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Unterschied zwischen westlicher und östlicher Philosophie


Die „Liebe zur Weisheit“ – so die wörtliche Übersetzung des Begriffs „Philosophie“ – hat in den verschiedenen Teilen der Welt und zu unterschiedlichen Zeiten andersartige Ergebnisse des Denkens hervorgebracht. Obwohl im Bereich der westlichen Philosophie wie auch innerhalb der östlichen Philosophie jeweils starke Unterschiede festzustellen sind, gibt es doch grundlegende Abweichungen in den Fragestellungen, Betrachtungsweisen und Einstellungen zur Welt, welche die Philosophie des Westens von der des Ostens trennen.

Westliche und östliche Philosophie: Definition und Bedeutung

Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass im Glauben und Denken sich der Westen vom Osten bzw. der Osten vom Westen unterscheidet. Dies findet innerhalb Europas statt wie auch weltweit.

Die im Osten Europas entwickelte griechische Philosophie der Antike ist die Grundlage aller abendländischen Philosophie. Sie wurde vom westlich von Griechenland gelegenen Rom übernommen, aber dort abgewandelt und weiterentwickelt. Dies geschah nicht zuletzt durch das in Rom zu Einfluss gelangte Christentum.

Doch die kulturellen Unterschiede zwischen den Christen im Osten Europas und denen im Westen führte schließlich zur Trennung. Im sogenannten „Morgenländischen Schisma“ kam es zur Kirchenspaltung, und die orthodoxe Ostkirche trennte sich von der römisch-katholischen Kirche. Noch heute sind in Lebensweise und politischer Einstellung traditionelle Abweichungen zwischen Ost– und Westeuropa zu beobachten.

Allgemein sind aber bei der Unterscheidung zwischen westlicher und östlicher Philosophie einerseits die westlichen Denktraditionen hauptsächlich in Europa sowie im Amerika und Australien der weißen Einwanderer gemeint, andererseits die Kultur Asiens. Allerdings ist der Kontinent Asien ein so großer Raum, dass da auch wieder zu differenzieren ist.

Wie in Europa von Griechenland so ging in Asien der erste und grundlegende religiös-philosophische Einfluss vor vielen Jahrhunderten von Indien aus. Doch vor allem in China entwickelte sich eine eigene Tradition, die auf taoistischen, konfuzianistischen und buddhistischen Elementen beruht. Diese Denktradition beeinflusste u. a. Japan und bildete dort mit dem Schintoismus eine eigene japanische Kultur der Denk- und Lebensformen.

Die Grundlagen abendländischer Philosophie

In den griechischen Kolonien an der kleinasiatischen Küste des Mittelmeeres begann sich das Denken ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. von mythischen, religiös-sagenhaften Vorstellungen zu lösen. Es wurde versucht, durch vernunftgemäßes Denken die Fragen nach dem Ursprung des Kosmos und seiner zugrunde liegenden Gesetze zu klären.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Zentrum der klassischen Philosophie die Stadt Athen. Besonders Platon und Aristoteles erweiterten dort die Fragestellungen auf sämtliche Probleme des menschlichen Lebens. In der Neuzeit hat der deutsche Philosoph Immanuel Kant die Grundfragen abendländischer Philosophie folgendermaßen zusammengefasst:

  • „Was kann ich wissen?“ (Metaphysik, Erkenntnistheorie)
  • „Was soll ich tun?“ (Moral, Ethik)
  • „Was darf ich hoffen?“ (Religion)
  • „Was ist der Mensch?“ (Anthropologie)

Die Entwicklung der abendländischen Philosophie führte zu verschiedenen Grundrichtungen. Im Idealismus wurde alles, was ist, in Geist und Materie aufgeteilt. Im Materialismus wurde einzig und allein Materie als wirklich angesehen. Schon die alten Griechen Demokrit und Leukipp gingen davon aus, dass alles aus Atomen, den kleinsten Teilchen, besteht. Dadurch entwickelte sich im westlichen Denken und in den modernen Wissenschaften diese Vorstellung: Um alles erfahren zu können, müsse alles in kleinste Einzelheiten zerlegt und untersucht werden.

Die Grundlagen von Hinduismus, Daoismus, Konfuzianismus, Buddhismus und Schintoismus

In Indien wurde frühestes philosophisches Denken um ca. 1500 Jahre v. Chr. in den Schriften der Veden („Wissen“) aufgezeichnet. Hinduistische Denker entwickelten die Einheitslehre von Brahman und Atman. Atman ist die von allem Äußerlichen befreite Seele der Menschen sowie aller Wesen. Brahman ist die alles durchdringende universale Seele, die als Urgrund von allem Sein verstanden wird.

Die Einzelseele, Atman, geht in Brahman, die umfassende Seele der Welt, auf. Letztlich sind somit Atman und Brahman ein und dasselbe als das Seins- und Lebensprinzip der Welt, das alles durchdringt und prägt. Im Gegensatz zum Westen, wo geschichtlich gedacht wird – von einem Anfang zu einem Ende hin – wird in Indien wie im Fernen Osten zyklisch gedacht.

Alles ist in einem Kreislauf von Werden, Vergehen und erneutem Werden gefangen. So wurden Wiedergeburt und Seelenwanderung grundlegende Überzeugungen des Ostens. Die Weltordnung wird demnach bestimmt durch das Gesetz des Karmas. Das Karma des Menschen bestimmt die Gestalt seiner Wiedergeburt und richtet sich nach den Taten seines vorangegangenen Lebens.

Der in Indien entstandene, aber in China und weiteren Ländern Ostasiens einflussreich gewordene Buddhismus übernimmt und verfeinert die Lehre von Wiedergeburt und Karma, lehnt aber beständiges Sein wie die Seele ab. Alles ist nach buddhistischer Auffassung nur leidvolle Veränderung in einer Kette kausaler Ereignisse. Ziel ist es, den Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen durch das Eingehen ins Nirwana. Das ist das „Verwehen“ in der absoluten Leere des Nichts.

In China wurde die praktische Moral- und Staatsphilosophie des Konfuzianismus bestimmend. Ziel ist eine harmonische Ordnung im Kleinen wie im Großen, im Inneren des einzelnen Menschen, in der Familie und im Staat.

Die andere philosophische große, chinesische Schule ist der Daoismus, auch Taoismus genannt. Dao bedeutet „Weg“ und meint den richtigen Weg der Lebensführung. Ideal ist dabei das natürliche Geschehenlassen, das Nicht-Tun, als welches das Dao auch bezeichnet wird. Es heißt, dass durch dieses Nicht-Tun alles getan wird.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Weltanschauung ist die relative Weltsicht. Das heißt, Gewissheiten hinsichtlich unserer Erfahrungen und unserer Wertmaßstäbe werden in dieser Denkschule angezweifelt oder abgelehnt. Der Daoist bzw. Taoist vermeidet Widerstände und versucht, sich auf die jeweils einfachste und natürlichste Weise in Übereinstimmung mit der Ordnung des Kosmos zu bewegen.

Im Daoismus wie im Neukonfuzianismus ist die Yin-Yang-Lehre von Bedeutung. Yin ist das weibliche, weiche, dunkle, passive Prinzip von allen Dingen und Geschehnissen und Yang das männliche, feste, helle, aktive. Damit wird die untrennbare Verbindung aller Gegensätze zum Ausdruck gebracht. Es vollzieht sich im Kosmos ein steter Wandel zwischen Tag und Nacht, Freude und Leid, Ruhe und Bewegung und vielem mehr.

Auf der Grundlage der Ur-Religion der Japaner, dem Schintoismus oder „Weg der Götter“, wurde der Zen-Buddhismus mitbestimmend für die japanische Kultur. Der Schinto stiftet die kulturelle und politische Identität der Japaner durch Verehrung der Götter und animistische, d. h. alles für beseelt haltende, Rituale. Im Zen wird eine Lebenseinstellung nahe gelegt: das illusionslose Erleben des gegenwärtigen Augenblicks.

Unterschiede zwischen westlicher und östlicher Denktraditionen

  1. Im Westen ist ein Dualismus vorherrschend. Der Mensch sieht sich getrennt von der Welt. Diese besteht für ihn aus unzähligen Bestandteilen. – Im Osten werden jeweils Geist und Materie, Substanz und Energie, Tun und Geschehenlassen sowie die ganze Welt als eine Einheit gesehen.
  2. Im Westen herrscht die Analyse vor. Alles wird zerlegt, um Erkenntnis zu finden. – Im Osten wird nach einer Synthese von allem gesucht. Es werden nicht Einzelheiten in den Blick genommen, sondern eine Gesamtschau angestrebt.
  3. Im Westen wird alles sortiert und nach Unterschieden gesucht. – Im Osten wird den Gemeinsamkeiten von allem, was ist, nachgespürt.
  4. Das westliche Denken führte zur Aktivität, zum Handeln, Beherrschen, Gestalten der Welt. – Im Osten ist der Zusammenhalt und die Harmonie im einzelnen Menschen, im Staat, im Weltgeschehen das Hauptziel.
  5. Im Westen sind der Individualismus sehr wichtig und das eigene Selbst. – Im Osten sind der Kollektivismus maßgeblich und die Verneinung des Selbst, das letztlich als Illusion betrachtet wird.
  6. Im Westen will der Mensch die Natur und Welt beherrschen und sie sich untertan machen. – Im Osten soll der Mensch sich an Natur und Welt anpassen, was Natur und Welt in Harmonie mit den Menschen bringt.
  7. Im Westen herrschen Fortschritt, ständige Neuerung (Modernisierung), Revolution vor. – Im Osten sind Kreislauf, Beständigkeit, Evolution von herausragender Bedeutung.

Zusammenfassung

Im Westen werden die Bäume gesehen – im Osten wird der Wald betrachtet. Im Westen ist der Intellekt vorherrschend – im Osten die Intuition gleich wichtig. Im Westen geht es so gut wie nur noch um Wissen – im Osten auch noch um Weisheit. Im Westen wollen Menschen vor allem rational, individuell und frei sein – im Osten wollen sie auch spirituell, gemeinschaftsorientiert und im richtigen Maße gut angepasst sein.


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