Wofür steht Ägypten in der Bibel
Ägypten spielt vor allem im Alten Testament eine große Rolle und ist auch historisch eng mit dem Judentum und den daraus entstehenden Religionen wie Christentum und Islam verbunden. Die Beziehung der einzelnen biblischen Figuren zu den Ägyptern und somit meist zu deren Pharao ändert sich sowohl aufgrund der in Ägypten bestehenden Verhältnisse als auch wegen der Haltung der jeweiligen biblischen Figur und des Verfassers der jeweiligen Bibelpassage zu Ägypten.
Inhalt
Ägypten als Zufluchtsort des Patriarchen Abraham
Abraham gelangt wegen einer Hungersnot nach Ägypten. Hier ist Ägypten also Zufluchtsort für den biblischen Patriarchen. Da der Pharao Abrahams Frau, die jener als seine Schwester ausgibt, begehrt, ist er gegenüber beiden sehr gastfreundlich. Das erregt Gottes Missfallen. Der Pharao wird von Gott gestraft und tadelt daraufhin seinerseits Abraham: „Was hast du mir da getan? Warum hast du mir nicht mitgeteilt, dass sie deine Frau ist? Warum hast du gesagt: Sie ist meine Schwester, sodass ich sie mir zur Frau nahm? Und nun siehe, da ist deine Frau, nimm sie und geh hin.“ (1. Mose 12, 18 f.)
Interpretation Abrahams Begegnung mit dem Pharao
Ägypten und dem Pharao kommt hier eine recht ambivalente Rolle zu. Einerseits findet Abraham beim Pharao Zuflucht und erhält „Kleinvieh und Rinder und Esel und Knechte und Mägde und Eselinnen und Kamele“ (1. Mose 12, 16), andererseits versucht der Pharao Abraham die Frau streitig zu machen – allerdings aus Unwissenheit.
Bei dem beschriebenen Pharao wird es sich vermutlich um einen Herrscher der 12. Dynastie handeln, was Sesostris I., der von 1919–1875 v. Chr. herrschte und als einer der bedeutendsten und fortschrittlichsten Pharaonen gilt, am wahrscheinlichsten macht.
Ägypten als Sklavenort des Josef
Josef, einer der zwölf Söhne Jakobs, wird von seinen Brüdern wegen seiner prophetischen Träume als Sklave nach Ägypten verkauft. Dort dient er im Haus Potifars, des obersten Leibwächters des Pharaos. Als Potifars Frau Josef aus verschmähter Liebe der Vergewaltigung bezichtigt, wird Josef ins Gefängnis gesteckt. Auch hier macht er sich als Traumdeuter einen Namen und wird letztlich dem Pharao empfohlen, den prophetische Träume plagen.
Josef deutet die Träume dahingehend, dass auf sieben Jahre des Überflusses sieben Jahre der Dürre und eine Hungersnot folgen werden. Josef erreicht so ein hohes Amt und sorgt dafür, dass für die Jahre der Dürre Speicher angelegt werden. Als dann Josefs Brüder wegen der Hungersnot in Ägypten Hilfe suchen, lässt Josef sie zunächst der Spionage bezichtigt einsperren. Als Josef erkennt, dass seine Brüder sich gewandelt haben, gibt er sich zu erkennen und lässt seine ganze Familie nach Ägypten holen, wo er die eskalierende Hungersnot in den Griff bekommt. Aus Dank lässt der Pharao Jakob ein Staatsbegräbnis zukommen und weist den Söhnen das Nildelta als Weideland zu.
Interpretation der Josefsgeschichte
Auch wenn Josef als Sklave nach Ägypten kommt, ist das Land in seiner Geschichte durchaus positiv besetzt. Die Ägypter treten als edle Heiden auf. Einzig Potifars Frau fungiert als feindliche Figur und das weniger wegen einer negativen Darstellung Ägyptens in der Bibel, sondern wegen der sich durch die gesamte Bibel ziehenden Frauenfeindlichkeit. Am Ende wird Ägypten sogar zum Zufluchtsort für die zwölf Stammväter der zwölf Stämme Israels.
Die ungewöhnlich positive Darstellung Ägyptens, die in krassem Gegensatz zu späteren Erzählungen steht, lässt sich historisch erklären, denn Josefs Zeit in Ägypten dürfte in die 15. Dynastie fallen. Damals stand Ägypten unter der Fremdherrschaft der Hyksos. Wie die Bezeichnung Hyksos („Hirten“) schon nahelegt, waren diese Besatzer wie die Hebräer und anders als die Ägypter Hirten und keine Bauern. Höchstwahrscheinlich ist der Pharao in der Josefsgeschichte also kein Ägypter, sondern Apophis I., der von 1574–1534 v. Chr. regierte und von den Ägyptern wenig schmeichelhaft nach ihrem Gott des Chaos und der Zerstörung, der Verkörperung des Bösen benannt wurde.
Ägypten als der polytheistische Gegenpol
Obgleich in der Bibel nicht erwähnt, ist Echnaton (14. Jahrhundert vor Chr.) doch von entscheidender Bedeutung für das Verständnis des Verhältnisses zwischen Hebräern und Ägyptern. Echnatons Herrschaft brachte nämlich die erste historisch verbürgte monotheistische Religion (Monotheismus = Glaube an einen einzigen Gott) hervor und schon Sigmund Freud (1856-1939) und später auch Jan Assmann (*1938) vermuteten einen Zusammenhang zwischen dem ägyptischen Aton-Glauben und der Entstehung des Judentums.
In der Tat weisen ägyptische Mythologie, Aton-Glaube und frühes Judentum starke Parallelen auf. Echnatons Glaubensreform konnte sich bei seinen Landsleuten jedoch nicht durchsetzen und wurd von späteren Herrschern mit aller Härte bekämpft. Das wiederum könnte erklären, warum die Hebräer, die den Monotheismus übernommen hatten, Ägypten im weiteren Verlauf biblischer Erzählungen als DEN Gegenpol zu ihrem Glauben darstellten.
Exodus: Auszug der Israeliten aus Ägypten
In der 19. Dynastie musste sich das Verhältnis zwischen den nun als Sklaven in Ägypten lebenden Hebräern und den Ägyptern selbst stark gewandelt haben. Der damalige Pharao befahl gar die Tötung der Erstgeborenen der immer zahlreicher werdenden Hebräer. Das veranlasste eine Hebräerin dazu, ihren Sohn in einem Weidenkörbchen im Nil auszusetzen, wo er von der Königstochter gefunden wurde. Dies stellt übrigens eine starke Parallele zur Geschichte von Anubis in der ägyptischen Mythologie dar. Die Amme, die das Kind säugt, ist sogar dessen leibliche Mutter. Die Königstochter zieht das Kind wie ihren Sohn groß und gibt ihm den Namen Mose.
Später verteidigt Moses einen hebräischen Sklaven gegen einen ägyptischen Aufseher, den er tötet. Daraufhin muss er in die Wüste fliehen, wo er mit seinen Geschwistern Aaron und Miriam zusammentrifft, und kehrt Jahre später als Führer seines Volkes zurück, um den Auszug der Israeliten aus Ägypten zu fordern. Diesen verweigert der Pharao. Gott bringt mehrere Plagen über Ägypten. Die letzte, der Tod der Erstgeborenen Ägyptens, lässt den Pharao zunächst einknicken. Er lässt die Israeliten ziehen, nur um sie wenig später zu verfolgen. Auf der Flucht teilt Mose das Rote Meer und lässt es über den nachsetzenden Ägyptern wieder zusammenbrechen.
Analyse des Exodus
Exodus bezeichnet sowohl das zweite Buch Mose als auch den Auszug der Israeliten selbst, der darin behandelt wird. Der Pharao Ägyptens wird auch im Exodus nie namentlich genannt, und häufig werden daher der Pharao, der den Befehl zur Tötung der Erstgeborenen gab, und der, der während des Auszugs herrscht, als Vater und Sohn gesehen. Häufig wird Mose sogar als Adoptivbruder des zweiten Pharaos dargestellt. Möglich. Allerdings wird Israel als eigenständiges Volk erstmals unter Merenptah (regierte von 1213–1204 v. Chr.) erwähnt.
Dessen Vorgänger war Ramses II. (1303-1213 v. Chr.) und der regierte satte 66 Jahre und überlebte nicht nur seinen Erstgeborenen, sondern viele seiner Kinder. Vermutlich ist der Pharao im Exodus, der im Grunde der Widersacher der Israeliten schlechthin ist, Ramses II. und zwar durchgehend. Möglich wäre aber auch, dass Mose noch zur Regierungszeit Sethos I. (1323-1279 v. Chr.) geboren wurde.
Ägypten wird im Exodus vom Zufluchtsort zum Inbegriff des Bösen. Der Pharao wird als Tyrann gezeichnet, der Kinder töten lässt und von Gott mit Starrsinn gestraft wird. Es ist zweifelhaft, dass der echte Ramses II. je die Gräuel befahl, die ihm die Bibel andichtet. Ägypten wird zum Sinnbild für die alten Götter, die es zu Überwinden gilt. Der Auszug aus dem Land der Heiden ist gleichsam eine Lossagung vom Polytheismus.