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Bedeutung der Varusschlacht für die deutsche Geschichte


Bedeutung der Varusschlacht für die deutsche Geschichte

Briefmarke zum Jubiläum 2000 Jahre Varusschlacht, Bildnachweis: Mirt Alexander / Shutterstock.com


Den Beginn der deutschen Geschichte markiert die Thronbesteigung von Otto I., welcher ab 962 zum ersten römisch deutschen Kaiser ernannt wurde. Mit seiner Ernennung wurde das Heilige Römische Reich begründet, welches als Nachfolgereich des Römischen Reiches das christliche Abendland beschützen sollte. Da die Kaiser des Reiches gleichzeitig deutsche Könige waren, wurde ab dem 15. Jahrhundert auch der Begriff Heiliges Römisches Reich Deutscher Nationen gebraucht. Doch den eigentlichen Ursprung deutscher Geschichte sehen einige bereits im Sieg bei der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr., als germanische Stammesverbände sich sieghaft gegen Legionen des Römischen Reiches behaupteten.

Erwähnung der Varusschlacht in Deutschland ein Wintermärchen

Der deutsche Dichter Heinrich Heine ((1797–1856) schrieb im Jahr 1844 einen satirischen Versepos mit dem Titel „Deutschland. Ein Wintermärchen“. In diesem Werk macht er auf Missstände während der deutschen Restauration aufmerksam.

Jene Zeit, zwischen dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches (1806) und der Gründung des deutschen Kaiserreiches (1871), war geprägt durch deutsche Kleinstaaterei. Eine gesamtdeutsche Nationalität gab es nicht. Stattdessen existierten zwischen dem ersten Reich (Heiliges Römische Reich) und dem zweiten Reich (Deutsche Kaiserreich) viele Kleinstaaten, in denen zwar deutsch gesprochen wurde, aber deren Verfassung, Wirtschaft, Staatsaufbau, Maßeinheiten und Währung sich voneinander unterschieden.

Erst 1871 etablierte sich Preußen als stärkster deutscher Kleinstaat, vereinigte die Kleinstaaten und stellte den ersten deutschen Kaiser – wodurch das zweite deutsche Reich begründet wurde.

In der Restaurationszeit emigrierte Heinrich Heine nach Frankreich. Seine Sehnsucht bestand darin, in ein gesamtdeutsches Reich zurückkehren zu können, welches zu neuer Strahlkraft fähig war und nicht in „Klein-Klein“ unterging. Und deshalb übte er Kritik an den deutschen Verhältnissen und erwähnte den Ursprung der deutschen Geschichte.

Im Caput XI. steht dazu:

„Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.
Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.

Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann,
Mit seinen blonden Horden,
So gäb es deutsche Freiheit nicht mehr,
Wir wären römisch geworden!

In unserem Vaterland herrschten jetzt
Nur römische Sprache und Sitten,
Vestalen gäb es in München sogar,
Die Schwaben hießen Quiriten!“

Hermann der Cherusker wurde bei Heinrich Heine und auch vielen anderen Dichtern zum Freiheitshelden der Deutschen erhoben. So schuf Heinrich von Kleist, im Jahr 1808, ein Drama in fünf Akten mit dem Titel: „Die Hermannsschlacht“. Der Begriff „Varusschlacht“ wurde die „Hermannschlacht“ ersetzt, um den deutschen Helden mehr zu würdigen.

Hermann der Cherusker heißt in römischen Quellen Arminius, was allerdings für die deutsche Heldengeschichte eher hinderlich war – weshalb man auf den Begriff Arminiusschlacht bewusst verzichtete. Das deutsche Nationalbewusstsein sollte mit einem Hermann und nicht mit einem Arminius gestärkt werden.

Die Varusschlacht kurz erklärt

(siehe Hauptartikel: Geschichte der Varusschlacht)
Die Varusschlacht gilt als größte Schlacht, die sich in Nordeuropa während des Altertums ereignete. Im Jahr 9 n. Chr. besiegten germanische Stämme unter Führung des Cheruskerfürsten Arminius drei römische Legionen samt Kohorten und Hilfstruppen.

Etwa 20.000 Mann verloren ihr Leben. Als wahrscheinlicher Ort der Schlacht gilt das Wiehengebirge bei Kalkriese im Osnabrücker Land. Der römische Heerführer Publius Quinctilius Varus nahm sich auf dem Schlachtfeld das Leben und wurde der unfreiwillige Namensgeber für das Ereignis.

In der römisch-antiken Geschichtsschreibung erhielt es die Bezeichnung „Varusniederlage“. In Deutschland bürgerten sich die Namen „Hermannsschlacht“ oder „Schlacht im Teutoburger Wald“ ein. Insgesamt verlor das Römische Reich bei dieser Schlacht ein Achtel seiner gesamten Heeresverbände.

Unter Kaiser Augustus verfolgten die Römer das Ziel, ihr Machtgebiet bis zur Elbe zu erweitern. Bis zur Varusschlacht fanden die Auseinandersetzungen und jeweils einzelnen germanischen Stämmen statt. Unter Arminius vereinigten sich erstmals die Krieger mehrerer Stämme.

Lange Zeit galt die Varusschlacht als Wendepunkt in der römischen Germanienpolitik, die den Rückzug der Römer bewirkte. Die römischen Expansionsziele bis zur Elbe wurden allerdings erst im Jahr 16 n. Chr. endgültig aufgegeben. Dadurch bewahrte die sogenannte Germania magna ihre Unabhängigkeit von Rom. Als Gebietsgrenzen galten Rhein, Donau, Weichsel und Nord– bzw. Ostsee. Welche Bedeutung die Varusschlacht letztlich dabei spielte, ist bis heute umstritten.

Die antike Schlacht hat außerdem einen großen Einfluss auf die deutsche Kulturgeschichte der Neuzeit genommen. Ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich die Varusschlacht zu einem modernen Mythos für deutsche Identitätsstiftung und eigenes Nationalbewusstsein. Im Mittelpunkt steht die Heldenfigur „Hermann der Cherusker“.

Die Varusschlacht hat deshalb in zweierlei Hinsicht eine Bedeutung – als historisches Ereignis und als nationaler Mythos für die Deutschen. Zwischen beidem muss sorgfältig unterschieden werden.

Die historische Varusschlacht – warum fand sie statt?

Die Varusschlacht ereignete sich im Jahr 9 n. Chr. im Zusammenhang mit den Augusteischen Germanenkriegen. Im 1. Jahrhundert v. Chr. hatte das Römische Reich Gallien erobert – die Region im heutigen Frankreich und Belgien. Dabei gerieten germanische Stämme in Konflikt mit den Römern. Regelmäßig fielen Germanengruppen für Raubzüge in Gallien ein. Um diesen Zustand langfristig zu beenden, wollte Kaiser Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.) die römischen Gebietsgrenzen über den Rhein hinaus bis zur Elbe ausdehnen.

Ab 16 v. Chr. errichteten die Römer Kastelle entlang des Rheins. Ab 12 v. Chr. begannen sie mit Feldzügen auf rechtsrheinischer Seite. Dieses Datum markiert den Beginn der Germanenkriege. Bis zum Jahr 9 v. Chr. drangen die Römer bis zur Elbe vor. In den kommenden Jahren erlangten sie die Kontrolle mit einer Mischung aus Vertreibung und Umsiedelung sowie militärischen Siegen.

Im nächsten Schritt sollten die eroberten Gebiete in eine römische Provinz umgewandelt werden. Es galt, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen und Steuern einzutreiben. Für diese Zwecke setzte Augustus ab 7. n. Chr. den Statthalter Varus ein.

Der historische Varus – wer war er?

Im Jahr 9 n. Chr. war der römische Legat Publius Quinctilius Varus über 60 Jahre alt. Seine bisherige Laufbahn war aus römischer Sicht hervorragend. Er gehörte zum vertrauten Kreis um Kaiser Augustus. Varus heiratete mehrmals Ehefrauen, die mit dem Kaiser verwandt waren. Gemeinsam mit dem späteren Kaiser Tiberius (14 n. Chr. bis 37 n. Chr.), der ein Stiefsohn des Augustus war, bekleidete er unter anderem das Amt eines Konsuls und begleitete Augustus auf eine Orientreise.

Mehrfach wurde Varus öffentlich hoch geehrt. Bevor er kaiserlicher Statthalter in Germanien wurde, bekleidete er das gleiche Amt schon in anderen Provinzen – in Africa (dem heutigen Tunesien) und Syrien. Als syrischer Statthalter kontrollierte er auch die Verhältnisse im benachbarten Judäa. Dort kam es nach dem Tod von König Herodes (4 n. Chr.) zum Aufstand, als der römische Finanzverwalter Sabinius den jüdischen Tempelschatz konfiszierte.

Varus schlug den Aufstand mit militärischer Macht nieder und ließ 2.000 Juden kreuzigen. Er war zu harten Maßnahmen fähig und die Statthalterschaft in Germanien muss als ehrenvolle Aufgabe aufgefasst werden. Es galt, ein neu erobertes Gebiet in das römische Imperium zu integrieren und weiteren militärischen Ruhm zu erringen. Entsprechend groß war die militärische Präsenz vor Ort. Varus erhielt das Oberkommando über fünf römische Legionen, die am Rhein stationiert waren.

Was geschah bei der historischen Varusschlacht?

Im Frühling des Jahres 9. n. Chr. entschied Varus, in den rechtsrheinischen Gebieten römische Militärpräsenz zu zeigen. Mit 3 Legionen, 6 Kohorten und 3 Reitereinheiten sowie einige Tausend Zug-, Reit- und Lasttieren zog er die Lippe entlang bis zur Weser. Dort schlugen die Römer ihr Sommerlager auf. Es befand sich mit großer Wahrscheinlichkeit am Ort der heutigen Porta Westfalica bei Minden.

Hier lagen die Stammlande der Cherusker. Dieser kleine germanische Stamm siedelte in der Region zwischen dem heutigen Ostwestfalen und der Elbe. Die Cherusker galten den Römern als Verbündete. Einer ihrer Anführer war Arminius. Sein Auftrag war es, den kaiserlichen Statthalter bei dessen Aufgaben zu unterstützen.

Varus forderte Tribute ein und übte die Rechtsprechung aus. Mit Arminius speiste er an der gleichen Tafel. Im Spätsommer wollten die Römer zurück an den Rhein ziehen. Ihnen wurde dann der Ausbruch eines kleinen Aufstands gemeldet. Anstatt den Rückweg über die erprobte Route einzuschlagen, zog Varus Richtung Norden.

Das Gelände war unwegsam. Die Heereseinheiten bildeten eine Kolonne, die sich ca. 14 Kilometer lang erstreckte. Was Varus nicht wusste: Der eigentlich verbündete Arminus lockte Varus und die Legionäre in einen Hinterhalt. Die Schlacht geschah laut römischer Angabe im „Saltus Teutoburgiensis“.

Wo das genau war, bleibt unklar. Aber wahrscheinlich lauerte ihnen ein Verbund germanischer Krieger bei Kalkriese im Osnabrücker Land auf. Die Angreifer bestanden aus mehreren Stämmen. Neben den Chareuskern waren das u.a. die Brukterer, Chatten und Tubanten.

Die römischen Truppen waren durch waldiges Gelände daran gehindert, eine Schlachtordnung zu bilden. Vermutlich dauerte es Stunden, bis sich die Kunde von einem Angriff in dem kilometerlangen Tross verbreitet hatte. Zudem waren die Legionäre auf dem feuchten Boden mit ihrer ca. 30 Kilogramm schweren Ausrüstung eher unbeweglich.

Die Germanen griffen jeweils kurz an und zogen sich dann wieder in den Wald zurück. Ihre Hauptwaffe waren Speere. Die Schlacht dauerte rund drei Tage. Dabei wurden die Römer vernichtend geschlagen und rund 15.000 bis 20.000 Männer getötet. Um der Gefangenschaft zu entgehen, stürzten sich Varus und einige hochrangige Offiziere in die eigenen Schwerter.

Arminius schickte den abgeschlagenen Kopf des Varus an den Anführer der germanischen Markomannen. Er hoffte auf ein gemeinsames Bündnis gegen die Römer. Der Markomannenkönig Marbod lehnte ab und sandte den Kopf zu Augustus nach Rom. Arminius zog nach dem Sieg mit seinen Kämpfern Richtung Rhein. Die Römer räumten ihre Kastelle an der Lippe und zogen sich vorerst auf die linke Rheinseite zurück.

Wer war der historische Arminius?

Geboren wurde Arminius um 17. v. Chr. als Sohn des Cheruskerfürsten Segimer. Wahrscheinlich im Alter von 11 Jahren wurde er zusammen mit seinem Bruder Flavus als Kindergeisel nach Rom gebracht. Fürstenkinder dienten damals als Faustpfand für Bündnisse zwischen Rom und eroberten Stämmen.

Arminius wuchs im heutigen Italien auf und erhielt eine militärische Ausbildung. Er führte eigene Truppenverbände an, nahm an Kriegen teil und errang das römische Bürgerrecht. Außerdem wurde er in den Rang eines Ritters erhoben. Diese fundierten Kenntnisse über das römische Militärwesen befähigten ihn, die geeignete Taktik für die Varusschlacht zu entwickeln.

Er kehrte etwa um 7 n. Chr. in sein Heimatgebiet zurück. Arminius war Mitglied einer führenden Cheruskerfamilie. Die Bezeichnung Fürst darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es neben ihm weitere mächtige Cherusker gab. Dazu gehörte Segestes. Arminius hatte dessen Tochter Thusnelda gegen den Willen ihres Vaters geheiratet.

Anders als Arminius stand Segestes loyal zu den Römern. Vor dem Aufbruch ins Sommerlager warnte er Varus vergeblich vor dem Verrat durch Arminius. Auch Arminius Bruder Flavus blieb den Römern ergeben. Segimer kämpfte stattdessen an der Seite seines Sohnes Arminius. Damit zog sich die Spaltung in romfeindliche und romfreundliche Lager direkt durch die Familie. Diese Grundsituation führte später im Jahr 21 zur Ermordung des Arminius durch Verwandte.

Auch die germanischen Stämme insgesamt waren uneins. Einige blieben neutral oder den Römern verbunden. Vor allem die Nachbarstämme der Cherusker konnte Arminius für das Bündnis gegen die Römer gewinnen. In den Jahren nach der Varusschlacht wuchs die Truppengröße unter Arminius auf bis zu 50.000 Kämpfer an. Arminius blieb der entscheidende germanische Kriegsanführer bis zum Rückzug der Römer im Jahr 16.

Warum kämpfte der historische Arminius gegen die Römer?

Arminius hatte den größten Teil seines Lebens in Rom verbracht. Er besaß die Bürgerrechte, sprach die lateinische Sprache, war Truppenführer und römischer Ritter.

Was bewegte ihn, sich gegen die Römer zu wenden?
Geklärt ist das nicht. Die Römer besetzten die Stammlande der Cherusker. Das schmälerte die Macht der ansässigen Fürsten, wovon auch Arminius selbst betroffen war. Zudem hatte er die römische Lebensart gezwungenermaßen annehmen müssen. Eventuell gab ihm gerade dieser Hintergrund das Motiv, sich gegen die römische Besatzung zu stellen. In dieser Lesart der Ereignisse wäre Arminius ein Anführer der Unzufriedenen und Verfechter der germanischen Unabhängigkeit.

Möglicherweise ging es ihm aber auch um den persönlichen Machtausbau. Sogar die schlichte Aussicht auf reiche Beute mag ein Motiv für Arminius und die Kämpfer gewesen sein.

Was ihn tatsächlich bewegte, bleibt unklar. Maßgeblich wurde später, dass der römische Historiker Tacitus ihn als den „Befreier Germaniens“ bezeichnete. Diese Beschreibung sollte eine wichtige Bedeutung für das Nationalverständnis der Deutschen erlangen.

Welche historischen Auswirkungen hatte die Varusschlacht?

Unzweifelhaft war die Varusschlacht die größte Schlacht im antiken Nordeuropa. Der Verlust von 20.000 Männern war eine katastrophale Niederlage für Rom. Kaiser Augustus verlieh dieser Tatsache demonstrativen Ausdruck. Laut Überlieferung soll er ausgerufen haben: „Quinctilius Varus, gib die Legionen zurück!“ Gleichwohl ließ Augustus den abgeschlagenen Kopf des Varus ehrenvoll in seinem Mausoleum bestatten. Er änderte keineswegs die bisherigen Zielsetzungen und baute die Truppenstärke am Rhein noch größer auf.

Unverändert hielt Augustus an dem Plan fest, die Gebiete bis zur Elbe in eine römische Provinz zu verwandeln. Er setzte seinen Stiefsohn Tiberius als Nachfolger für Varus ein. Allerdings wagte dieser die kommenden drei Jahre keine militärische Auseinandersetzung. Ab dem Jahr 12 n. Chr. übernahm Germanicus das Oberkommando. Er führte ab dem Jahr 14 n. Chr. mehrere Feldzüge gegen Arminius.

16 n. Chr. entschied Kaiser Tiberius, dass die rechtsrheinische Seite nicht länger von Rom beansprucht werden soll. Die Kosten und Menschenverluste wurden zu hoch. Die Varusschacht brachte somit zwar zunächst keine tatsächlichen Veränderungen der Verhältnisse. Dennoch darf sie Anfang vom Ende der römischen Ziele verstanden werden, die rechtsrheinischen Gebiete in eine römische Provinz zu verwandeln.

Das 16. Jahrhundert – der Mythos vom germanischen Freiheitshelden beginnt

Während des Mittelalters geriet die Römerzeit in Vergessenheit. Erst im 15. Jahrhundert tauchten viele antike Schriften wieder auf und läuteten die Renaissance ein. Damit trat Arminius erneut ins Licht der Geschichte. Der antike Befehlshaber eignete sich als Symbolfigur für die deutschen Reformatoren zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

Wieso?
Die Reformation richtete sich gegen den Papst in Rom und Abgaben für die Kurie. Arminius verkörperte den siegreichen Kämpfer gegen Rom und deren Abgaben. Bedeutsam war seine kluge Militärtaktik, um das überlegene Römerheer zu besiegen. Arminius ließ sich mit Hannibal vergleichen, der einst mit Kriegselefanten über die Alpen gen Rom gezogen war. So urteilte jedenfalls der Humanist und Dichter Ulrich von Hutten. In seinem Buch „Arminius“ bezeichnete er den antiken Cherusker als Vaterlandsbefreier. Damit legte Hutten den Grundstein für einen nationalen Heldenmythos.

Auch Martin Luther war von Arminius angetan und schrieb: „Ich hab in von herzen lib.“ Auf Luther soll auch die Namensübersetzung von Arminius zu „Hermann“ zurückgehen. Insgesamt weckten die neu entdeckten Lateinschriften zu den Germanenkriegen ein neues Geschichtsbewusstsein beiden Deutschen. Sie erkannten, dass ihre historischen Wurzeln bis in die Antike zurückreichen.

Das 18. Jahrhundert – Arminius und die deutsche Sprache

Im 17. Jahrhundert wurde Deutschland vom Dreißigjährigen Krieg zermürbt und benötigte beinahe 100 Jahre, um sich davon zu erholen. In dieser Zeit bestieg Ludwig XIV. den Thron Frankreichs. Die Hofkultur des Sonnenkönigs überstrahlte Europa und deutsche Fürsten bemühten sich um vergleichbare Lebensart.

Im 18. Jahrhundert sprach der Adel französisch, das Volk sprach deutsch. Doch dann setzte eine bürgerliche Emanzipationsbewegung ein. Deutsche Sprache sollte ebenfalls zu großer Dichtung und hoher Kultur fähig werden. In diesem Zusammenhang entstand die Theorie, dass die deutsche Sprache nur deshalb noch existierte, weil Arminius die Römer vertrieben hatte.

Der Dichter Klopstock verfasste eine Trilogie, die sich mit „Hermanns Schlacht“, „Hermann und die Fürsten“ sowie „Hermanns Tod“ befasste. Arminius wurde darin zum Helden erhoben, der sich für Freiheit und Volk opfert. Klopstock war im 18. Jahrhundert ein ausgesprochen beliebter Dichter. Durch sein Werk bürgerte sich der Begriff „Hermannsschlacht“ ein.

Auch der „Teutoburger Wald“ kam nun in den Sprachgebrauch. Tacitus hatte den Schlachtenort als „Saltus Teutoburgiensis“ angegeben – übersetzt etwa „Waldgebirge Teutoburg“. Da ein Teutoburger Waldgebirge in Deutschland unbekannt war, wurde im 17. Jahrhundert die Region um Detmold vermutet. Denn dort stand und steht der Teutberg.

Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich der Name Teutoburger Wald für diesen Abschnitt im Weserbergland ein. Die Besonderheit daran: Der Name leitet sich rückwirkend aus den lateinischen Schriften her, die von der Varusschlacht berichten. Daher bleibt unklar, ob der heutige Teutoburger Wald tatsächlich den Ort beschreibt, den Tacitus einst meinte.

Das 19. Jahrhundert – der Höhepunkt für „Hermann den Cherusker“

Als Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts die deutschen Gebiete eroberte und Franzosen als Besatzungsmacht auftraten, kam es zu den Befreiungskriegen. Das war die Stunde, in der Arminius als „Hermann der Cherusker“ zur politischen und nationalen Identifikationsfigur wurde.

Die Völkerschlacht bei Leipzig wurde von Patrioten als „Neue Hermannsschlacht“ aufgefasst. In den kommenden Jahrzehnten entstanden Wandgemälde, Dichtungen und Abhandlungen rund um Arminius. Die Heldenfigur wurde allgemein bekannt. Das 1848 entstandene Bummellied „Als die Römer frech geworden“ zeigt die damalige Popularität:

„Als die Römer frech geworden
simserim simsim simsim
Zogen sie nach Deutschlands Norden
simserim simsim simsim
vorne mit Trompetenschall
Terätätätäterä
ritt der Generalfeldmarschall,
Terätätätäterä
Herr Quintilius Varus
Wau, wau, wau, wau, wau
Herr Quintilius Varus
Schnäde räng täng, Schnäde räng täng
Schnäde räng täng, de räng täng täng“

Das bekannteste Denkmal für Arminius ist das Hermannsdenkmal in Detmold. Schon 1838 gründete sich eine private Initiative dafür, doch leider fehlte es an Spenden und Geldmittel. Erst 1875 wurde die Kolossalstatue eingeweiht – im Beisein von Kaiser Wilhelm I. Symbolträchtig steht sie direkt auf dem Teutberg, nach dem der Teutoburger Wald benannt wurde.

warum fand die varusschlacht statt

Hermannsdenkmal in Detmold

Das Arminiusbild vom 20. Jahrhundert bis heute

Auch im 20.Jahrhundert wurde der Heldenmythos aufgegriffen. Im 1. Weltkrieg galt die Varusschlacht als historisches Vorbild für militärische Stärke, wenn Zwistigkeiten für die gemeinsame Sache zurückgestellt werden. So wie Arminius unterschiedliche Stämme für ein Bündnis gewinnen konnte, so sollten die innenpolitischen Parteien im Deutschen Reich während des Kriegs an einem Strang ziehen. Dennoch ging der 1. Weltkrieg für die Deutschen verloren.

In der Folge brachten nationalkonservative Kräfte die Theorie von der Dolchstoßlegende in Umlauf. Demnach sei das deutsche Heer nicht auf dem Feld besiegt worden, sondern durch Verrat im eigenen Land. Erneut bot sich Arminius als Projektionsfläche für politische Zwecke an. Der Cherusker starb weder im Kampf noch wurde er von den Römern besiegt. Verwandte ermordeten ihn.

Dass der heroische Anführer der Varusschlacht schmählich aus den eigenen Reihen ermordet wurde, dient nun als Anklage gegen die SPD als Verräter. Hier wie auch bei allen anderen politischen Vereinnahmungen galt stets die gleiche Denkart: Es zieht sich eine ungebrochene Linie von den antiken Germanen bis in die Neuzeit. Am historischen Beginn der deutschen Geschichte gibt es Verrat – und offenbar ändert sich das nie.

Die Nationalsozialisten konnten Arminius nur teilweise als Symbolfigur für ihre politische Ideologie einsetzen. Das entscheidende Grundproblem: Die Deutschen führten den 2. Weltkrieg als Angriffskrieg und waren selbst die Eroberer. Arminius jedoch befehligte eine reine Verteidigungsarmee und hatte keinerlei Expansionsbestreben. Deshalb wurde im 3. Reich vor allem auf das geistige Genie des Arminius abgehoben. Er habe von den Römern gelernt und sie anschließend in der Varusschlacht militärisch übertroffen. Was konnte das anderes zeigen als die natürliche, germanische Überlegenheit gegenüber anderen Völkern?

Seit dem 2. Weltkrieg ist Ernüchterung eingetreten. Von nationalen Helden und mythisch überhöhten Schlachten wollte jahrzehntelang niemand mehr sprechen. Der historische Gestalt Arminius dient kaum noch als Projektionsfläche für politische Ziele und kulturelle Identitätsstiftung.

Die Forschung befasst sich mit solchen Fragen: Wo hat die Varusschlacht tatsächlich stattgefunden? Waren die rechtsrheinischen Gebiete im Jahr 9 schon römische Provinz oder nicht? Wie ist die Wirkung der Schlacht zu bewerten? Sicher scheint, dass sie keinen radikalen Wendepunkt in der römischen Germanienpolitik auslöste. Trotzdem gehört sie zu einer Reihe von Ereignissen, die in eine dauerhafte Unabhängigkeit Germaniens zu Rom führte.

Fazit

Bedeutsam ist die Varusschlacht in zweierlei Hinsicht:

  • 1. Für die Römer war sie die größte Schlacht und schwerste Niederlage in Nordeuropa, die enorm viele Menschenleben kostete. Für die germanischen Stämme bedeutete sie das erste gemeinsame Bündnis gegen einen äußeren Feind. Die einfachen Speerkämpfer ohne Schutzkleidung siegten über gepanzerte Legionäre mit Schilden. Dieses Kräfteverhältnis à la David gegen Goliath ist das Kernstück, aus dem sich der Mythos speist.
  • 2. Dieser Heldenmythos ist Teil des neuzeitlichen deutschen Nationalbewusstseins. Über mehrere Jahrhunderte wurden die Schlacht und ihr Anführer als „Hermann der Cherusker“ stets neu interpretiert und für die kulturelle und politische Identitätsstiftung eingesetzt. Dieser moderne Mythos um Hermann, den Teutoburger Wald und die Varusschlacht gilt bis heute als Beginn der deutschen Geschichte.

Literatur

  • Christian Pantle (Autor), Die Varusschlacht: Der germanische Freiheitskrieg, ISBN: 978-3868205428*
  • Alexander Rudow (Autor), Die Varusschlacht: Geschichte – Bedeutung – Wirkung, ISBN: 978-3955403355*
  • Friedhelm Heitmann (Autor), Erich van Heiss (Autor), Lynn-Sven Kohl (Autor), Lernwerkstatt Als die Germanen die Römer schlugen: 2000 Jahre Varusschlacht, ISBN: 978-3866322400*

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