Warum heißt es Babylon Berlin: Bedeutung und geschichtlicher Hintergrund
Die Krimi-Serie “Babylon Berlin” entführt die Zuschauer nach Berlin, in die Zeit zwischen den Weltkriegen – welche von Historikern als die goldenen zwanziger Jahre bezeichnet werden. Die Stadt strotz vom Wohlstand und ungeahnten Möglichkeiten. Aber hinter geschlossenen Türen und in dunklen Gassen zeigt die Stadt ein ganz anderes Gesicht. Diese dunkle Seite der Stadt knüpft an Schilderungen aus der Bibel an. Im Alten Testament wird Babylon, die Hauptstadt des Babylonischen Reiches, als Sündenpfuhl dargestellt.
So ist in der Offenbarung des Johannes, auch als Bücher der Apokalypse bezeichnet, von der Hure Babylon die Rede. Die Gründe für diese negative Darstellung Babylons liegen wahrscheinlich im Babylonischen Exil, als die Juden aus Jerusalem vertrieben worden, in Babylon für einige Jahrhunderte lebten und sich dadurch ihre Kultur verfremdete. Die zunehmende Assimilation zwischen jüdischer und babylonischer Kultur sollte verhindert werden, indem Gottesstrafen im Judentum eingeführt worden, welche auch das Christentum übernahm. Die Sünde wurde Gegenstand der Bibel und Babylon als Ort der Sünde erklärt. In der Fernsehserie Babylon Berlin werden Parallelen zum Berlin der 1920er Jahre gezogen.
Inhalt
Was passiert bei Babylon Berlin
Es ist das Jahr 1929. Die Weimarer Republik befindet sich kurz vor ihrem Untergang und Berlin ist ein pulsierender Treffpunkt für Kunst, Kultur und Unterhaltung. Allerdings steigt auch die Kriminalitätsrate drastisch an, weil verschiedene Organisationen die zunehmenden Wirtschaftsprobleme ausnutzen, um ihre Macht auszubauen.
Der frisch aus Köln versetzte Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) soll wieder für Ordnung in den Straßen sorgen. Bereits sein erster Auftrag führt ihn tief in den Sumpf des Verbrechens. Rath soll zusammen dem Oberkommissar Bruno Wolter (Peter Kurth) einen Pornoring zerschlagen, der von der Mafia geführt wird. Das erweist sich aber als schwieriger als gedacht, denn die Mafia hat überall Ohren und Augen und scheint der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein.
Darüber hinaus hat Gereon seine ganz eigenen Probleme. Als Veteran des Ersten Weltkrieges wird er noch immer von grausamen Albträumen heimgesucht. Außerdem leidet er unter dem sogenannten Kriegszittern, das er nur unter Kontrolle bringen kann, indem er sich selbst mit starken Beruhigungsmitteln versorgt. Sein Suchtproblem wird zu einer Belastung, die er auch nur schwer vor seinen Kollegen verbergen kann.
Bei ihren Ermittlungen bekommen Kommissar Rath und Oberkommissar Wolter Unterstützung von der Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries). Aber während die junge Frau auf dem Polizeirevier eher als unauffällige, kluge Frau in Erscheinung tritt, führt auch sie ein Doppelleben. Denn Charlotte arbeitet nebenberuflich als Prostituierte. Davon weiß aber nur Oberkommissar Wolter, der zu ihren Stammkunden zählt und sie mit ihrem dunklen Geheimnis zu erpressen versucht.
Sowohl Gereon Rath als auch Charlotte Ritter müssen sich entscheiden, wem sie aus ihrem Umfeld trauen können und wer vielleicht selber nur ein weiterer Verbrecher in dem dunklen Sumpf von Berlin ist.
Warum heißt es Babylon Berlin
Die Serie “Babylon Berlin” basiert auf der Buchreihe von Volker Kutscher und dabei vor allem auf dem ersten Roman, der den Titel “Der nasse Fisch: Gereon Roths erster Fall” trägt. Allerdings fanden sowohl das Produktionsstudio X Film Creative Pool als auch ARD Degeto den Namen nicht griffig genug für eine Verfilmung. Der Name “Babylon Berlin” war dagegen deutlich ansprechender. Zum einen spielt der Name darauf an, welches Bild der Stadt in der Serie gezeigt wird.
In der Serie sieht man ein großes, facettenreiches Berlin, wobei die dunkeln Seiten wie beispielsweise der Waffenschmuggel, die Prostitution, tiefgreifende Korruption und sehr viel Gewalt in den Vordergrund gerückt werden. Tatsächlich ist diese Darstellung nicht allzu weit hergeholt.
Das Berlin der 1920er Jahre wird auch von Historikern häufig mit der biblischen Stadt Babylon verglichen. Die Stadt war für ihre Zeit überdurchschnittlich groß und ein früher Wirtschaftsaufschwung hatte dazu geführt, dass viele Menschen in die Hauptstadt zogen.
Von der Aussicht auf Wohlstand angelockt, kamen auch immer mehr Künstler und Entertainer nach Berlin. Unter anderem entstand in Berlin Mitte das Kino Babylon, das eines der größten Lichtspielhäuser der damaligen Zeit war und in der Serie auch eine wichtige Rolle spielt.
Aber auch viele Varieté-Theater und Nachtclubs wurden zu dieser Zeit in Berlin eröffnet, um junge, abenteuerlustige Erwachsene und Mitglieder der Arbeiterschicht anzulocken, die ihren stressigen Alltag für ein paar Stunden vergessen wollten. Allerdings hatten viele dieser Häuser einen zwielichtigen Ruf, weil einige von ihnen als Fassade für kriminelle Geschäfte verwendet wurden. Bei anderen Häusern wurden dagegen Sittenregeln abgelegt und sie waren regelrechte Lasterhöhlen, in denen man so ziemlich alles finden konnte, was man suchte.
Berlin wurde außerdem oft mit Babylon verglichen, da Architektur und der Hang zu Ornamenten ähnlichen Aufschwung erhielten. Die im Jugendstil errichteten Gebäude wirkten pompös und fast schon grenzenlos, weil sich die Architekten zur damaligen Zeit gegenseitig immer übertreffen und durch ein neues, faszinierendes Gebäude zu Ruhm gelangen wollten.
Die Serie soll mit dem Verweis auf Babylon aber auch auf den drohenden Verfall der Stadt anspielen, den Berlin erst durch die Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 und später durch das Erstarken der Nazi–Diktatur und den Zweiten Weltkrieg erfährt.
Berlin der 1920er und das das antike Babylon
Während der Antike bzw. des Altertums entwickelten sich in Vorderasien verschiedene Kulturen. Das Land zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, bot ausreichend Schwemmland, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. In diesem Zweistromland, auch Mesopotamien genannt, entwickelten sich Kulturen – wie die Sumerer, die Assyrer oder die Babylonier.
Das antike Babylon, das zwischen 1770 vor Christus und 320 vor Christus existierte, war das Zentrum des babylonischen Reiches und befand sich ca. 90km südlich des heutigen Bagdads. Die am Euphrat gelegene Stadt soll laut Schätzungen von Forschern und Historikern zwischen 890ha und 900ha groß gewesen sein und zu seiner Hochzeit über 200.000 Menschen beheimatet haben. Damit gilt Babylon als die größte Stadt der Welt zu ihrer Zeit.
Durch seine günstige Position direkt an einem der Flüsse, die als Hauptverkehrsstraße für Händler und ihre Waren genutzt wurde, konnte Babylon wirtschaftlich florieren und eine stabile Machtposition aufbauen. Unter anderem kämpfte Alexander der Große 331 vor Christus um die Herrschaft über Babylon und gewann schließlich auch. Nach seinem Sieg entschied er, dass die Stadt sein Regierungssitz werden sollte, bis er schließlich 321 vor Christus verstarb.
Die Größe der Stadt und ihre Lage machten sie nicht nur zu einem wichtigen Wirtschaftsknotenpunkt, sondern luden auch viele Reisende ein, die großen Gebäude und die prunkvoll ausgestatteten Tempel der unterschiedlichen Gottheiten zu besichtigen. Immerhin befand sich mit den hängenden Gärten eines der sieben Weltwunder mitten in Babylon. Die gewaltigen Stadtmauern wurden von der Semiramis, einer Königin und Heldin – welche wohlmöglich ganz Asien regierte erbaut. Die Hängenden Gärten am Flussufer des Euphrat sollten Babylon schützen, wurden aber vollständig zerstört.
Der Strom an Reisenden, die Babylon besuchten, sorgte auch dafür, dass viele Lokalitäten errichtet wurden, in denen die Menschen sich entspannen, erholen und unterhalten lassen konnten. Es gab viele Plätze, an denen Schausteller ihre Auftritte absolvierten und die Stadt soll ein ausschweifendes Nachtleben geboten haben. Entsprechend hoch soll aber auch die Kriminalität in Babylon gewesen sein.
Das alleine hätte aber nicht ausgereicht, um der Stadt den schlechten Ruf zu geben, den das antike Babylon auch heutzutage noch hat. Es waren die Juden und später die Christen, welche Babylon als Sinnbild für alles Schlechte und alles Gotteslästerliche darstellten. Das lag unter anderem daran, da die Christen sich mit ihrem damals noch jungen Glauben in der Weltmetropole einfach nicht gegen andere vorherrschende Religionen durchsetzen konnten. Die Bevölkerung lehnte es ab, an einen einzigen Gott zu glauben, von dem sie auch keinerlei Abbildungen oder Götzen zu sehen bekamen. Außerdem wurde das Königreich Juda, welches als vereintes jüdisches Reich galt, im Jahr 597 v. Chr. durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar II. erobert. Damals wurde Jerusalem zerstört und die Juden gingen ins babylonisches Exil. Die Darstellung des Alten Testaments verweist auf diese Zeit als eine Zeit der Sünde in der jüdischen Geschichte.
Als dann Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth das Reich Gottes verkündeten, klagten sie die Zweifler, Gotteslästerer und Sünder an. Das Babylon aus dieser Vorzeit wurde zum Feindbild erklärt, an welchem man den Verfall eines Reiches und deren Bürger darstellen konnte. Beide Propheten des Judentums sollten das Himmelreich ankündigen. Doch der historische Jesus wurde auch als Messias und Nachfolger König Davids erklärt, welcher das Königreich Juda und das Königreich Israel wieder vereinigen sollte und somit den Juden ihr Gesamtreich Judäa zurückgeben sollte. Damit sollte die babylonische Zeit der Teilung endgültig überwunden werden.
Die Anhänger Jesu glaubten an den Erlöser, lösten sich vom Judentum ab und gründeten mit dem Christentum eine neue Weltreligion. Der König der Juden wurde zu Jesus Christus erklärt, was übersetzt Jesus der Gesalbte bedeutet. Dieser Jesus Christus ist seither die Symbolfigur des Glaubens im Christentum. Im Judentum glaubt man nicht, dass Jesus der Messias war und wartet weiterhin. Doch beide Weltreligionen sehen in der babylonischen Zeit eine Epoche, welche es zu überwinden galt.
Babylons Fall
Im Alten Testament wird der der Verfall Babylons an einem Ereignis, nämlich dem Fall vom Turm von Babel festgemacht. Laut biblischer Überlieferung sollen die Menschen am Anfang alle die gleiche Sprache gesprochen haben. Durch die Machtposition der Stadt und den Reichtum Babylons sollen die Menschen so hochmütig geworden sein, dass sie etwas bauen wollten, mit dem sie selbst bis in den Himmel vorstoßen konnten.
Die Christen schrieben in der Bibel, dass Gott aus dem Himmel hinab auf die Stadt und den Bau des gewaltigen Turms geblickt hat und Angst bekommen haben soll. Er befürchtete, dass sich die Menschen auflehnen und gegen ihn rebellieren könnten, wenn sie es erst einmal schaffen würden, mit ihrem Bauwerk wirklich bis zum Himmel hochzugelangen.
Um das zu verhindern, verwirrte er die Sprache der Menschen, sodass niemand mehr die Sprache des anderen verstehen konnte. Außerdem sorgte er dafür, dass die Menschen nicht an einem einzigen Ort mehr wahren, sondern in kleinen Gruppen über die ganze Welt verstreut wurden. Das ist die biblische Erklärung dafür, dass die Menschen heutzutage unterschiedliche Sprachen sprechen und verschiedene Völker auf der Erde existieren.
Tatsächlich ist die Geschichte vom Turm zu Babel allerdings nur eine weitere Maßnahme der Christen und Juden gewesen, um das Sinnbild der Sündenstadt Babylon zu festigen.
In der Offenbarung wird dann schließlich von der “Hure Babylon” gesprochen, die die Mutter alles Schlechten sein soll und die Menschen einfach nur verderben und vom rechten Glauben – also vom Glauben an Gott – abbringen will. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um die fleischgewordene Form alles Schlechten, was nach religiöser Auffassung in Babylon einst gelebt hat und was nun auf der Welt existiert, um andere Städte ebenfalls zu verderben, wenn sie nicht den Gottesgesetzen folgen.
Die frühen Weltreligionen wollten mit der Figur der Hure Babylon ein Schreckgespenst darstellen, das den Menschen Angst einjagen soll. Entsprechend wird die Figur auch als Frau in lasziver Kleidung dargestellt, die auf einem Drachenwesen mit mehreren Köpfen reitet und immer einen Kelch mit berauschenden Getränken bei sich trägt.
Die Versinnbildlichung der Stadt Babylon als Zentrum alles Schlechten zog sich seitdem durch die vorchristlichen Kulturkreise und wird auch heutzutage immer noch verwendet, um einen Ort, eine Veranstaltung oder dergleichen negativ zu bewerten. Zieht man Vergleiche zu Babylon, möchte man ausdrücken, dass ein Ort oder beispielsweise ein Club sündhaft ist und einen schlechten Einfluss auf die Menschen haben könnte, die ihn besuchen. Die Serie Babylon Berlin zeigt diesen Sündenpfuhl.