. Der weströmische Größenwahn wurde so in Ostrom nie weitergelebt oder übertrieben zelebriert. Es gab zwar auch in Ostrom herausragende Feldzüge, Bauwerke und andere Errungenschaften, trotzdem fehlte die Verbindung zum alten Pathos und übertriebenen Prunk römischer Kaiser und Könige.
Die Einwanderungspolitik
Das Weströmische Reich wurde gegen Ende seiner Existenz zunehmend von nicht-römischen Siedlern und Einwanderern unterlaufen. Die Grenzen waren teilweise schlecht gesichert oder einfach offen. So siedelten Stämme und Völker auf römischem Boden, die sich Rom nicht verpflichtet fühlten. Als die Goten, Vandalen und andere germanische Stämme gegen Rom zogen, schlossen sich diese Völker den Machthabern an, von denen sie sich die bessere Zukunft versprachen.
Was brachte Ostrom den Untergang?
Auch Ostrom beziehungsweise das Byzantinische Reich verlor im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Provinzen. Doch insgesamt ging der Verfall langsamer vor sich und setze später ein.
Zum Schluss bestand das Reich fast nur noch aus der Hauptstadt und einigen angrenzenden Regionen.
Verantwortlich dafür war die zunehmend bessere Organisation der ursprünglichen Bevölkerung der Provinzen. Ab dem 6. Jhd. breitete sich der Islam aus. Reitervölker und Nomaden begannen sich zu organisierten. Schließlich entstanden zunehmend muslimische Städte, die von Ostrom nur noch schwer zu kontrollieren waren.
Gegen Ende des Reichs waren es Scheldschuken und schließlich die Osmanen, die über immer bessere Waffen, Organisation und den Willen zum Vorgehen gegen die alten Beherrscher verfügten.
Die byzantinischen Herrscher konnten diese zunehmende Organisation der Feinde durch politische Einflussnahme und Intrigen noch einige Jahrhunderte manipulieren.
Der neue osmanische Sultan Mehmed II zog 1453 unter anderem entschlossen gegen Konstantinopel, um einen dort im Exil lebenden osmanischen Prinzen und Konkurrenten auszuschalten.