Was ist Neokolonialismus: Definition, Kritik und Bedeutung
Neokolonialismus (altgriechisch neo = neu) bzw. Neuer Kolonialismus entstand im 20. Jahrhundert und beschreibt das Verhältnis zwischen den früheren Kolonialmächten und den damaligen Kolonien. So üben die vergangenen Kolonialmächte, welche heute Industrienationen sind, weiter Einfluss auf die ehemaligen Kolonien aus, welche heute als Entwicklungsländer oder Schwellenländer bezeichnet werden.
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Was ist Neokolonialismus: Definition und Bedeutung
Neokolonialismus ist eine moderne Form des Kolonialismus, bei der ehemalige Kolonialmächte oder neue Hegemonialstaaten entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Belange anderer unabhängiger oder dekolonisierter Nationen ausüben.
Der Begriff ist ein Neologismus (Neuprägung), der sich aus der Vorsilbe „neo-„, abgeleitet vom griechischen o (néos), das „neu“ bedeutet, und „Kolonialismus“ zusammensetzt, der sich auf das Regime der Vorherrschaft eines eindringenden Landes über eine Region bezieht.
Der Kolonialismus als Vorreiter zum Neokolonialismus
Kolonien des 18. und 19. Jahrhunderts waren hauptsächlich in Afrika, welche von den europäischen Staaten (Kolonialmächten) gegründet worden waren, um dort Rohstoffe, Arbeitskräfte und Kulturgüter zu schöpfen oder um wichtige Handelspunkte zu kontrollieren. Das Streben Europas zur Bildung der Kolonien wird als Epoche des Imperialismus bezeichnet (1870 bis 1914), deren Konkurrenzkampf im Ersten Weltkrieg gipfelte.
Der Ursprung dieses Kolonialismus ging von Portugal und Spanien aus. Dieser begann bereits mit der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 und der Verheißung nach neuen Rohstoffen, allen voran Gold. Im Jahr 1494 wurde der Vertrag von Tordesillas geschlossen, in welchem sich Portugal und Spanien den neuentdeckten Kontinent aufteilten. Auf Grundlage dieses Vertrages wurde ein Spanisches Weltreich geschaffen, welches den Westen Südamerikas, ganz Mittelamerika und den Süden Nordamerikas einschloss. Dieser Vorgang wurde als Kolonialisierung bezeichnet.
Die Portugiesen errichteten zuerst nur Stützpunkte in Amerika, um mit den Einheimischen, lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen. Am 22. April 1500 nahm der portugiesische Seefahrer Pedro Álvares Cabral das Gebiet des heutigen Brasiliens in Besitz.
Für den Abbau der Rohstoffe in den neuen Kolonialreichen brauchten die Spanier und Portugiesen dringend Arbeitskräfte bzw. Sklaven. Deshalb wurden neue Gebiete in Afrika erobert, um dort Menschen zu versklaven, welche in die neue Welt exportiert werden sollten.
Die größte englische Kolonie war die USA, welche sich 1776 mit der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung vom Mutterland lösen wollte. Die Kolonialmacht der Niederlande beschränkte sich auf Indien, Südostasien und kleinere Teile Südamerikas (z.B. Surinam). Da Deutschland erst 1871 ein Nationalstaat wurde, besaßen die Deutschen keine Kolonien Amerika, stiegen aber in den Wettstreit um Afrika am Ende des 19. Jahrhunderts ein. Diese Phase wird als Wettlauf um Afrika bezeichnet, welche dann zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte.
Unterschied zwischen Kolonialismus und Neokolonialismus
Der grundlegende Unterschied zwischen Neokolonialismus und Kolonialismus besteht darin, dass der Kolonialismus ein politisches System war, in dem eine Militärmacht eine direkte politische, wirtschaftliche und kulturelle Dominanz über andere Gebiete ausübte, während der Neokolonialismus die Innenpolitik, Wirtschaft und Kultur anderer – theoretisch unabhängiger – Staaten beeinflusste, ohne eine direkte Dominanz auszuüben.
Nach dieser Auffassung ist der Neokolonialismus ein politisches System, das auf der indirekten Dominanz von Großmächten über andere, weniger entwickelte Staaten beruht und weitgehend durch geopolitische, wirtschaftliche und militärische Überlegenheit bestimmt wird. Die neokoloniale Provinz ist abhängig vom wirtschaftlich stärkeren Staat, wodurch der Einfluss zustande kommt. Oder die Kolonie benötigt Schutz vom größeren Staat, da ihnen die eigene militärische Sicherheit fehlt. In diesem Zusammenhang wird oft vom Satellitenstaat gesprochen.
Auf diese Weise wird der Neokolonialismus als eine moderne Version der alten Idee des Kolonialismus betrachtet. Organisationen wie das Commonwealth (eine britische Institution, in der eine Reihe von Nationen zusammengeschlossen sind, die einst britische Kolonien waren) können daher als neokolonial eingestuft werden.
Was ist eine neokoloniale Weltordnung
Dieses Modell der Weltordnung soll den Einfluss beschreiben, welchen die Industrienationen in der Dritten Welt ausüben. Dabei treten einflussreiche Staaten, welche während des Kalten Krieges als Supermächte bezeichnet worden, als Macht auf, um Ordnung über Gebiete herzustellen oder zu bewahren, welche unter ihrem Einfluss stehen.
Mit dem Fall der Sowjetunion wurde das Konzept der Supermächte und deren Satellitenstatten aufgeben und durch neokoloniale Weltordnung ersetzt, welche anstelle von militärischer Dominanz auf Abhängigkeit auf Sicherheit, Wirtschaftsleistung oder Wohlstand setzt. Allerdings wird diese Autorität häufig von einer internationalen Organisation oder einer multilateralen Organisation und nicht von einem Staat ausgeübt. (z.B. NATO, Vereinte Nationen, Welthandelsorganisationen)
Geschichte des Neokolonialismus
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Neokolonialismus zum Thema (etwa in den 1950er Jahren). Das Wort wurde verwendet, um die vielen Arten von sozialer, politischer, kultureller und vor allem wirtschaftlicher Abhängigkeit zu beschreiben, die ehemalige Kolonialregierungen ihren ehemaligen territorialen Eroberungen in Asien und insbesondere in Afrika auferlegen konnten.
In Wahrheit durchlief der Kolonialismus nach dem Zweiten Weltkrieg eine Krise bzw. einen Übergang und versuchte, sich an die neuen Zeiten anzupassen, indem er sich als Zeugnis der Hilfe, Unterstützung oder sogar Partnerschaft „tarnte“.
Die politische Dominanz über die Kolonien war für die europäischen Regierungen nicht mehr von Vorteil. Es war weitaus vorteilhafter, starke finanzielle und kommerzielle Beziehungen zu Regierungen aufzubauen, die zuvor koloniale Untertanen gewesen waren.
Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Vereinigte Königreich, dessen finanzielle Lage in den Nachkriegsjahrzehnten stark angeschlagen war. In der Nachkriegszeit schuf es mit seinen Kolonien Wirtschafts- und Finanzinstitutionen, um seine Dollarschulden zu begleichen. Dieselben Mechanismen dienten später als Grundlage für die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den ehemaligen Kolonien, die ihre Unabhängigkeit erlangten, und der kolonisierenden Macht.
In der Tat wurden ab dem Entkolonialisierungsprozess mit diesen Regierungen kommerzielle und politische Abkommen ausgehandelt, um die Struktur und das Wachstum der ehemaligen Kolonien zu steuern. Viele Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass der Übergang vom Kolonialismus zum Neokolonialismus auf diese Weise erfolgt. Demnach ist der Übergang vom Kolonialismus zum Neokolonialismus ein Weg, weck von der sichtbaren Kontrolle (Kolonialismus) hin zu einer Kontrolle, die immer noch sehr mächtig, aber verschleiert ist (Neokolonialismus).
Unterschied zwischen Neokolonialismus und Landgrabbing
Ein weiterer wichtiger Faktor, den es bei der Auseinandersetzung mit neokolonialen Herausforderungen zu berücksichtigen gilt, ist das Phänomen der Landnahme (land grabbing).
Landraub ist ein umstrittenes wirtschaftliches und geopolitisches Phänomen, bei dem große private Investoren oder ausländische Regierungen landwirtschaftliche Flächen in unterentwickelten Ländern erwerben. Dabei handelt es sich um ein altes Phänomen, das in der heutigen globalen Wirtschaftsarchitektur auf einzigartige Weise neu erfunden wurde.
Das Ziel des Land Grabbing ist es, von den Ressourcen (Landwirtschaft, Energie oder Handel) zu profitieren, die diese Grundstücke bieten können, indem sie im Laufe der Zeit gekauft und verkauft oder vermietet werden.
Während der Finanzkrise 2007-2008 sahen sich mehrere Länder, die über Geldmittel verfügten, gezwungen, die Produktion auszulagern, um die lokale Nachfrage zu decken. Infolgedessen hat das Land Grabbing epische Ausmaße angenommen. Diese ungeregelte und exponentielle Nutzung führt zu einer drastischen Ausbeutung des Bodens mit katastrophalen Folgen für die Ökosysteme und die darin lebenden Gemeinschaften, angefangen bei der Verschmutzung und dem Verlust der biologischen Vielfalt bis hin zu einer irreversiblen Verschlechterung.
Der Landraub spiegelt die historische Realität der Landausbeutungsmethoden des europäischen Kolonialismus im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert sehr genau wider. Allerdings weist er aufgrund der sich verändernden historischen Bedingungen der Globalisierung, wie oben erwähnt, deutlich andere Merkmale auf als früher. Zu den Unterschieden gehören:
- Die Institutionalisierung: Es sind nicht mehr nur die Nationen, die diese Angelegenheiten überwachen, sondern vor allem riesige multinationale Konzerne.
- Die Proportionen: Aufgrund der Globalisierung ist das Ausmaß des Phänomens wesentlich größer.
- Die Funktionsweise: Es gibt keine staatliche Kontrolle mehr, sondern nur noch Handelsbeziehungen, die die Landausbeutung regeln.
Der französische Neokolonialismus und Afrika
Frankreich begann mit der Kolonialisierung Amerikas circa 50 Jahre später als die Spanier und Portugiesen. Neufrankreich war ursprünglich ein Gebiet in Nordamerika, welches sich im Osten der heutigen USA und Kanada erstreckte und zwischen 1534 und 1763 in Besitz genommen wurde. Später wurden alle französischen Kolonien unter diesem Begriff zusammengefasst.
Im Siebenjährigen Krieg, welcher sich zwischen 1754 und 1763 ereignete, kämpften Frankreich und England um das Gebiet in Nordamerika. Am Ende des Krieges musste Frankreich zahlreiche Kolonien an England abtreten, was im Pariser Friedensabkommen von 1763 festgehalten wurde.
Doch der Siebenjährige Krieg führte auch zur Auflösung der Britischen Kolonien. Denn der Krieg verschlang riesige Steuereinnahmen, welche die Briten aus ihren Kolonien in Nordamerika generierten. Dies führte zur Auflehnung der Einwohner in diesen Gebieten, weshalb sich diese im Jahr 1776 für unabhängig erklärten, sich vom englischen Mutterland lösten und die Vereinigten Staaten von Amerika gründeten. Frankreichs letzte Kolonien verkaufte Napoleon Bonaparte 1803 an die neu gegründete USA im sogenannten Louisiana Purchase.
Durch das Scheitern in der Neuen Welt zogen die Franzosen ihre Bestrebungen um Amerika zurück und begannen ab 1830 mit einer Kolonialpolitik, welche sich auf Afrika und Indochina bezog. Das Gebiet Französisch-Indochina, welches heute die Staaten Laos, Kambodscha und Vietnam umfasst, wurde 1887 gegründet und bestand bis zum Ende des Indochinakrieges 1954.
In Afrika unterhielt Frankreich die meisten Kolonien, wodurch die Franzosen zur zweitgrößten Kolonialmacht – nach England – aufstiegen. Wichtige Gebiete in Nordafrika waren Algerien, Marokko, Ägypten und Tunesien, welches als Französisch-Nordafrika bezeichnet wurde. Ägypten wurde 1798 von Napoleon erobert, aber bereits 1801 zurückerobert und wieder ins Osmanische Reich eingegliedert. Algerien erreichte seine Unabhängigkeit erst 1962.
Französisch-Westafrika bestand zwischen 1895 und 1960 und umfasste die Staatsgebiete von Senegal, Mauretanien, Mali, Guinea, Benin und die Elfenbeinküste. Ebenfalls bis 1960 existierte das Gebiet Französisch-Äquatorialafrika, welches die Staatsgebiete des Gabun, der Republik Kongo, der Zentralafrikanische Republik und des Tschad umfasste. 1960 lösten sich auch Kamerun, Madagaskar und Togo von der französischen Kolonialmacht ab und wurden unabhängig. Das Staatsgebiet von Dschibuti im Osten Afrikas, wurde ab 1867 als Französisch-Somaliland bezeichnet und erlangte erst 1977 seine Unabhängigkeit
Diese späte Entkolonialisierung führte zu einer Neokolonialisierung. Noch heute spricht man in weiten Teilen Afrikas Französisch. Außerdem hat Frankreich im Laufe seiner Geschichte immer wieder radikalere Unabhängigkeitsbewegungen unterdrückt. Aufgrund dieser Merkmale ist das französische neokoloniale System im Laufe der Zeit relativ stabil geblieben.
Die Organisation Commune Africaine et Mauricienne (OCAM), der die Mehrheit der französischsprachigen afrikanischen Staaten angehört, wurde 1965 gegründet. Ziel der OCAM war nicht die Integration der Volkswirtschaften der Mitgliedsländer, sondern die Aufrechterhaltung einer engen Beziehung zu Frankreich durch Rationalisierung und Zentralisierung der gesamten Wirtschaft. In Wirklichkeit exportieren die OCAMM-Länder mehr nach Frankreich oder in die Europäische Union als in ihre afrikanischen Partnerländer.
Dasselbe Argument lässt sich für Währungsinstitutionen wie die Banque centrale des États de l’Afrique de l’Ouest und die Banque centrale des États de l’Afrique equatoriale et du Cameroun anführen, die dank der Handelsabkommen, die den Verkehr französischer Waren erleichtern, im Wesentlichen unter der Kontrolle Frankreichs stehen.
Zusammenhang zwischen Neokolonialismus und Tourismus
Obwohl kaum darüber gesprochen wird, gibt es eine Beziehung zwischen Neokolonialismus und Tourismus. Trotz der Ungeheuerlichkeit des Phänomens und der enormen Zahl von Menschen, die jedes Jahr reisen, wird der Einfluss von Reisen und Tourismus auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Kulturen, insbesondere in den Ländern der Dritten Welt (ehemalige Kolonialstaaten), von der breiten Öffentlichkeit immer noch selten verstanden.
Obwohl der Tourismus bedeutende wirtschaftliche Möglichkeiten bietet, bedeutet das Wachstum des Tourismus in den Entwicklungsländern in den meisten Fällen, dass der wirtschaftliche Nutzen in die Ballungszentren und die begünstigten sozialen Schichten fließt, während die lokale Bevölkerung den gesamten Preis dafür zahlen muss. Demnach profitieren ausländische Investoren mehr vom Tourismus als die Bevölkerung der ehemaligen Kolonien. Außerdem werden die Wirtschaft und der Wohlstand des Landes abhängig von ausländischen Besuchern, wodurch eine neue Einflussnahme entsteht.