Oxidativer Stress: Bedeutung, Symptome, Ursachen, Auswirkungen
Oxidativer Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen oxidativen und antioxidativen Vorgängen im Körper, wodurch es zu einer Erhöhung von freien Radikalen kommt, die wiederum eine Schädigung an den Zellen anrichten.
Inhalt
Was bedeutet oxidativer Stress
In jeder Zelle im Organismus finden stets Versorgungs- und Entgiftungsvorgänge statt. Diese Prozesse kann eine Zelle allerdings nur vollbringen, solange die Zelle nicht überfordert ist. Somit müssen Oxidationsvorgänge, welche für den Stoffwechsel nötig sind, im Einklang stehen zu Antioxidationsvorgängen. Es muss somit ein Gleichgewicht zwischen oxidativen und reduzierenden Stoffen in den Zellen vorherrschen.
Ist dieses Gleichgewicht gestört, kommt es zur Schädigung der Zellstrukturen. Die Ursachen für oxidativen Stress werden im Anstieg von Oxidantien gesehen. Unklar ist allerdings ob oxidativer Stress tatsächlich diverse Krankheiten hervorruft. Hier ist die Forschungslage noch nicht einhundertprozentig geklärt.
Freie Radikale als Ursache für oxidativen Stress
Sobald wir Nahrung aufnehmen, muss diese in den Stoffwechsel eingeschleust werden – damit daraus Energie entstehen und körpereigene Substanz hergestellt werden kann.
Beim Stoffwechsel wird die Nahrung zerkleinert und in ihre Einzelteile aufgespalten. So ist bspw. Zucker eine Kohlenstoffverbindung, welche sich in verschiedene Kohlenstoffteile und Wasser aufspalten lässt. Aus den aufgespalteten Einzelteilen baut der Organismus körpereigene Betriebsstoffe (Proteine, Fette, Kohlenhydrate) auf.
Diese Betriebsstoffe sind die Grundlage für alle lebenswichtigen Prozesse. So sind bspw. Proteine am Schutz vor Krankheitserregern beteiligt oder als Strukturproteine ein wesentlicher Bestandteil der Haut, der Knochen, des Bindegewebes oder jeder einzelnen Körperzelle. Die meisten Enzyme, welche diverse Funktionen im Körper ansteuern bzw. regeln, sind ebenfalls Proteine.
Kohlenhydrate dienen der Energiegewinnung, sind am Aufbau von Kernsäuren (DNA, RNA) beteiligt oder werden an Proteine angehängt. Komplexere Kohlenhydrate dienen als Speicher- oder Reservestoffe im Energiestoffwechsel der Organismen.
Und Fette werden ebenfalls als Energielieferanten von Zellen und des gesamten Organismus verwendet, sind aber auch Bestandteil von Zellmembranen. Des Weiteren sind einige Ausgangsstoffe, welche als Nahrung in den Organismus eindringen, lediglich in Fetten löslich. Man kann diese Stoffe (z.B. fettlösliche Vitamine) nicht in Wasser lösen, weshalb ohne Fette kein Stoffwechsel dieser Ausgangsstoffe stattfinden könnte.
Um aus der aufgenommenen Nahrung körpereigene Betriebsstoffe herzustellen, müssen chemische Reaktionen im Organismus stattfinden. Diese Reaktionen finden unter Verwendung von Sauerstoff in den Mitochondrien der Zellen statt. Der Bauplan für den Aufbau von körpereigenen Betriebsstoffen ist wiederum in der Zell-DNA abgespeichert.
Damit sich zwei Stoffe zu einem neuen Stoff verbinden lassen, müssen Elektronen von einem Atom oder Molekül auf den Reaktionspartner wandern. In der Zelle ist deshalb Sauerstoff enthalten, welche über die Atmung in den Organismus gelangt. Durch diesen Sauerstoff kann eine Oxidation und Reduktion des Ausgangsstoffes stattfinden. Als Nebenprodukt dieser Zellatmung entstehen freie Radikale bzw. Sauerstoffradikale.
Jene Sauerstoffradikale sind Sauerstoffverbindungen, welche als Nebenprodukt im Zellstoffwechsel entstehen. Diese sind sehr reaktionsfreudig, was auch nötig ist. Denn dadurch können die Sauerstoffradikale sämtliche Elektronen von anderen Atomen und Moleküle abfangen und sich an diese koppeln.
Durch diese Kopplung können körper- bzw. zellfremde Strukturen, welche schädlich für den Organismus (Zelle) sind, schnell in eine Reaktion verwickelt werden. Diesen Umstand macht sich bspw. das Immunsystem zu Nutze, um durch freie Radikale sämtliche Krankheiten zu unterdrücken und den Organismus stabil bzw. gesund zu halten.
Doch bei jeder Kopplung entstehen neue Radikale. Und deren Elektronen versuchen sich wieder zu koppeln, gehen eine chemische Verbindung zu den nächsten Atomen ein, wodurch wieder neue Radikale freigesetzt werden. Kompensiert wird der Anstieg von freien Radikalen durch die körpereigene Enzymsysteme.
Da die freien Radikale im Stoffwechsel als Oxidationsmittel auftreten, werden sie auch als Oxidantien bezeichnet. Alle reduzierenden Stoffe und Enzyme, welche die Anzahl der Oxidantien regulieren sollen, werden als Antioxidantien bezeichnet. Oxidantien sind somit erst einmal etwas Gutes, da jede Zelle die Sauerstoffradikale braucht, um biochemische Reaktionen hervorzurufen, die lebensnotwendig sind.
Steigen allerdings die Oxidantien unkontrolliert an und werden nicht durch Antioxidantien gebremst, beginnen diese auch einige Zellstrukturen in eine chemische Reaktion zu verwickeln. Und dies schädigt letztlich die Zelle bzw. stört die Zellfunktionen. Dieser Überhang an oxidativen Prozessen in einer Zelle, hervorgerufen durch einen Anstieg an freien Radikalen, wird als oxidativer Stress bezeichnet.
Die Mitochondrien einer Zelle besitzen eine eigene DNA, welche als mtDNA abgekürzt wird. Auf dieser mitochondrialen DNA befinden sich die meisten Gene für jene Enzyme, welche bei der Atmungskette benötigt werden. Allerdings werden diese Enzyme nicht durch die mtDNA gebildet, sondern müssen im Cytoplasma aufgebaut werden. Somit kann das Mitochondrium zwar den Bauplan für diese Enzyme liefern, diese aber nicht selbst aufbauen.
Bildet sich nun ein Überschuss an freien Radikale im Mitochondrium, werden die Aufbauproteine der mtDNA zuerst in Reaktionen verwickelt – wodurch die Enzymproduktion gestört wird. Letztlich führt dies zum Funktionsabfall der mtDNA, was in einen Funktionsabfall des Mitochondriums mündet – wodurch schließlich die Atmungskette ausfällt, was dann zum Stoffwechselausfall der Zelle führen kann.
Weitere Ursachen und Faktoren für oxidativen Stress
Neben der Ernährung unterscheidet man weitere endogene und exogene Faktoren. Jene Faktoren können dazu führen, dass entweder die Produktion der Antioxidantien gestört wird oder es zu einer sprunghaften Zunahme von freien Radikalen kommt.
Zu den endogenen (im Körperinneren entstehend) Faktoren gehören:
- starke körperliche Belastungen, wie Leistungssport
- Übertraining
- Infektionen
- Verletzungen
- Allergien
- Stoffwechselerkrankungen
- Autoimmunerkrankungen
Die exogenen Faktoren sind Umwelteinflüsse, welche zwar außerhalb des Körpers entstehen, aber ins Körperinnere gelangen. Zu ihnen gehören:
- Medikamente
- Alkohol
- Nikotin
- falsche Ernährung
- Stress und Reizüberflutung
- UV Strahlung des Sonnenlichts und durchs Solarium
- Umweltgifte, wie Insektizide oder Pestizide
- Abgase, Smog und andere luftverschmutzende Faktoren
Symptome von oxidativen Stress
Den Überschuss an freien Radikalen bemerkt man eigentlich erst wirklich, wenn diese bereits ausgiebig arbeiten. In diesem Fall ist es häufig bereits zu spät. Doch einige Körpersignale können als Indikatoren oder Früherkennungssystem dienen. Diese sind:
- Kopfschmerzen
- Konzentrationsschwächen und Konzentrationsabfall
- Sehstörungen und sonstige Wahrnehmungsstörungen
- Infektionsanfälligkeit und ein geschwächtes Immunsystem
- Muskelschmerzen und allgemeiner Leistungsabfall des Körpers beim Sport
Das Gleichgewicht bzw. ein Ungleichgewicht von freien Radikalen und Antioxidantien kann medizinisch ermittelt werden. Ärzte machen dazu Blut– oder Urintest.
Auswirkungen von oxidativen Stress
Lipide (Fette) sind Bestandteil der Zellmembran. Durch die Bildung von freien Radikalen können die Lipide dazu veranlasst werden, eine chemische Reaktion mit diesen einzugehen, wodurch Elektronen vom Lipid auf das Sauerstoffradikal übergehen. Solche Lipidperoxidation führt dann zur Schädigung der Zellmembranen.
Oxidieren die Proteine, verändert sich auch deren Struktur. Die Strukturveränderung wirkt auf einzelne Proteine, kann aber durch die Quervernetzung (Protein-Cross-Link) auch andere Proteine betreffen. Das schnellere Altern als physiologischer Vorgang hängt mit oxidativen Stress und der daraus resultierenden Proteinoxidation zusammen.
Oxidativer Stress kann auch die DNA einer Zelle betreffen. Da dort sämtliche Informationen über den Aufbau von Strukturen und Proteinen gespeichert wird, kann der Bauplan von Körpersubstanzen nachhaltig geändert werden. Durch diese Änderungen kann der Alterungsprozess – welcher durch Zellteilung mit fehlerhaften Bauplanänderungen – angetrieben wird, sich weiter verstärken. Auch eine geringere Lebenserwartung kann an ein dauerhaft erhöhtes oxidatives Stresslevel gekoppelt sein.
Erkrankungen durch oxidativen Stress
Wie bereits erwähnt, ist die Forschungslage noch nicht hundertprozentig einig darüber, welcher Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und bestimmten Krankheiten besteht. Klar ist allerdings, dass die Zerstörung der Mitochondrien unweigerlich dazu führt, dass Stoffwechselvorgänge beeinträchtigt werden, wodurch die Funktionen des Zellstoffwechsels gestört werden, was wiederum zu Veränderungen der Zellstruktur führt.
Einige Untersuchen könnten darauf hinweisen, dass diverse Nervenerkrankungen – wie Alzheimer oder Parkinson – auf oxidativen Stress zurückzuführen sind. Auch Erkrankungen der Herzgefäße und Arterien (Arteriosklerose) werden mit oxidativen Stress in Zusammenhang gebracht.
Antioxidantien als Mittel gegen oxidativen Stress
Bei den Antioxidantien unterscheidet man zwischen körpereigenen und körperfremden. Jene Antioxidantien, welche der Körper eigens produziert, sind die antioxidativen Enzyme, wie:
- Glutathionperoxidasen
- Superoxiddismutasen
Solche Enzyme entgiften die freien Radikale aus den Zellen und werden deshalb auch als Radikalfänger bezeichnet. Damit diese Enzyme ihre entgiftende Aktivität aufbringen können, sind Spurenelemente (Zink, Kupfer, Mangan, Eisen, Selen) wichtig. Jene Mikronährstoffe können über eine ausgewogene Ernährung beigeführt werden.
Exogene Antioxidantien sind jene, welche von außen zugeführt werden, da der Körper diese nicht ausreichend selbst produzieren kann. Diese sind:
- Ascorbinsäure (Vitamin C)
- Tocopherole, welche im Vitamin E vorkommen
- Beta-Carotin als Vorstufe von Vitamin A
- Alpha-Linolensäure aus der Gruppe der Omega-3-Fettsäuren
- diverse Mineralstoffe und Spurenelemente, welche die Enzymaktivität der körpereigenen Antioxidantien anstoßen
Die exogenen Antioxidantien aktivieren entweder die Enzymsysteme, welche die freien Radikalen abbauen. Andererseits werden Zellstrukturen oder ungesättigte Fettsäuren davor beschützt, eine Oxidation mit freien Radikalen einzugehen, indem diese vorher bereits abgefangen werden. In beiden Fällen werden die Zellen vor einer Oxidation bewahrt.
Besonders viele Antioxidantien finden sich bspw. in:
- Grapefruit
- Karotten
- Kiwi
- Grünkohl
- Paprika
- Nüssen
- Spinat
- Leinöl
Oxidativen Stress durch Nahrungsergänzungsmittel therapieren
Nahrungsergänzungsmittel versprechen einen Nutzen, indem der Ausgleich von körperlicher Überbelastung, falscher Ernährung und Solarium-Bräune stattfinden soll. Gerade Sportler wollen einer Überbelastung entgegenbeugen, indem durch Selbstmedikation dem Körper mehr Antioxidantien zugeführt werden, was eine Regulierung bzw. Eindämmung der freien Radikalen begünstigen soll.
Nahrung ist heilend, aber Nahrungsergänzungsmittel sind stattdessen sehr oft nachteilig. Denn der Leitspruch „Viel hilft viel“ ist leider allzu oft nicht zutreffend. Tatsächlich h*aben Studien ergeben, dass Vitaminpräparate keinen positiven Effekt auf Muskelkraft, Muskelwachstum oder Ausdauer ausüben. Oftmals bremst die Überdosierung den Effekt sogar.
Einige Studien zeigten sogar, dass ein Zusammenhang zwischen verabreichten Antioxidantien aus Nahrungsergänzung und Krebserkrankung besteht. Es wird angenommen, dass ein gewisses Maß an freien Radikalen vorhanden sein muss, damit das Immunsystem funktioniert, Boten- und Signalfunktionen ausgeführt werden können.
Durch Nahrungsergänzungsmittel, welche viel zu hoch dosiert sind, wird auch die Niedrigkonzentration unterdrückt – wodurch sich der Effekt ins Gegenteil umkehrt. Und schließlich hat jedes zugeführte Ergänzungsmittel eine tolerierbarer Obergrenze, welche als Upper Intake Level (kurz UL) bezeichnet wird.
Sobald Nahrungsergänzungsmittel unkontrolliert und unbedacht eingenommen werden, steigt die Gefahr – dass für diesen Stoff der UL-Wert überschritten wird. Die Folge können dann gesundheitliche Nebenwirkungen sein, welche bei einfachem Durchfall beginnen, aber auch zu ernsthaften Erkrankungen führen können. Dass man Vitamin-Präparate in jeder Apotheke, jeden Supermarkt oder Drogerie kaufen kann – bedeutet nicht, dass diese harmlos sind.
Literatur
- Slavko Ivkovic (Autor), Antje Müller-Schubert (Autor), Steffen Hoffmann (Illustrator), Oxidativer Stress: Risikofaktor Nr. 1 für Ihre Gesundheit, ISBN: 978-3000131165*
- Shayaq Ul Abeer Rasool (Autor), Shajrul Amin (Autor), Oxidativer Stress und Antioxidantien: Von freien Radikalen zur Pathogenese von Krankheiten, ISBN: 978-6202821865*