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Geschichte Polens: Steckbrief und Chronologie


Die Geschichte Polens bzw. der polnischen Region beginnt in der Steinzeit. Der eigentliche Staat entstand erst im Mittelalter.

Inhalt

Steckbrief, Überblick und kurze Zusammenfassung

Polens Geschichte beginnt in der Urgeschichte, als Frühmenschen – wie der Neandertaler – das Gebiet zwischen Oder und Bug besiedelten. Aufgrund des Wechsels von Warm- und Eiszeiten war Polen, während der Altsteinzeit, mehrfach vergletschert, weshalb die Frühmenschen für Jahrhunderte nach Süden abwanderten und in Warmphasen wiederkehrten.

Im Altertum siedelten germanische Stämme im Gebiet des heutigen Polen, genauso wie slawische Stammesverbände. In der preußischen Chronik ist Polen deshalb zur Urheimat der Ostgermanen erklärt wurden und in der slawischen Geschichtsschreibung wird Polen als Urheimat der Urslawen (Prasłowianie) erwähnt.

Die eigentliche Vorgeschichte des polnischen Staates beginnt im Mittelalter (10. Jahrhundert) als slawische Polanen das erste Staatsgebilde aufbauten. Zum Königreich wurde Polen als der römisch-deutsche Kaiser Otto III. beim Akt von Gnesen (1000 n.Chr.) den damaligen Herzog Boleslaw Chrobry in den Königsstand erhob.

Die Geschichte des polnischen Staates lässt sich anhand klassischer Geschichtsepochen (Urgeschichte, Antike, Mittelalter, Neuzeit) beschreiben, aber auch anhand der verschiedenen Teilungsphasen und Staatsgebilden, wie:

  • Vorgeschichte Polens: bis 963 n.Chr.
  • Piastenstaat und Herzogtum: 963 bis 1000 /1025 n.Chr.
  • Königreich Polen: 1000/1025 bis 1569
  • Adelsrepublik Polen Litauen: zwischen 1569 und 1772
  • Erste Teilung Polens: 1772 (Annektierung einiger Gebiete durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland), Preußen erschuf die Landbrücke nach Ostpreußen
  • Zweite Teilung Polens: 1773 weitere Annexionen durch Preußen und Russland
  • Dritte Teilung Polens: 1795 komplette Aufteilung des Reststaates durch Preußen, Russland und diesmal wieder mit Österreich-Ungarn (Habsburgermonarchie).
  • Zwischen 1795 und 1918: Fremdherrschaft durch Russland, Preußen und die Habsburger (Österreich-Ungarn), später auch Frankreich
    • Zwischen 1807 und 1815 errichtete Napoleon Bonaparte das Herzogtum Warschau als Satellitenstaat aus Teilen des preußischen Polens und des österreichischen Polens. Dieses Staatskonstrukt diente Napoleon als Aufmarschbasis für den Russlandfeldzug von 1812.
    • Kongresspolen: Das Herzogtum Warschau wurde auf dem Wiener Kongress (1815) dem russischen Zarenreich zugesprochen. Preußen und Österreich erhielten ihre polnischen Besitztümer nicht zurück. Kongresspolen bestand bis 1916.
    • Regentschaftskönigreich Polen: Aus Kongresspolen wurde zwischen 1916 bis 1918 das Regentschaftskönigreich, welches vom Deutschen Reich und Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkrieges besetzt war.
  • Zweite Polnische Republik: 1918 bis 1939
  • Vierte Teilung Polens: 1939 durch den Überfall des Deutschen Reiches (Dritte Reich) auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und die Besetzung Ostpolens durch die Sowjetunion
  • Volksrepublik Polen: 1944 bis 1989
  • Republik Polen: 1989 bis heute

Urgeschichte Polens

Die Urgeschichte auf polnischen Terrain lässt sich anhand verschiedener archäologischer Fundstätten nachweisen. Sie begann in der Steinzeit, durchlief die Bronzezeit und Eisenzeit bis zur römischen Kaiserzeit. Da der Beginn von Geschichtsschreibung auf polnischen Gebiet erst 963 n.Chr. nachzuweisen ist, dauerte die Ur- und Frühgeschichte bis ins eigentliche Mittelalter an, wofür man den Begriff der Dunklen Jahrhunderte verwendet.

Altsteinzeit

Vor etwa 230.000 Jahren (Altsteinzeit): Steinwerkzeuge deuten auf eine frühe Besiedlung Polens hin

Die Urgeschichte Polens beginnt in der Altsteinzeit, belegbar durch das Auftreten altpaläolithischer Steinwerkzeuge aus der Neandertal-Zeit vor etwa 230.000 bis 100.000 Jahren. Aufgrund der Vergletscherung im Norden, während der Eiszeiten, beschränken sich archäologische Fundstätten meist auf Südpolen.

Vor etwa 80.000 Jahren (Altsteinzeit): Wanderungen von Neandertalern zwischen Polen und Kaukasus

Die Stajnia-Höhle befindet sich im südlichen Polen. Dort wurden Überreste von Neandertalern geborgen, welche sich in diesem Gebiet vor 80.000 Jahren aufhielten.

Anhand von Analysen der mitochondrialen DNA (mtDNA) lässt sich die mütterliche Abstammungslinie der Frühmenschen zurückverfolgen. Im Jahr 2020 gelang es Forschern des Max Planck Instituts in Zusammenarbeit mit der Universität Breslau herauszufinden, dass die Neandertaler in Polen eine hohe genetische Nähe mit Neandertalern im Kaukasus aufweisen. Dieses Ergebnis ist der Nachweis, dass zwischen den Neandertaler-Populationen im Kaukasus und in Polen eine große Mobilität herrschte.

Vor etwa 41.000 Jahren: Homo sapiens beginnt Schmuck in Mitteleuropa herzustellen.

Vor etwa 45.000 Jahren erreichte der moderne Mensch auch Europa. Als Beleg dienen Fossilien aus der Batscho-Kiro-Höhle in Bulgarien. Man nimmt an, dass die ersten Jetztmenschen vor etwa 43.000 Jahren im Gebiet des heutigen Polens siedelten.

In der Stajnia-Höhle wurde neben den Neandertaler-Zähnen auch Schmuckstücke aus jüngeren Schichthorizonten geborgen, welche man dem Homo sapiens zuschreibt. Diese sind etwa 41.000 Jahre alt. Es handelt sich dabei um Elfenbeinschmuck, welcher wohlmöglich als Anhänger diente. Diese Schmuckanhänger sind die ältesten Schmuckstücke Mitteleuropas, welche vom anatomisch modernen Menschen hergestellt wurden.

Mittelsteinzeit

Vor etwa 12.000 Jahren: Grab aus Janisławice

Mit Beginn der Mittelsteinzeit (etwa 9.600 v.Chr.) wurde es allmählich wärmer, wodurch die Menschen auch weiter nordwärts siedelten. Der Jetztmensch war die letzte verbliebene Menschenart auf der Erde.

Das Grab aus Janisławice zeigt mesolithische Grabbeigaben. Neben der Leiche eines Menschen wurden Pfeilspitzen, Halsketten und Knochenmesser als Grabbeigaben gefunden. Die Grabhöhle wurde mit Rötel geschmückt.

Zwischen 9.600 v.Chr. und 6.000 v.Chr.: Fischfang nimmt zu

Da während der Mittelsteinzeit die Kältesteppen der Eiszeit durch Waldgebiete ersetzt wurden, begangen die Menschen dem Standwild nachzujagen. Auch der Fischfang wurde stärker betrieben. Funde von Harpunen aus Knochen belegen dies.

Jungsteinzeit

Etwa 5.300 v.Chr.: Bandkeramische Kultur in Polen

Die Neolithische Revolution, also der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht, begann wohlmöglich auf dem Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds im Nahen Osten und verbreitete sich dann über Südeuropa bis nach Nordeuropa. Dies dauerte mehrere Jahrtausende.

Mitteleuropa wurde von der Linearbandkeramik geprägt, welche in Polen etwa 5.300 v.Chr. begann. Die Menschen stellten Keramik her und verzierten die Vasen und Krüge mit Linien, welche einem Schnurband ähneln.

Etwa 5.300 v.Chr.: Parallele Entwicklungen der Narva- und Memel-Kultur

Zeitlich parallel entwickelte sich in Polen die Narva-Kultur, welche wohlmöglich aus der russischen Kunda-Kultur hervorging und sich über Lettland, Estland bis ins östliche Polen ausbreitete. Die Träger der Narva-Kultur kannten Tonwerkzeuge, stellten Hacken und Mahlsteine her.

Siedelten die Narva im mittleren und südlichen Polen, entwickelte sich am Oberlauf der Memel die Memel-Kultur. Deren Keramik war etwas kleiner und runder als die der Narva-Kultur.

Zwischen 5.200 und 4.700 v.Chr.: Regionalkulturen entstehen (Spät-Donau-Gruppen)

War die Linearbandkeramik noch eine Kultur, welche sich über große Teile Europas erstreckte, entstehen im 6. und 5. Jahrhundert v.Chr. nun regionale Kulturen, wie: die Notenkopfkeramik, Stichbandkeramik oder die Kugelamphoren-Kultur.

4.300 bis 3.900 v.Chr.: Jordanów-Kultur in Schlesien

Die Jordanów-Kultur – benannt nach dem Fundort Jordanów Śląski (Jordansmühl) in der Nähe von Breslau – war eine jungsteinzeitliche Kultur, welche bereits das Kupfer nutzte. In Gräbern wurden bspw. Perlen aus Kupferbleche als Grabbeigaben gefunden. Ein besonderes Artefakt dieser Kultur ist ein Widder aus Ton gefertigt, welcher 1925 aus einer Grube geborgen wurde.

Nachfolgekultur der Jordansmühler-Kultur ist die Trichterbecherkultur in Polen, Ukraine und Teile Westeuropas und die Baalberger-Kultur in Mitteldeutschland.

Etwa 4. Jahrtausend v.Chr.: Trichterbecherkultur bringen neue Grabstätten hervor

Die Trichterbecherkultur war von der Ukraine bis zu den Niederlanden verbreitet. In Polen führten sie den Pflug und den Wagen in die Landwirtschaft ein. Auch Totenhäuser, Hünengräber und Megalith-Gräber entstehen.

Ab etwa 3.900 v.Chr.: Feuersteingewinnung in Krzemionki

Krzemionki ist eine Feuersteinmine im Zentrum Polens, welche 2019 einen Eintrag als Weltkulturerbe der UNESCO erhielt. Die Mine wurde ab etwa 3.900 v.Chr. von Trägern der Trichterbecher und Kugelamphoren-Kultur genutzt. Die dort gewonnenen Feuersteine verbreiteten sich etwa 60 km weit. Aus ihnen wurden Pfeilspitzen und Mikrolithe hergestellt.

jungsteinzeit polen Krzemionki

Krzemionki, Polen, ca. 2016. Neolithische und frühbronzene Feuersteingruben in der Nähe von Ostrowiec Swietokrzyski in Polen, Bildnachweis: dominika zara / Shutterstock.com


Heute befindet sich an der Mine ein Museum, welches das Leben der Minenarbeiter nachstellt. Die typischen Häuser der Jungsteinzeit wurden als Modell nachgebaut.

Etwa 2.700 v.Chr.: Bernstein-Handel durch die Rzucewo-Kultur

In der Spätphase der Jungsteinzeit entstand in Ostpreußen die Rzucewo-Kultur, welche wohlmöglich aus der Narva-Kultur hervorging. Wichtigstes Exportgut der Rzucewo-Kultur war der Bernstein, dessen Handel in diesem Gebiet stark zunahm.

Ende des 3. Jahrtausend v.Chr.: Neue Bestattungsformen der Schnurkeramik

Die Menschen wurden jetzt in Hocklage, also mit angezogenen Beinen, und in Einzelgräbern bestattet. Männer und Frauen wurden entgegengesetzt ausgerichtet, so dass der Kopf der toten Männer nach Westen und der Kopf der toten Frauen nach Osten zeigte. Diese Bestattungsweise nennt man bipolar und ist ein typisches Merkmal der Schnurkeramik-Kultur gewesen.

Regional setzte, während der Schnurkeramik-Epoche, immer mehr die Kupferverarbeitung ein, so dass Polen zu diesem Zeitpunkt am Übergang zur Kupferzeit stand.

Kupferzeit

Der Übergang von der Jungsteinzeit zur Kupferzeit geschah in Polen nur regional. Jungsteinzeitliche Kulturen, wie die Jordansmühler (Jordanów) nutzten Kupfer bereits im 4. Jahrtausend v.Chr. So wurden Grabbeigaben aus Kupfer gefertigt. Dass Kupferminen in Polen existierten oder ob das Kupfer importiert wurde, ist archäologisch bisher nicht belegbar.

Die Jordansmühler-Kultur war zwischen 4.300–3.900 v. Chr. auch in Mitteldeutschland verbreitet. Für das nördliche Europa wurde eine eigenständige Kupferverarbeitung nachgewiesen. Allerdings wurden nur Schmuckstücke, wie Halsketten, Perlen oder Armringe aus Kupfer gefertigt. Echte Werkzeuge und Waffen aus Kupfer wurden nicht hergestellt.

Bronzezeit

Die Bronzezeit begann in Polen etwa 1.800 v.Chr., zunächst in Westpolen, später im Osten. Mit Kupfer und Bronze entwickelte sich der Handel stark, das Handwerk differenzierte sich und soziale Unterschiede bildeten sich heraus.

Zu den ersten Kulturen gehört die Aunjetitzer Kultur, welche in Ostdeutschland und Westpolen verbreitet war. Auf deutschem Boden schufen Handwerker dieses Kulturkreises die berühmte Himmelsscheibe von Nebra. In Polen errichteten sie die berühmten Polnischen Pyramiden.

Etwa zwischen 1.800 v.Chr. und 1.500 v.Chr.: Die Großpolnischen Pyramiden entstehen

Als Großpolnischen Pyramiden bezeichnet man diverse Hügelgräber, welche im Dorf Łęki Małe im östlichen Teil des heutigen Polens erhalten blieben. Die Hügelgräber wurden von Trägern der Aunjetitzer-Kultur errichtet.

polnische Pyramiden

polnische Pyramiden oder „żalki“ – Gräber, die vor 5500 Jahren in Polen errichtet wurden; Riesige Stein- und Lehmbauten in Form eines langgestreckten Dreiecks, bis zu 150 m lang


Man nimmt an, dass bis 1881 mindestens 11 Hügelgräber vorhanden waren, diese aber während der preußischen Herrschaft zerstört wurden. Heute sind noch 4 Hügelgräber vorhanden und begehbar. Die Toten, welche in den Hügelgräbern bestattet wurden, gehörten wohlmöglich zur elitären Oberschicht der damaligen Kultur. Denn Grabbeigaben, wie Pferde, Waffen, Schmuck, Gold und Bronze deuten daraufhin.

Zwischen 1.600 und 1.300 v.Chr.: Massengräber der Trzciniec-Kultur

Die Trzciniec-Kultur ist für die Massengräber von Wolica Nowa und Kosin bekannt, in welchen man die Überreste von mehr als Personen fand. Darunter waren auch Frauen und Kinder. Unklar ist, ob es sich um Familienbegräbnisse, Kriegsbegräbnisse oder Fürstenbegräbnisse handelt, bei welchem die Bediensteten ebenfalls beerdigt wurden.

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Armreif aus Bronze, Trzciniec-Kultur

Etwa 700 v.Chr.: Das befestigte Insel-Dorf Biskupin entsteht

Das prähistorische Dorf Biskupin entstand während der späten Bronzezeit und wurde bis in die Eisenzeit genutzt. Heute ist das Dorf restauriert wurden und begehbar.

restaurierte festung von biskupin

restaurierte Festung von Biskupin


Das Dorf lag auf einer Insel im Biskupiner See und war auf Pfählen erbaut worden. Der Zugang zum Dorf erfolgte über Boote und nur eine einzige Brücke. Im Dorf lebten circa 1000 Menschen zusammen mit ihren Nutztieren, darunter Rinder und Schweine.
Luftaufnahme des Dorfes Biskupin inmitten des Biskupiner Sees

Luftaufnahme des Dorfes Biskupin inmitten des Biskupiner Sees


Die Holzhäuser standen dicht nebeneinander und bildeten Häuserblöcke, zwischen denen Straßen verliefen. Erbauer des Dorfes waren die Träger der Lausitzer Kultur, welche sich in der Spätbronzezeit über weite Teile Polens ausbreiteten.

Eisenzeit

Die Eisenzeit in Polen beginnt mit der Billendorfer Kultur, welche sich ab dem 7. Jahrhundert v.Chr. aus der Lausitzer Kultur herausbildete. Die Träger dieser Kulturstufe betreiben Brandbestattung mit anschließenden Urnenbegräbnissen.

Benannt ist diese Kultur nach dem Ortsteil Białowice (deutsch: Billendorf) des Ortes Nowogród Bobrzański (deutsch: Naumburg am Bober). Verbreitet war die Billendorfer-Kultur in Polen, Sachsen und Brandenburg (Deutschland).

Auf die polnische Billendorfer-Kultur folgt die Pommerellische Gesichtsurnenkultur, deren Urnen mit Gesichtsdarstellungen verziert wurden. Nachfolger dieser Kultur ist die Przeworsk-Kultur, deren Träger den ostgermanischen Vandalen, Burgunden und Lugiern zugeschrieben werden.

Ausbau der Bernsteinstraße

Als Bernsteinstraße bezeichnet man verschiedene Handelswege des Altertums, welche zwischen den Küstengebieten der Nord- und Ostsee und den Alpenländern bzw. Südeuropa bestand. In Pommern, rund um die Danziger Bucht bis zum Samland (heute Kaliningrad, Russland) wurde wohlmöglich Bernstein abgebaut und an den Flussufern der Weichsel entlang nach Süden transportiert.

Während der Römischen Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 284 n. Chr.) muss ein reger Handel mit Rom und Griechenland existiert haben. Dies beweisen archäologische Funde in Polen, welche in Rom gefertigt wurden und umgekehrt. Die Prunkgräber von Lübsow (Pommern), in denen man römische Gewandnadeln aus Bronze und Silber fand, weisen daraufhin – dass pommersche Einwohner als Legionäre oder Söldner für Rom tätig gewesen sein könnten und als Kriegsheimkehrer zurückkehrten.

etwa 750 v.Chr.: Germanische Stämme ziehen in Polen ein

Ab etwa 750 v.Chr. wandern Germanen in Nordwestpolen ein. Das Siedlungsgebiet erstreckt sich entlang der Weichsel. Laut dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus sollen die Burgunden, die Goten, die Vandalen, die Bastarnen und Gepiden als Urgermanen in Polen gesiedelt haben.

Diese Urgermanentheorie wurde im 19. Jahrhundert von Preußen aufgegriffen, um polnische Gebiete als Urheimat der Deutschen beanspruchen zu können. Ableitungen der Urgermanentheorie wurden auch bei Hitlers Angriffskrieg auf Polen als Rechtfertigung genutzt.

Die Germanen beanspruchen dieses Gebiet bis ins 4. Jahrhundert. Nachdem die Hunnen 375/376 n.Chr. in Europa einfielen, begann die Völkerwanderung, wodurch die germanischen Siedler aus Polen verschwanden.

1. und 2. Jahrhundert: Steinkreise von Odry

Die Steinkreise von Odry befinden sich im Norden Polens. Es handelt sich dabei, um eine Anhäufung von Steinen – welche im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr., vermutlich von den Goten, aufgestellt wurden.

steinkreise von odry polen

Steinkreise in der Nähe des Dorfes Odry im Nationalpark Bory Tucholskie, Polen


Insgesamt existieren 12 solcher Steinkreise bei Odry, wobei 10 vollständig erhalten und 2 teilweise noch herhalten sind. Die Steinkreise haben einen Durchmesser von 15 bis 33 m und dienten wahrscheinlich als Grenzfläche für ein Gräberfeld (Friedhof). Neben den Steinkreisen befinden sich im Gebiet um Odry noch Hügelgräber. Insgesamt konnten bisher 600 Grabstellen freigelegt werden.

Vorgeschichte zur polnischen Staatsgründung

Die Vorgeschichte des ersten polnischen Staates basiert teilweise auf Legenden und Mythen. Archäologische Belege und Schriftquellen fehlen hingegen und tauchen erst 963 n.Chr. auf. Die Legenden, welche die dunklen Jahrhunderte in Polens Geschichte rekonstruierbar machen sollen, sind:

  • Chronica principum Polonorum von Gallus Anonymus (um 1125)
  • Chronik von Vincenz Kadłubek (12. Jahrhundert)
  • Großpolnische Chronik (um 1290)
  • Chronik von Jan Długosz (15. Jahrhundert)
  • Jómsvíkinga saga (nordische Mythologie) zu Zeiten von Harald Blauzahn und Olaf Tryggvason

Hinzu kommen Überlieferungen von fränkischen, byzantinischen und römischen Geschichtsschreibern.

Westslawische Einwanderung

Ab dem 6. Jahrhundert wurde das Gebiet des heutigen Polen von Westslawen besiedelt. Der Nordwesten Polens wurde vornehmlich von Trägern der Sukow-Dziedzice-Kultur und Südpolen von der Prager-Kultur bestimmt. Vermutlich kamen die Slawen aus Westungarn und wurden dort vom Reitervolk der Awaren vertrieben. Der Ursprung der Slawen ist nicht eindeutig geklärt und Gegenstand der Forschung.

Ab den 560-er Jahren sollen die Awaren, welche ein Nomadenreich im heutigen Ungarn, Slowakei und Slowenien beanspruchten – benachbarte Volksstämme überfallen, unterworfen und vertrieben haben. Dadurch bauten sie ihren Machtbereich bis nach Ostpolen aus und waren im Frühmittelalter ein Machtzentrum zwischen dem Frankenreich und dem Byzantinischen Reich.

Laut der frühmittelalterlichen Fredegar-Chronik soll sich ein Vorläufer eines slawischen Staates im Gebiet des späteren Mähren (Tschechien) und Niederösterreich gebildet haben. Das Königreich soll von einem Kaufmann aus dem Frankenreich gegründet worden sein, welcher Samo hieß. Das Reich von Samo bestand zwischen 624 und 659.

Die polnischen Westslawen gingen eine Allianz mit dem Königreich Samo ein, um sich gegen Übergriffe der Awaren und des Frankenreiches zu schützen. Nach dem Untergang des Königreiches Samo fehlen schriftliche Belege.

Ab 800: Errichtung des Grenzwalls zwischen dem Frankenreich und Sorbenland

Die Regierungszeit von Karl dem Großen (768 bis 814) ist geprägt durch Zwangschristianisierung der Sachsen, den Awarenkrieg (ab 790) und die Errichtung von Grenzposten, um das Frankenreich gegen die slawischen Heiden im Osten zu schützen. Die physische Grenze zum Slawenreich wird als Sorbenmark bezeichnet und wurde ab dem Jahr 800 errichtet.

Jomswikinger an der polnischen Ostsee

Laut der Jómsvíkinga saga sollen im Gebiet der Odermündung die Jomswikinger gelebt haben. Ihr Stammsitz war die Jomsburg, welche heute nicht mehr existiert. Laut nordischen Sagen und Legenden soll die Jomsburg ein anderer Name für die Stadt Vindeta sein, welche sich an der Ostseeküste befand und untergegangen sein soll.

Dass Jomsburg oder Vindeta jemals existiert haben, kann archäologisch nicht belegt werden und wird als Mythos angenommen. Da aber die Jomswikinger auch in anderen Quellen erwähnt werden, gilt deren Existenz als nicht unumstritten.

Vor 644: Lech als Urvater aller Polen

Der Urvater aller Polen war – laut Legende – Lech. Dieser war ein Stammesfürst der slawischen Lendizen und dessen Leben wird in der Großpolnischen Chronik rekonstruiert. Lech muss vor 644 gelebt haben und soll die Stadt Gnesen gegründet haben. Laut der Legende soll Lech zwei Brüder, namens Cech und Rus, gehabt haben. Alle drei sind aus Pannonien (Westungarn) geflohen, nachdem die Awaren das Gebiet unterworfen haben.

Cech soll weiter südlich gesiedelt haben und zum Urvater aller Tschechen geworden sein. Laut der Kronyka Czeská (tschechischen Chronik) erreichte Cech und sein Volk den Berg Rip (deutsch: Raudnitzer Berg) im Jahr 644. Daraufhin gründete er den Staat Cechy (Böhmen).

Lechs zweiter Bruder Rus zog ostwärts und wurde zum Urvater aller Russen, Ukrainer und Belarussen. Die Brüder Lech, Čech und Rus sind somit Stammväter aller slawischen Völker.

Laut der Legende vom Ursprung des polnischen Volkes soll sich Lech im Schatten eines Baumes ausgeruht haben. Dabei soll er einen weißen Adler beobachtet haben, welcher über ihm in der Baumkrone gelandet ist. Daraufhin beschloss Lech eine Stadt zu gründen, welche den Namen „Gniezno“ (deutsch: Nest) erhielt. Die Stadt Gnesen wurde später zum Hauptort der Piasten, dem ersten schriftlich belegten Adelsgeschlecht Polens.

Nach 644: Gründung der Stadt Krakau durch den legendären Herrscher Krak

Die Stadt Krakau war bis 1596 Hauptstadt Polens und soll – laut einer Legende – von Krak, dem Stammesfürst der Wislanen, gegründet worden sein. In der Liste aller polnischen Herrscher wird Krak als zweiter Anführer, hinter Lech, erwähnt. Allerdings gilt seine Existenz, genauso wie bei Lech, als nicht gesichert und legendenhaft.

Im Zentrum der Stadt Krakau befindet sich der Wawel, ein Kalksteinhügel, an dessen Fuß der Wawel-Drache gelebt haben soll. Krak soll den gefräßigen Wawel-Drachen überlistet haben, indem er ihm Schafsfelle anbot, welche entweder mit Schwefel oder mit Steinen gefüllt waren (verschiedene Versionen sind überliefert).

Nachdem der Drache die Felle gefressen hatte, bekam er Durst und lief zur Weichsel. Dort soll er dann ertrunken (Stein-Version) sein oder so viel Wasser getrunken haben, bis er geplatzt ist. (Schwefel Version)

Auf dem Wawel-Berg soll Krak dann eine Burg errichtet haben, welche die Grundlage für die spätere Stadt Krakau wurde. Laut Legende sollen Krak und seine Tochter Wanda im Wawel-Berg beerdigt worden sein.

Krak-Hügel

Der Krak-Hügel (polnisch Kopiec Kraka) befindet sich in Krakau und wurde vermutlich im 7. Jahrhundert von Wislanen als Grabhügel errichtet

Um 840: Die Legende von Popiel, Fürst der Goplanen

Popiel war ein legendärer Anführer der westslawischen Goplanen. Laut dem Chronisten Gallus Anonymus soll Popiel ein Tyrann gewesen sein, welcher seinen Machtbereich nicht vor einfallenden Wikingern schützten konnte. Deshalb wurde er vom Thron gestürzt und verschanzte sich in seiner Stammburg in Kruszwica. Dort sollen ihn die Mäuse gefressen haben.

Nach 840: Piast als Fürst des Polanenreiches

Piast, Stammführer der Polanen, dessen Hauptsitz sich in Gnesen befand, soll sich die Ländereien von Popiel einverleibt haben und dadurch zum neuen Anführer über die Region geworden sein. In der Liste der polnischen Anführer wird Piast als vierter Heerführer, nach Lech, Krak und Popiel erwähnt. Auch Piast besitzt lediglich einen Legendenstatus.

9. Jahrhundert: Piastenstaat der Polanen

Die westslawischen Polanen wurden, unter der Führung der Piasten, ab 880 zum Namensgeber des späteren Polens. Ihr Anführer Piast war noch ein Kleinherrscher, dessen Machtzentrum sich um Gnesen und Posen erstreckte. Das Wappen der Piastenfürsten war bereits der polnische Adler auf rotem Grund. Jenes Wappentier wird in der Ursprungserzählung von Lech bereits erwähnt.

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Polnische Adler der Piastenfürsten


In den Nachfolgejahren begannen die Piasten die benachbarten slawischen Stämme zu erobern und zu unterwerfen. Die Gebiete um Posen und Gnesen erfuhren in diesem Zeitraum eine erste Blütezeit, während die eroberten Gebiete entvölkert wurden. So wurden in der Peripherie um Posen und Gnesen zahlreiche Burgketten errichtet, welche zahlreiche Arbeitskräfte und Holzvorkommen verlangten.
Slawische Polen

Siedlungsgebiete der Westslawen in Polen


Durch die Vertreibung der benachbarten Westslawen wuchs der Machtbereich der Polanen, unter Piast – später unter seinen Nachfahren: Siemowit (ab 870), Lestek, Siemomysł (ab 930). Alle jene Herrscher gelten als nicht historisch gesichert und daher legendär.

Ab 960: Herzogtum Polen unter Mieszko I.

Auf Siemomysł (legendär) folgte im Jahr 960 n.Chr. der erste gesicherte Anführer Polens. Sein Name war Mieszko I., vermutlich der Sohn von Siemomysł. Zum Zeitpunkt seines Herrscheranspruchs war ein Großteil des heutigen Polens bereits unterworfen oder annektiert. Zentrum der Herrschaft blieb Gnesen und das 50 km weit entfernte Posen.

Piastenstaat um 960

Piastenstaat um 960 zum Herschaftsantritt Mieszkos


Mieszko I. wurde als erstmalig 962/63 vom Geschichtsschreiber Widukind von Covey als rex Misaca (König Misaca) erwähnt. Dieser beschrieb ihn als großen Anführer bzw. Heerführer (Herzog). Mit ihm trat der damalige Piastenstaat als organisiertes Staatsgebilde (Herzogtum) in die europäische Geschichte ein.
Mieszko I.

Darstellung von Mieszko I., dem ersten historisch zuverlässigen polnischen Fürsten

963: Zwei Niederlagen gegen slawische Stämme

Wichmann II. war sächsischer Graf und ein Vetter von König Otto I. (der Große). Dieser rebellierte gegen seine Verwandten und schloss sich etwa 955 mit slawischen Stämmen zusammen, um gegen das Heilige Römische Reich vorzugehen.

Da aber auch die Polanen, unter Mieszko I., sich immer weiter ausdehnten und eine Gefahr für die Slawen darstellten, kämpfte Wichmann im Jahr 963 gleich zweimal gegen Mieszko. In beiden Schlachten war Mieszko unterlegen und verlor seinen Bruder.

Ab 965: Verbindung mit dem Heiligen Römischen Reich

Um gegen die Slawen und Wichmann vorgehen zu können, brauchte Mieszko starke Verbündete. Und so suchte er die Nähe zu Otto dem Großen, schloss dazu ein Bündnis mit Böhmen und heirate die böhmische Prinzessin Dubrawka.

966: Beginn der Christianisierung Polens

Um das Bündnis mit Böhmen und dem Heiligen Römischen Reich zu bekräftigen, ließ sich Mieszko taufen. Der Zeitpunkt der Taufe wurde in den Annales Jordani auf das Jahr 966 festgelegt, in den Posener Analen auf 960. Mit seiner Taufe und der Bekennung zum Christentum, begann die Christianisierung im Piastenstaat bzw. im Herzogtum Polen.

Dies hatte den Vorteil, dass christliche Nachbarn nicht unter dem Vorwand der Christianisierung ins Herzogtum einfallen konnte. Der Übergang zum Christentum wirkte demnach als Stabilitätsanker, als religiös-kultureller Aufstieg in Europa und zugleich als Zugang zu christlichen Verbündeten.

Weiterhin war es die Aufgabe des polnischen Herrschers gegen die Heiden (Slawen) vorzugehen, wodurch gezielte Eroberungen oder Vertreibungen legitimiert worden.

967 bis 979: Kampf gegen Ostpommern und Bündnis mit Dänemark

Wichmann, welcher weiterhin in Ungnade lebte, schloss sich mit den pommerischen Slawen zusammen, um nochmal gegen Mieszko vorzugehen. Im Zuge der Schlacht von Wollin starb Wichmann 967. Das Schwert des sächsischen Markgrafen lieferte Mieszko bei Otto dem Großen ab und ein Vorstoß gegen Pommern stand nun nichts mehr im Weg.

Zwischen 967 und 979 wurde Ostpommern unterworfen, wodurch das Herzogtum Polen den Zutritt zur Ostsee gewann. Um die Lage an der Ostseeküste zu stabilisieren, ging Mieszko ein Bündnis mit Sven Gabelbart aus Dänemark ein, indem seine Tochter die Ehefrau des dänischen Königs wurde.

968: Gründung des ersten polnischen Bistums

Nach der Taufe (966) ließ Mieszko eine Bischofskirche in Posen erbauen. Laut einer Legende entstand die Kirche an jenem Ort, wo die Taufe stattfand. Für die Taufe entsandte Johannes XIII. den Missionsbischof Jordanes, welcher nach Erbau der Bischofskirche zum ersten Bischof in Polen wurde.

1068 wurde die Bischofskirche von Posen, bei polnisch-böhmischen Auseinandersetzungen, zerstört. Auf dem Terrain wurde dann der Posener Dom errichtet, welcher heute noch existiert.

978: Beginn der böhmisch-polnischen Konflikte

Dubrakwa von Böhmen, Ehefrau Mieszkos, starb 977 und hinterließ zwei oder drei Kinder:

  • Boleslaw, welcher später erster König von Polen werden sollte
  • Świętosława, welche die Ehefrau des Dänenkönigs Sven Gabelbarts wurde und wohlmöglich Mutter von Knut dem Großen war
  • wohlmöglich Vladivoj von Böhmen, dessen Herkunft als nicht gesichert gilt

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Mieszko 978 erneut und zwar Oda von Haldensleben, Tochter des sächsischen Grafen Dietrich von Haldensleben. Dieser war Markgraf der Nordmark, wodurch das nördliche Nachbarland zum Bündnispartner wurde.

Diese Hochzeit bedeutete eine politische Neuausrichtung Polens, weg von Böhmen und hin zu römisch-deutschen Beziehungen. Dies führte zum Bruch mit Böhmen und war Auslöser des böhmisch-polnischen Krieges von 989 und anhaltenden Konflikten, welche längerfristig andauern sollten.

989: Beginn des Böhmisch-polnischen Krieges

Im Krieg zwischen Polen und Böhmen gelang es dem Herzogtum Teile von Mähren, Schlesien und das Land Krakau (Kleinpolen) zu erobern. Dafür verlor Polen Gebiete im Osten. Dieser Krieg sollte immer wieder neu entflammen und noch bis 1053 andauern. Zum Pfingstfest 1053 soll Heinrich III. (römisch-deutscher Kaiser) den Konflikt beendigt haben, indem er in Quedlinburg beschloss, dass Breslau und andere Burgen an Polen zurückgegeben werden. Im Gegenzug erhielt Böhmen jährliche Abgaben aus Polen.

990-er Jahre: Kampf gegen slawische Verbände

991 wurde der restliche Teil Pommerns unterworfen. Die Lutizen bildeten ab 983 einen Bund aus Elbslawen, um gegen die Christianisierung durch Polen, die Tributzahlungen durch die Nordmark oder das Heilige Römische Reich vorzugehen.

Königreich Polen

Als 992 Mieszko starb, übernahm sein Sohn Boleslaw Chrobry das Fürstenamt. Beim Akt von Gnesen wird Boleslaw vom römisch-deutschen Kaiser Otto III. in den Königsstand erhöht. Dies geschah 1000 n.Chr. Aber die offizielle Königskrönung geschah erst 1025, weshalb beide Jahre als Gründungsjahre des Königreiches angeführt werden.

Polen zu Zeiten Boleslaw Chrobry

Herrschaftsgebiet Bolesławs I. in den Jahren 992 bis 1025 (Kartenausschnitt aus Putzgers Historischer Schul-Atlas, 1905)

997 n.Chr.: Der Missionar Adalbert von Prag wird von Pruzzen erschlagen

Im Nordosten Polens siedeln 997 die heidnischen Prußen. Die Pruzzen sind ein baltischer Volksstamm, deren Urheimat der polnisch-litauische Ostseeraum zwischen Weichsel und Memel ist.

Der Missionar Adalbert wurde 982 zum Bischof von Prag ernannt, versuchte in seinem Amt diverse Reformen anzustoßen, wodurch er von geistlichen und weltlichen Würdenträgern kritisiert wurde. Deshalb verließ er Prag und reiste Richtung Ostsee, um dort Heiden zu christianisieren.

Die Prußen erschlugen Adalbert von Prag am 23. April 997. Einige Jahre später wurde Adalbert durch Papst Silvester II. heiliggesprochen und fortan als Märtyrer verehrt.

999 n.Chr.: Gnesen wird zum Wallfahrtsort des Christentums

Der polnische Herzog Boleslaw erfuhr von der Ermordung des Heiligen und schickte Leute ins Prußenland, um die Gebeine des Bischofs von Prag zu sichern. Diese wurden 999 n.Chr. nach Gnesen verschafft, wo der Märtyrer christlich bestattet und ihm zu Ehren ein Denkmal errichtet wurde. Dadurch wurde Gniezno zum Wallfahrtsort der Christenheit.

1000 n.Chr.: Akt von Gnesen

Im Jahr 1000 wurde die Kathedrale von Gniezno (Gnesen) errichtet und die Gebeine des Bischofs wurden umgebettet. Der römisch-deutsche Kaiser Otto III. reiste nach Gnesen, um das Grab des Märtyrers zu besuchen. Dabei kam es zum Akt von Gnesen, wodurch die Stadt zur Kirchenprovinz erklärt und Fürst Boleslaw von Polen in den Königsstand erhoben wurde.

Ab 1000 n.Chr.: Polonie ersetzt den Piastenstaat

Kurz nach seiner Erhöhung lässt Boleslaw Münzen, mit der Aufschrift „Princes Polonie“ prägen. Dadurch verbreitet sich die Botschaft, dass das Herzogtum fortan ein Königreich ist, über die Händler und Kaufleute. Dadurch verschwindet allmählich die alte Bezeichnung „Piastenreich“ und wird zunehmend durch Polonie (Polen) ersetzt.

Münzprägung Boleslaw Chrobry princes polonia

Münzprägung Boleslaw Chrobry „Princes Polonie“ (1000 n.Chr.)

1025 n.Chr.: Krönung des ersten Königs Polens

Mit Zustimmung des Papstes Silvester II. lässt sich Boleslaw Chrobry zum ersten König Polens krönen und erhält den Titel Bolesław I..

erster könig von polen Boleslaw Chrobry

Erster König von Polen: Boleslaw Chrobry, gedruckt auf einer polnischen Banknote


Mit der Erhöhung zum König sind diverse Rechte verbunden, wie die Investitur – wonach der König eigenständig Bischöfe einsetzen kann. Außerdem erhielt Kaiser Otto III. einen Arm des Märtyrers Adalbert als Reliquie und es wurde die Heirat zwischen Mieszko II., Sohn Boleslaws und Richeza, einer Nichte des Kaisers, verabredet.

Ab 1025: Der König von Polen wird zum Herzog

Bolesław I. starb im Jahr seiner offiziellen Krönung (1025).
Nach dem Tod Bolesław I. wird ab 1025 sein Sohn Mieszko II. zum König von Polen. Der damalig römische deutsche Kaiser Konrad II. forderte die Herausgabe der königlichen Abzeichen von Mieszko II., da die Krönung ohne sein Einverständnis erfolgt sei. Mieszko weigerte sich, weshalb Konrad ab 1029 einen Feldzug gegen ihn führte.

In den Folgejahren verlor Mieszko das Reich an seinen Halbbruder Bezprym. Als dieser 1032 ermordet wurde, kehrte er zurück. Beim Hoftag zu Merseburg vom 7. Juli 1033 akzeptierte Konrad ihn als Herrscher in Polen, allerdings nur unter der Bedingung, dass Mieszko auf die Königswürde verzichtet.

Als Mieszko II. 1034 starb, hinterließ er ein kriegszerrüttetes Land und der Verzicht auf die Königswürde führte Polen erneut in eine Abhängigkeit vom römisch-deutschen Kaiser. Erst Kasimir der Große sollte 1333 wieder zum König von Polen aufsteigen. Alle auf Miezko II. folgende Herrscher waren lediglich Herzog von Polen und genossen nicht die oben genannten Rechte.

1138 n.Chr.: Einführung des Seniorats

Im Mittelalter war es in osteuropäischen Staaten üblich, die Herrschaft über ein Fürstentum oder Königreich an alle Erben zu verteilen. Der älteste Sohn soll die Oberherrschaft innehaben und auf die jüngeren Erben einwirken. Dadurch sollen Erbstreitigkeiten verhindert werden.

Mit dem Tod von Bolesław III. Schiefmund (1138) griff dieses Senioratsprinzip, wonach vier Söhne jeweils einen Teil des Königreiches erhielten. Der älteste Sohn Władysław II. – der Vertriebene genannt – wurde zum Seniorherzog von Polen ernannt, erhielt Schlesien und das Krakauer Gebiet mit der Hauptstadt. Damit erhielt er die Oberherrschaft über alle andere Herzöge, welche seine Brüder waren.

Ab 1138 n.Chr.: Teilung der Piastenstaates

Die Teilung der Piasten geschah direkt nach Boleslaw Schiefmunds Tod. Dadurch wuchs der Einfluss der Piasten über Polens Grenzen hinaus, bis nach Böhmen, Schlesien und Kujawien. Folgende Staaten entstanden unter Führung der Piastendynastie:

  • Herzogtum Masowien
  • Herzogtum Kujawien
  • Seniorherzogtum Kleinpolen mit Krakau als Hauptsitz
  • Herzogtum Großpolen
  • Herzogtum Schlesien

Zwar wurde das Piastengeschlecht insgesamt gestärkt, doch das polnische Territorium litt unter der Teilung.

Nach 1138 bis 1295: Zeit der polnischen Kleinfürstentümer

Die Einführung des Seniorats, welche die Herzogtümer stärken sollte, stellte sich schon bald nach Boleslaw Tod als unwirksam heraus. Denn zwischen den Herzogtümern herrschte Uneinigkeit und der älteste Sohn (Władysław II.) wurde von den anderen Erben nicht als Primus akzeptiert. Fehden und Intrigen unter den Familienmitgliedern sorgten dafür, dass sich die einzelnen Erblinien immer weiter aufsplittern werden.

1039 n.Chr.: Gnesen wird von Böhmen verwüstet

Im Sommer 1039 führte der böhmische Fürst Břetislav I. einen Feldzug nach Polen. Dabei verwüstete und plünderte er Städte, wie Gnesen und Krakau. In Gnesen ließ Břetislav I. die Gebeine des Adalbert von Prag ausgraben und die Břetislav-Dekrete verlesen.

Laut diesen Dekreten soll der Tote freiwillig nach Prag (Böhmen) zurückkehren wollen. Daraufhin wurden die Überreste von Gnesen nach Prag geschafft und im Veitsdom beerdigt. In Gnesen blieben nur einige wenige Überreste zurück, welche heute in einem Silberschrein über dem Hochaltar aufbewahrt werden.

Nach 1039: Krakau wird Hauptstadt Polens

Nachdem Gnesen verwüstet war und die heiligen Reliquien verloren waren, beschloss Kasimir I. – der Erneuerer genannt – den Herzogssitz nach Krakau zu verlegen. Denn die Stadt war weniger zerstört und bot eine Nähe zu Ungarn und der Kiewer Rus, welche zu Bündnispartner Polens wurden.

1177: Zusammenbruch der Verfassung

Kasimir II. oder Kasimir der Gerechte genannt – war fünfter Sohn von Bolesław III. und ist im Jahr 1138, im Todesjahr seines Vaters, geboren. Da Kasimir beim Ableben seines Vaters noch nicht auf der Welt war, wurde er im Testament nicht berücksichtigt. Demnach erhielt er keine Ländereien und Herzogtümer. Erst nachdem sein ältere Bruder gestorben war, wurde ihm vom Seniorherzog ein winziges Gebiet in Wiślica zugewiesen.

Ab 1177 vertrieben Adelige aus Kleinpolen Kasimirs älteren Bruder Mieszko III. Dieser Staatsstreich befähigte Kasimir, den Seniorthron zu besteigen, was er auch tat. Doch sein Bruder kehrte zurück und stürzte ihn im Jahr 1191. Doch auch Kasimir kam mit Hilfe der Kiewer Rus zurück und holte sich das Privileg des Seniorherzogs zurück. Als er am 5. Mai 1194 ein Festmahl abhielt, starb er unerwartet.

Nach Kasimirs Tod wollte Mieszko III. das Krakauer Gebiet erneut regieren, scheiterte aber an den Adeligen, welche ihn nicht unterstützten. Diese favorisierten den minderjährigen Leszek, genannt der Weiße.

Mieszko bewirkte, dass er Leszek Vormund sein würde und regierte in Teilen mit. Er starb 1202 und überließ Leszek das Privileg des Seniorherzogs, welcher dieses Amt allerdings erst 1211 vollends ausübte.

1226: Konrad von Masowien bittet den Deutschritterorden um Hilfe

Der polnische Herzog Konrad von Masowien begann ab 1225 damit, das Gebiet um Kulm (Chelmno) zu christianisieren und die heidnischen Prußen aus ihrem Terrain zu vertreiben. Die Expansionspolitik Konrads scheiterte und fortan begannen die Prußen damit, in Masowien einzufallen. In seiner Verzweiflung bat Konrad den Deutschen Orden um Hilfe und versprach dem Ritterorden das Kulmer Land als Lehensgebiet.

1230/31: Gründung des Deutschordensstaates auf polnischen Gebiet

Im Kulmer Land gründete der Deutsche Orden die Stadt Torun (deutsch: Thorn). Die Gründung der Siedlung wird zugleich die Erschaffung des Deutschordensstaates, welcher in den Folgejahren in Polen expandieren wird. Zwischen 1230 und 1283 eroberte der Deutsche Orden zahlreiche Gebiete der Prußen, nahmen sich dieses Gebiet, christianisierten die dort ansässigen Heiden und erweiterten so ihr Territorium.

Deutschordensstaat

Gebiet des Deutschordensstaates mit Grenzen zu Polen

1241 Schlacht bei Liegnitz: Die Mongolen überfallen Schlesien

Im 13. Jahrhundert breiteten sich die Mongolen von Westsibirien bis Osteuropa aus. Bei der Schlacht von Wahlstatt (1241) wurde das Herzogtum Schlesien durch die Mongolen besiegt. Da beim Mongolensturm Heinrich II., Herzog von Schlesien, starb – wurde Schlesien in der Folge an dessen Söhne verteilt und zerfiel anschließend weiter.

1260: Beginn der deutschen Kolonisationspolitik in Polen

Im Jahr 1260 teilte sich das Mongolenreich und das mongolische Khanat der Goldenen Horde reichte bis nach Osteuropa. Die Gefahr aus dem Osten wurde durch das Heilige Römische Reich durchaus wahrgenommen und in Polen sahen die deutsch-römischen Kaiser keine geeignete Schutzmacht, um den Mongolensturm aufzuhalten. Erste Bestrebungen einer römisch-deutschen Kolonisation Polens begannen sich zu entwickeln. Auch Böhmen und Litauen begannen damit, ihre Gebiete um polnisches Terrain zu erweitern.

1264: Statut von Kalisch

Um die Wirtschaft, Innovationen im Militärwesen oder allgemein die Wissenschaft voranzutreiben, begann Polen seine Grenze gegenüber gut ausgebildeten Fachpersonal zu öffnen. Da die Judenverfolgung bereits im 13. Jahrhundert bestand, migrierten zahlreiche Juden nach Polen. Die jüdische Bevölkerung war gut ausgebildet und sorgte für einen Aufschwung in Großpolen.

Um die Juden vor Vertreibung und Verfolgung zu schützen, wurde ein Judenschutzbrief am 8. September 1264 in der Stadt Kalisz (deutsch: Kalisch) erlassen. Die Judenordnung sicherte allen Juden im Herzogtum Großpolen zu, dass diese ungehindert ihre Religion ausüben dürfen, vor Gewalt oder Übergriffen geschützt waren und ihr Besitz durch die großpolnische Verfassung gesichert wurde.

In der Folge kamen immer mehr Juden nach Polen und Großpolen entwickelte sich im Mittelalter zu einem Zentrum des Judentums.

1271: Besetzung Pommerns durch die Brandenburger

Ab 1266 geriet Pommern in Erbfolgekämpfe zwischen den Nachfahren von Herzog Swantopolk II.

Der älteste Sohn Swantopolks war Mestwin II.. Dieser sollte der letzte souveräner Herzog von Pommerellen werden. Denn nach dem Tod des Vaters begannen die Kriege mit seinen Verwandten, welche das Herzogtum ebenfalls beanspruchten. Mestwin suchte sich militärischen Beistand bei den Askaniern aus der Mark Brandenburg gegen seinen Onkel Sambor II..

Die Brandenburger rückten 1271 in Polen ein und nahmen sich Pommern und die Stadt Danzig. In seiner Verzweiflung wandte sich Mestwin II. an seinen Vetter Herzog Bolesław VI., um Danzig zurückzuerobern. Die Rückeroberung gelang und Danzig ging zurück an Mestwin, dem letzten Herzog von Pommerellen aus dem Geschlecht der Samboriden.

Als Mestwin 1294 starb, hinterließ er keinen männlichen Erben, wodurch es ab 1305 zu Erbfolgekämpfen zwischen Polen und der Mark Brandenburg kommen wird. Doch bis dahin übernahmen die Piasten aus Großpolen und später das Königreich Böhmen die Regierungsgeschäfte.

1300: Polen wird böhmisch

Danzig und Pommerellen wurden in der Folge von Herzog Przemysł II. regiert. Dieser war zuvor bereits der Seniorherzog in Kleinpolen (Krakau), Herzog von Großpolen in Kalisch und seit Mestwins Tod (1294) auch Herzog von Pommerellen.

Aber Przemysł hatte lediglich eine Tochter. Wieder fehlte ein Erbe und nachdem Przemysł II. im Jahr 1296 starb, fielen die polnischen Herzogtümer an den böhmischen Wenzel, welcher sich fortan als König von Böhmen und ab 1300 auch als König (Großherzog) von Polen bezeichnete. Dieser bemächtigte sich, indem er die polnische Kirche und das polnische Bürgertum für sich gewann. Mit der Heirat von Przemysłs einziger Tochter untermauerte Wenzel seinen Anspruch.

1305: Erste kleine Wiedervereinigung unter Władysław I. Ellenlang

Władysławs I. Ellenlang

Sarkophag- Bild von Władysławs I. Ellenlang in der Wawelkirche von Krakau


Władysław I. Ellenlang entstammt der kujawischen Linie der Piasten. Der böhmisch-polnische König Wenzel vertrieb ihn 1300 aus Polen ins ungarische Exil. Mit Hilfe von Ungarn, welche in Böhmen ebenfalls Interessen hatten, kam Władysław 1304 zurück. Sein Machtbereich wuchs in den Folgejahren an, weshalb man wieder von einem kleinpolnischen Königreich sprechen kann:

  • 1304–1333: Herzog von Kleinpolen in Wiślica;
  • 1305–1333: Herzog von Kleinpolen in Sandomierz
  • 1305-1333: Herzog in Sieradz (Schieratz) und Łęczyca (Lentschitza)
  • 1305–1332: Herzog von Kujawien in Brześć (Brest)
  • 1306–1333: Herzog von Kleinpolen in Krakau
  • 1306–1309: Herzog von Pommerellen
  • 1306–1329: Herzog von Dobrin
  • 1306–1332: Herzog von Kujawien in Inowrocław
  • 1314–1333: Herzog von Großpolen

Schon während seiner Regentschaft verlor er Brest, Pommerellen, Dobrin und Kujawien an den aufstrebenden Deutschordensstaat.

1308: Besetzung von Danzig durch den Deutschritterorden

Die Erbfolgekämpfe um Danzig begannen etwa 1306, nachdem Wenzel (Böhmen) verstarb und die Erbfolge seit Mestwins Tod (1294) nicht geregelt war.

In den Jahren nach 1306 begannen die Brandenburger eine Armee aufzustellen und nahmen 1308 die Stadt Danzig ein. In ihrer Verzweiflung bat Seniorherzog Władysław I. Ellenlang den Deutschen Orden um Hilfe, welcher die Stadt ab 1308 besetzte und die Brandenburger vertrieb.

Da aber Władysław I. Ellenlang nicht bereit war, die Kriegsschulden zu zahlen, behielt der Deutsche Orden die Stadt und integrierte Danzig in den Deutschordensstaat ein. Die Übernahme von Danzig sollte das Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und Polen für Jahrhunderte zerstören. Aus den einstigen Verbündeten gegen die heidnischen Prußen wurden nun erbitterte Feinde.

In den Folgejahren werden Brest, Dobrin und das Herzogtum Kujawien vom Deutschordensstaat annektiert. (siehe oben Machtbereiche von Władysław I. Ellenlang)

1333: Abschaffung der Teilfürstentümer unter Kasimir den Großen

Kasimir der Große entstammte, genauso wie sein Vater Władysław Ellenlang, aus der Linie der kujawischen Piasten. Unter seiner Regentschaft wurden die Erbstreitigkeiten beigelegt, welche in Polen seit Einführung des Senioratsprinzips (1138) bestanden. Weiterhin gab er umkämpfte Gebiete in Schlesien auf und widmete sich der Expansion nach Osten.

kasimir der große

Siegel von Kasimir dem Großen


Mit seiner Krönung zum König (1333) wird die Geschichte der Teilherzogtümer beendet und Polen steigt als altes bzw. neues Königreich in der europäischen Geschichte auf.

1364: Gründung der Universität in Krakau unter Kasimir den Großen

Um seine Reichsreformen nachhaltig umsetzten zu können, gründet Kasimir die Krakauer Universität im Jahr 1364 – dessen Gelehrten an Gesetzesvorschlägen arbeiten. Dadurch entstanden erstmalig einheitliche Gesetze für ganz Polen, welche einer erneuten Teilung entgegenwirken sollten. Die Universität gilt als älteste Universität Polens und wurde 1817 in Jagiellonen-Universität unbenannt. Die Jagiellonen waren ein litauisches Adelsgeschlecht, welches 1386 zum polnischen König aufstieg. (siehe unten)

1370: Statut von Wiślica

Das Statut von Wiślica war eine Ausweitung des Statuts von Kalisch (1264), welches Kasimirs Großvater erlassen hat. Sie wurden im Todesjahr von Kasimir dem Großen erlassen.

Durch das Statut von Wislica griffen die Judenschutzrechte, welche bis dahin nur für Großpolen galten auch in Kleinpolen. Für Kleinpolen um Krakau war dies die erste rechtmäßige Verfassung überhaupt.

In den Statuten (Gesetzen) wurde, neben dem Judenschutz, auch geregelt:

  • welche Zuständigkeit die Justizbehörden hatten
  • dass Gesetze strikt und unwiderruflich vollstreckt werden müssen
  • dass sich jeder von einem Anwalt vertreten lassen kann
  • dass eine einheitliche Münzwährung in Polen eingeführt wird, welche im Gewicht der Münzen gleich sein soll
  • dass jeder Bauer vor feudaler Unterdrückung geschützt werden muss
  • dass jeder das Recht auf Selbstverteidigung hat
  • dass Minderjährige nicht verfahrenstauglich sind und deshalb bis zu deren Volljährigkeit gewartet werden muss
  • dass Ritter und Adlige zum Kriegsdienst verpflichtet sind
  • dass Niemand durch Gesetzesverstöße profitieren dürfe
  • dass Richter unparteilich, ehrlich und gerecht handeln müssen

1370: Ende der Piasten-Dynastie

Als Kasimir der Große am 5. November 1370 starb, hinterließ er nur Mädchen. Dadurch starb die Piastenlinie aus. Zuvor hatten über Dreijahrhunderte nur Piastenkönige oder Seniorherzöge mit piastischen Wurzeln auf dem Thron gesessen. Die Ausnahme waren lediglich die böhmische Fremdherrschaft durch Wenzel II. (1300 bis 1305) und dessen Sohn Wenzel III. (1305 bis 1306).

Das Senioratsprinzip von 1138 bewirkte, dass sich die Piastenlinie als Herrscherdynastie in Polen über 3. Jahrhunderte halten konnte, bewirkte aber auch, dass das Reich in der Zeit gespalten war. Durch die Reichsreformen des Kasimir III. (der Große) wurde diese Ära beendet und die Piasten als polnische Herrscherlinie starben endgültig aus.

1382: Hedwig als erste Königin von Polen

Da ab 1370 ein Erbe von Kasimir den Großen fehlte, ging Polen eine Personalunion mit dem verbündeten Ungarn ein. Neuer König von Polen war zwischen 1370 und 1382 Ludwig der Große. Da auch dieser nur Mädchen hatte, war die Thronfolge wieder schwierig. Doch Ludwig der Große hatte im Kaschauer Privileg vom 17. September 1374 eine Einigung mit dem polnischen Adel erlangt, wonach eine seiner Töchter die Erbfolge antreten dürfe. Mit Ludwigs Tod (1382) ging der Königsstuhl an Ludwigs Tochter Hedwig von Anjou.

königin hedwig von polen banknote

Königin Hedwig von Polen gedruckt auf einer polnischen Banknote


Hedwig bzw. polnisch als Jadwiga bezeichnet, wird seit 1997 als Heilige verehrt und gilt im polnischen Nationalbewusstsein als sehr präsent. Denn Hedwig schuf während ihrer Regierungszeit eine Verbindung zu Litauen, wodurch später das Großreich Polen-Litauen entstehen konnte.
hedwig Jadwiga von polen erste königin

Krakau, Kleinpolen – 15.08.2022: Die Königin-Heilige Hedwig (Jadwiga) Andegawen Grabskulptur. Königliche Erzkathedrale auf dem Wawel-Hügel. Künstler Madeyski, 1902. Bildnachweis: ERA Foto / Shutterstock.com

Hedwig war seit 1380 mit dem Habsburger (Österreicher) Wilhelm – genannt der Ehrgeizige – verlobt. Die Verlobung mit der angehenden polnischen Königin hätte den Einfluss der Habsburgermonarchie in Polen und Osteuropa erheblich genutzt. Für eine Entschädigung von 200.000 Florentiner wurde die Verlobung aufgelöst und Hedwig konnte ab 1382 die Königin von Polen werden.

Durch die Hochzeit mit dem litauischen Großfürsten Jogaila im Jahr 1386 entstand die Verbindung zu Litauen, wodurch beide Reiche eine Allianz gegen den Deutschordensstaat, Böhmen und die Habsburgermonarchie bilden konnten. Da sich Jogaila im Zuge der Allianz mit Polen auf den Namen Wladyslaw II. taufen ließ, wurde die Christianisierung im Fürstentum Litauen eingeleitet.

Wladyslaw II. jogaila königin hedwig Jadwiga

POLEN – CA. 1964: Eine von POLEN gedruckte Briefmarke zeigt Bildporträts des Großfürsten von Litauen, des polnischen Königs Wladyslaw II. Jagiello und seiner Frau Königin Jadwiga, um 1964, Bildnachweis: Sergey Goryachev / Shutterstock.com


In Polens Geschichtsbewusstsein ist Hedwigs Ablehnung zu den Habsburgern und Hinwendung zu Litauen unvergessen, da die Doppelmonarchie das Königreich Polen zurück an die europäische Spitze brachte. Die Jahre der Demütigung, in den sich der Deutschordensstaat an polnischen Gebiete bediente, sind mit der Hochzeit vorbei.

1386: Personalunion Polen-Litauen

Die Hochzeit von Jogaila und Hedwig wurde vertraglich als Union von Krewo festgesetzt. Hedwig und Jogaila, vom Adelsgeschlecht der Jagiellonen, regierten ab 1386 zusammen das polnische Königreich sowie das litauische Fürstentum. Diese Personalunion sollte bis 1569 andauern und dann in eine polnisch-litauische Adelsrepublik überführt werden.

1410: Schlacht von Tannenberg

Die Schlacht von Tannenberg wird im polnischen und litauischen Geschichtsbewusstsein als Heldenepos gefeiert. Denn die Allianz aus Polen und Litauen schaffte es, das Heer des Deutschen Ordens vernichtend zu schlagen.

Schlacht bei Grunwald

POLEN — 1960: Briefmarke mit einem Gemälde von Jan Matejko (poln. Historienmaler), welches die Schlacht bei Tannenberg (Grunwald) von 1410 darstellt, bei der polnisch-litauischen Streitkräfte den Sieg über den Deutschen Orden erringen konnten, Bildnachweis: World of Stamps / Shutterstock.com


Die Stadt Danzig war seit 1308 durch den Deutschen Orden besetzt. Unweit von Danzig treffen im Jahr 1410 etwa 65.000 Soldaten aus einer Allianz aus Polen und Litauen auf das Ordensheer. Der Sieg über das Ordensheer hatte weitreichende Folgen für Polen, Litauen und den Rest Europas.

  • Die Personalunion Polen-Litauen stieg zur europäischen Großmacht auf.
  • Im Friedensvertrag von Thorn wird der Deutschordensstaat gezwungen, zukünftig Geldbeträge an Polen zu zahlen, wodurch der Deutschordensstaat zunehmend verarmte.
  • Da der Deutsche Orden der Landesheer von vielen Handelsstätten war, wurden zunehmend Steuern erhoben.
  • 53 Adlige, 19 Städte – wie Danzig, Elbing und Thorn – schlossen sich am 14. März 1440 zum einem Bund zusammen, um gegen die Steuerpolitik des Ordensstaates vorzugehen.
  • Nachdem der Ordensstaat nichts an der Steuerpolitik änderte, verbündete sich der Städte-Bund mit Polen.

1454 bis 1466: Dreizehnjähriger Krieg

Der Städte-Bund stellte sich unter den Schutz der polnischen Krone. Insbesondere die Wojewodschaften Kulm, Marienburg und Pommerellen sowie das Fürstbistum Ermland standen fortan unter polnischen Schutzherrschaft gegen den Ordensstaat.

Preußen, Polen, Deutschordensstaat 1525

Hellgrau: Herzogliches Preußen mit Ostpreußen und Brandenburg-Preußen, Die farbigen Gebiete Kulm, Marienburg und Pommerellen und das Fürstbistum Ermland waren ebenfalls preußische Gebiete unter dem Ordensstaat als Landesheer, verbündeten sich allerdings mit Polen und blieben nach dem Krieg unter dem Schutz Polens

Beim Dreizehnjährigen Krieg (1454 – 1466) – auch als Preußischer Städtekrieg bezeichnet – kämpften die Mitgliedsstädte des Städte-Bundes zusammen mit Polen gegen den Ordensstaat. Bei diesem Konflikt wurden Teile des Ordensstaates vom Kernland abgespalten und in Polen integriert.

Beendet wurde der 13-jährige Krieg durch den Zweiten Frieden von Thorn. Dem Deutschen Orden wurde beim Friedensabkommen das nordöstliche Gebiet um Königsberg zugesprochen. In der deutsch-preußischen Geschichte wird dieses Gebiet später als Ostpreußen bezeichnet. (Preußen als Gebiet oder Staat entstand im 16. Jahrhundert aus dem Überbleibsel des Ordensstaates. Die Pruzzen, welche einst dort siedelten, wurden zum Namensgeber des Staates).

Andere Gebiete, wie Kulm, Marienburg, Pommern und Ermland werden von Historikern als Königlich-Preußen oder Polnisch-Preußen bezeichnet und wurden damals dem polnischen König unterstellt. (Preußen als Bezeichnung gab es damals noch nicht)

Die oben genannten Städterepubliken erhielten allerdings ihre wirtschaftliche, kulturelle und politische Autonomie. Diese Unabhängigkeit war während des Krieges oder vor dem Krieg bereits abgesprochen wurden. Die Autonomie brachte für die deutsch geprägten Städte, welche teilweise zur Hanse gehörten, eine neue Blütezeit.

Der östliche Rest des Ordensstaates, aus dem später Ostpreußen hervorgehen sollte, wurde zwischen 1466 und 1525 ein Gebiet, welches dem polnischen König zur Treue und zur Heeresfolge verpflichtet war. Preußen entstand erst nach der Reformationsbewegung (Kirchenspaltung) von 1517.

1493: Der polnische Sejm entsteht in Krakau

Der königliche Rat, bestehend aus Bischöfen und polnischen Hochadel, trifft sich erstmals 1493 mit niedrigeren Adeligen, um gemeinsame Interessen zu besprechen. Diese Frühform eines Reichstags reicht in Polen bis ins 12. Jahrhundert zurück, findet nun aber verpflichtend alle zwei Jahre statt. Der polnische Sejm (Reichstag) gehört damit zu den ältesten Parlamentseinrichtungen weltweit und wird in der Zukunft immer weiter an Bedeutung gewinnen.

1505: Die neue Verfassung (Nihil Novi) wird verabschiedet

Nihil Novi war die Verfassung des polnischen Reichstags ab 1505. In dieser war festgehalten, dass der König keine neuen Gesetze erlassen darf, ohne dass der Sejm (Reichstag) diesen zustimmt. Diese neue Verfassung war der wichtigste Grundpfeiler für die polnisch-litauische Adelsrepublik, welche ab 1569 in Kraft treten wird.

Ab 1518: Polnische Renaissance unter Sigismund dem Alten

Die Renaissance begann in Polen am Ende des 15. Jahrhunderts. Doch in der Regierungszeit von Sigismund I. (der Alte) wurde diese Kulturepoche staatlich gefördert, weshalb man ihn als Renaissancekönig von Polen bezeichnet. Die kulturelle Blütezeit vor und nach seiner Regierungszeit wird als Polens Goldenes Jahrhundert bezeichnet.

Sigismund der Alte regierte Polen zwischen 1507 und 1548. Ab dem Jahr 1518 war Sigismund mit der italienischen Prinzessin Bona Sforza aus Mailand verheiratet. Nach der Hochzeit kamen auch Italiener nach Polen und trugen die Renaissance von Südeuropa ins osteuropäische Königreich. Die kulturelle Blütezeit wurde finanziell gefördert (Mäzenatentum) und so entstanden Prachtbauten, Bildhauerei und Malerei. Diverse Druckereien des Landes verbreiten Texte der klassischen Antike, welche nun in polnischer Sprache zur Verfügung stehen.

Berühmte Personen der polnischen Renaissance und ihre Werk waren:

  • Veit Stoß, welcher das Grabmal des polnischen Königs Kasimir IV. Jagiello aus Adneter Rot-Scheck-Marmor in der Krakauer Kathedrale schuf
  • Conrad Celtis gründete die „Sodalitas litteraria Vistulana“ in Krakau, die erste wissenschaftliche Gesellschaft
  • Jan Ostroróg schrieb als politischer Schriftsteller über die Trennung von Kirche und Staat oder die Einführung einer allgemein gültigen Wehrpflicht.
  • Mikołaj Rej war Dichter, Politiker und Poet, welcher so einflussreich war – dass ihm König Sigismund ein Dorf stiftete.
  • Jan Kochanowski war ebenfalls politischer Schriftsteller und gilt als ein Begründer der polnischen Literatur.
  • Andrzej Frycz Modrzewski war Humanist, Lutheraner und gilt als Vater der polnischen Demokratie.
  • Nikolaus Kopernikus schuf das heliozentrische Weltbild, welches die Sonne ins Zentrum der Galaxie stellte.

Auch in der Architektur wurde der italienische Einfluss deutlich. So wurden zahlreiche Adelspaläste, Kirchen und Bürgerhäuser nach italienischen oder französischen Vorbild erbaut. Die Stadt Zamość (Padua des Nordens) wurde unter der Leitung des venezianischen Baumeisters Bernardo Morando erbaut, gilt als Modellstadt und steht seit 1992 auf der Liste der UNESCO als Weltkulturerbe.

Rathaus von Zamosc

23. August 2017: Blick aufs Rathaus von Zamosc, Bildnachweis: Svietlieisha Olena / Shutterstock.com

1519-1521: Reiterkrieg gegen den Königsberger Ordensstaat

Der Ordensstaat versuchte sich immer wieder, aus seiner Lehnsverpflichtung gegenüber Polen zu lösen. Der Friedensvertrag von Thorn (1466) hatte bspw. zur Folge, dass das Heer des Deutschordensstaates beim Türkenfeldzug von 1497 teilnehmen und für polnische Interessen kämpfen musste. Das Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Polen wurde für den Deutschen Orden unerträglich und so lehnten sich die Hochmeister des Ordens gegen die polnische Krone auf.

Der Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach, welcher ab 1511 der letzte Anführer des Ordens wurde, leistete den Eid gegenüber der polnische Krone nicht. Stattdessen suchte er die militärische Auseinandersetzung mit Polen, um die Beschlüsse vom zweiten Thorner Frieden rückgängig zu machen.

Der aus der Lehnsverletzung resultierende Reiterkrieg war kein gewöhnlicher Krieg, bei dem sich Heer und Heer gegenüberstanden. Stattdessen suchte weder Polen noch der Deutsche Orden das offene Schlachtfeld, sondern zogen lediglich plündern und zerstörend durch das Emsland oder durch das Gebiet des Deutschordensstaates.

Da der Deutsche Orden weiterhin eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft war, intervenierte das Heilige Römische Reich und griff vermittelnd ein. Am 5. April 1521 wurde auf Drängen des römisch-deutschen Kaisers und des Königs von Ungarn ein vorübergehender Waffenstillstand ausgehandelt. Albrecht von Brandenburg reiste daraufhin in die deutschen Königreiche und suchte Unterstützer gegen Polen.

1525: Der östliche Rest des Deutschordensstaates wird zum Herzogtum Preußen

Albrechts Suche nach Unterstützung in den deutschen Gebieten blieb ergebnislos. Auf Anraten von Martin Luther kehrte Albrecht nach Königsberg zurück, konvertierte zum Protestantismus und wandelte den Deutschordensstaat in ein Herzogtum um. Da der Deutsche Orden auf dem Urgebiet der Prußen entstand, wurde der neue Staat als Preußen bezeichnet.

In den Folgejahren sollte das Herzogtum Preußen ein Zufluchtsort für Christen werden, welche vom katholischen zum evangelischen Christentum konvertierten. Demnach nach Preußen zahlreiche Glaubensflüchtlinge aus Polen und Litauen auf.

1526: Herzogtum Masowien wird Teil des polnischen Königreiches

Nach dem Tod von Herzog Janusz von Masowien (1526) gab es keinen geeigneten Erben. Deshalb wurde das Herzogtum vollends ins Königreich Polen integriert und neue Lehnsverhältnisse wurden nie wieder eröffnet. Mit dem Tod des Herzogs stirbt die masowische Linie der Piasten aus. Da in Masowien auch die Stadt Warschau liegt, wird die Woiwodschaft in der späteren Geschichte an Bedeutung zunehmen.

Ab 1569: Adelsrepublik Polen Litauen (1. Republik)

Die Personalunion von 1386 wurde 1569 in eine Realunion umgewandelt. Mit der Realunion verschmolzen das Königreich Polen, das Großfürstentum Litauen und die unter polnischen Schutz stehenden Stadtrepubliken (Thorner Frieden v. 1466) zu einem gemeinsamen Staat. Andere Länder, wie das Herzogtum Preußen, bestanden als Fahnenlehen weiterhin.

Der Unionsvertrag wurde am 12. August 1569 in Lublin geschlossen. Durch die Lubliner-Union wurde beide Staaten zu einer unteilbaren Sache (polnisch: Rzeczpospolita) erklärt. Zwar behielten beide Staaten eine eigene Verwaltung, ein eigenes Heer und ein eigenes Finanzwesen – jedoch werden sie durch einen Monarchen repräsentiert und durch einen Reichstag (Sejm) regiert. Dadurch traten sie in der Innen- und Außenpolitik als ein untrennbarer Staat auf. Um dies besser repräsentieren zu können, wurde eine einheitliche Münzprägung festgelegt.

Polen Litauen Karte

Karte von Polen-Litauen ab 1569 bis 1793


Vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618) hatte Polen-Litauen seine größte Ausdehnung beanspruchte das Staatsgebiet des heutigen Polens, Lettlands, Litauens und Belarus. Große Teile der Ukraine waren ebenfalls Teil des Staates, genauso wie kleinere Teile von Rumänien, Estland, Moldawiens und Russlands. Es war ein Vielvölkerstaat, in welchem Juden, Christen und Muslime zusammenlebten. Das Statut von Wislica (1370) schützte die Religionsfreiheit.
polen litauen europakarte

Ausdehnung des polnisch-litauischen Staates auf der Europakarte

1572: Tod des letzten Erbmonarchen aus dem Haus Jagiellonen

Die Union zwischen Polen und Litauen geschah unter König Sigismund II. August. Wie alle polnischen Könige der Personalunion (seit 1386) stammte auch Sigismund aus dem Haus der litauischen Jagiellonen. Mit seinem Tod (1572) fehlte ein Erbe. Doch fortan können die Adligen in freier Wahl einen Erben bestimmen.

1573: Warschau wird Hauptstadt Litauen-Polens

Sigismund II. regierte Polen-Warschau weiterhin aus Krakau. Doch nachdem 1526 das Herzogtum Masowien ins polnische Königreich integriert wurde, bot sich die Woiwodschaft im Zentrum Polens als bessere Alternative an. Denn die Nähe zum Königsberger Ordensstaat, von dem immer noch Gefahr ausgehen konnte, veranlasste die neuen Könige dazu – Warschau als Hauptstadt zu wählen. Nach Sigismund Tod (1572) wurde deshalb Warschau als neue Hauptstadt bestimmt und die Königswahl sollte auf dem Wahlfeld Kamion, später Wola – vor Warschaus Toren stattfinden.

1573: Goldene Freiheit auf dem Wahlfeld in Kamion

1573 versammelten sich auf dem Wahlfeld in Kamion etwa 40.000 Adlige, um einen neuen König zu wählen. Das Wahlfeld war eine Zeltstadt vor Warschau, welche eigens dafür errichtet wurde. Da die Königswahl durch gleichberechtigte Adlige äußerst freizügig und modern war, bezeichnete man dies als „Goldene Freiheit“.

Die Adelsrepublik Polen-Litauen war demnach eine Wahlmonarchie und ersetzte die Erbmonarchie des Königreichs Polen. Zur Wahl berechtigt waren der polnische Hochadel sowie der verarmte Landadel in den Provinzen. Jeder Adlige konnte einen neuen König wählen und dessen Stimme war gleichberechtigt. Demnach hatten die einflussreichsten Magnaten bei der Königswahl genauso viel Macht wie der verarmte Landadel.

Stimmenkauf war allerdings üblich. Dies war ein Nachteil dieser Königswahl, genauso wie Vetternwirtschaft und Korruption. Aber die Vorteile, Rechte und Privilegien überwogen.

Königswahl in Polen Litauen

1889 entstandenes Gemälde von Jan Matejko zur Königswahl des Jahres 1573: „Die Republik auf dem Zenit ihrer Macht – die goldene Freiheit.“ (poln.: „Potęga Rzeczypospolitej u zenitu. Złota wolność. Elekcja R.P. 1573“)


Für die Wahl zum König konnten sich auch Ausländer bewerben. Zur ersten Wahl standen:

  • Erzherzog Ernst von Österreich aus dem Hause Habsburger
  • Prinz Heinrich von Valois aus Frankreich

Der Franzose gewann die Wahl und wurde zwischen 1573 und 1574 der erste Wahlkönig der Adelsrepublik Polen-Litauen. Bereits nach einem Jahr verlässt der König sein Königreich, da sein Bruder – der französische König Karl IX. – gestorben war. Somit tritt Heinrich von Valois das Erbe in Frankreich an und wird dort ab 1574 neuer König. Daraufhin wählen die Adeligen in Polen-Litauen 1575 einen neuen König. Diesmal wird es Stephan Báthory aus dem Haus Báthory – einem ungarischen Adelsgeschlecht.

Ab 1587: Schwedenzeit in Polen

Ab 1587 besetzte Sigismund III. den polnisch-litauischen Thron. Der König stammte aus Schweden aus dem Adelsgeschlecht Wasa, welches seit 1521 die schwedischen Könige stellte. Zwischen den Jahren 1587 und 1632 war Sigismund III. König von Polen-Litauen und zwischen 1592-1599 zugleich König von Schweden. Seine Nachfolger in Polen-Litauen waren seine Söhne Władysław IV., welcher Polen-Litauen zwischen 1632 bis 1648 regieren sollte und sein zweiter Sohn, der im Zeitraum ab 1648 bis 1668 regierte.

In der Schwedenzeit kam es zu diversen Konflikten mit dem Königreich Schweden. Denn das schwedische Adelsgeschlecht der Wasa nutzte den polnisch-litauischen Thron, um gegen die schwedische Familie im Erbkönigreich vorzugehen und um die Vorherrschaft im Ostseeraum zu kämpfen.

Die polnisch-schwedischen Kriege setzten zwar bereits vor dem Amtseintritt Sigismund (1587) ein, jedoch wurde deren Langlebigkeit durch die Wasa-Zeit begünstigt.

  • Im Ersten Nordischen Krieg (1558-1583) kämpften Dänemark, Norwegen, Schweden und Polen-Litauen gegen Russland um Gebiete im Baltikum, welche früher Gebiete des Deutschordensstaates waren.
  • In den Schwedisch-Polnischen Kriegen von 1600 bis 1629 kämpfte das Königreich Schweden gegen Polen-Litauen um Erbansprüche im Ostseeraum.
  • Beim Zweiten Nordischen Krieg von 1655 bis 1660/61 kämpfte das Königreich Schweden zusammen mit Russland gegen Polen-Litauen und deren Verbündeten.

Auch Russland wurde ein zunehmender Machtfaktor im Ostseeraum. Und deshalb wurde die Schwedenzeit Polens nicht nur durch Kriege mit dem Erbkönigreich der Wasas bestimmt, sondern auch durch zahlreiche Konflikten dem russischen Zarenreich.

Ab 1598: Beginn größerer Konflikte mit Russland

Iwan IV., genannt Iwan der Schreckliche, starb 1584. Danach fehlte ein geeigneter Erbe. Denn Iwans Sohn Iwan Iwanowitsch wurde wohlmöglich vom russischen Zaren ermordet. Der zweite Sohn Fjordor war ungeeignet und wohlmöglich geistig zurückgeblieben. Und der dritte Sohn Dimitri war nach Iwans Tod verschwunden.

In der Folge übernahm der Adelige Boris Godunow die Führung des Reiches und setzte Fjordor als Marionettenkönig ein. Mit dem Tod Fjordors übernahm Boris Gudonow offiziell die Führung und wurde zum Zar ohne Abstammung. In der russischen Geschichte wird die Zeit zwischen dem Aussterben der Rurikiden-Dynastie (Iwan IV.) und der Neubeginn unter der Romanow-Dynastie (ab 1613) als Zeit der Wirren oder Smuta bezeichnet.

Russland war am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts derart geschwächt, dass polnische Truppen 1605 bis nach Moskau vordingen und einen falschen Zaren, welcher sich als der verschollene Dimitri Iwanowitsch ausgab, auf den Thron setzen konnten. Der Zar sollte polnisch-litauische Interessen in Moskau durchsetzen, wurde vom Volk aber nicht akzeptiert, weshalb die Russen ihn ermordeten und seine Leiche auf dem Roten Platz in Moskau zur Schau stellten.

1609 – 1618: Erster Polnisch-Russischer Krieg

Der erste Polnisch-Russische Krieg begann 1609 und dauerte bis 1618. Der Kriegsgrund war die innere Instabilität in Russland, was Polen-Litauen veranlasste, den russischen Zarenthron zu beanspruchen. Im Verlauf des Krieges konnte Polen-Litauen einen Teil des russischen Reiches einnehmen. Beim Friedensvertrag von Deulino erhielt Polen-Litauen Gebiete im damaligen Westrussland, dafür behielt das russische Reich seine Souveränität.

Im Jahr 1618 erreichte Polen-Litauen seine größte Ausdehnung mit Teilen der heutigen Ukraine und dem Westen Russlands.

1648: Kosakenaufstand in der polnisch-litauischen Ukraine

Die Ukraine befand sich seit dem Unionsvertrag von Lublin (1569) unter polnisch-litauischer Herrschaft. Dies führte zu einer Verschärfung gegenüber den orthodoxen Christen in der Ukraine, welche gegenüber den Katholiken benachteiligt wurden. Zwar wurde bereits 1596 (Union von Brest) der Versuch unternommen, die orthodoxe Kirche dem Papst zu unterstellen, was allerdings von orthodoxen Christen nicht angenommen wurde.

Die Kirchentrennung führte im damaligen Kiewer Gebiet zu Unruhen, welche im Kosakenaufstand von 1648 mündeten. Diese Kosaken waren eine herrenlose Gemeinschaft freier Reiterverbände, welche sich unter der Führung von Bohdan Chmelnyzkyj formierten. Sie leisteten 1654 den Treueeid auf den russischen Zaren in Perejaslaw (nahe Kiew), wodurch sich Russland als Schutzmacht über die ukrainische Bevölkerung begriff.

1654 bis 1667: Zweiter russisch-polnischer Krieg

Durch den Vertrag von Perejaslaw, welchen das russische Zarenreich mit den Kosaken in der Ukraine schloss, verpflichtete sich Russland dazu, die Ukraine von der polnisch-litauischen Fremdherrschaft zu befreien. Der Vertragsabschluss markiert den Auslöser für den Krieg.

Während des russisch-polnischen Krieges fielen auch die Schweden in Polen ein. Der Krieg mit Schweden endet 1660 ohne Gebietsverluste für Polen-Litauen. Der russisch-polnische Krieg endet 1667 mit erheblichen Gebietsverlusten. Im Friedensvertrag von Andrussowo wurde geregelt, dass die Ostukraine (östlich des Dnepr sowie Kiew) ins russische Zarenreich überging.

Polen-Litauen im Jahr 1655

Als Blutige Sintflut oder Schwedische Sintflut wird in der Geschichte Polens die Invasion der Schweden und Russen im Jahr 1655 bis 1660 bezeichnet.


Für Russland beginnt durch den Territorialgewinn der Aufstieg zur europäischen Großmacht. Und für Polen-Litauen ist es der Beginn der Teilung, welche im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt finden wird. In der russischen Geschichtsschreibung wird der Vertrag von Andrussowo als Wiedervereinigung mit den Reichen der Kiewer Rus begriffen, während in der Ukraine dieses Ereignis heute als zweiter Mongolensturm bezeichnet wird. Denn das Ziel von Chmelnyzkyj war keine Abhängigkeit von Russland, sondern einen eigenständigen ukrainischen Kosakenstaat zu schaffen – was allerdings ausblieb.

1697 bis 1763: Sachsenzeit in Polen-Litauen

Der sächsische Kurfürst August der Starke wurde 1697 zum polnisch-litauischen König gewählt. Zuvor hat August den polnischen Adel mit 39 Mio. Reichstaler bestochen.

Bei der Stimmenauszählung lag August der Starke dennoch hinten und verlor die Wahl gegen Prinz Conti aus Frankreich. Doch bevor Conti in Polen eintraf, ließ sich Fleming als August Vertreter zum polnischen König wählen.

Als der polnische Adel dann doch Conti am 26./27. Juni 1697 zum König ausrief, marschierten die Sachsen mit 8.000 Soldaten ein. Der Franzose konnte die Armee der Sachsen nicht aufhalten, kapitulierte und reiste nach Frankreich zurück. August der Starke wurde zum neuen polnischen-litauischen König.

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August der Starke, Gemälde von Louis de Silvestre, um 1720

August stammt aus dem Haus Wettin und regierte sowohl Sachsen als auch Polen-Litauen in Personalunion. In seiner Regierungszeit fällt der Beginn des Großen Nordischen Krieges von 1700 bis 1721, bei dem zahlreiche Staaten um den Ostseeraum kämpften. Abermals wurde Polen von europäischen Großmächten überrannt. Ab 1704 installieren die Schweden Stanislaus I. Leszczyński auf dem polnischen Thron, welcher bis 1709 regieren wird.

Erst als die Schweden 1709 gegen das Zarenreich von Peter den Großen bei Poltawa (Ukraine) verlieren, ziehen sich die Invasoren auch aus Polen zurück. August der Starke konnte daraufhin den Thron zurückerobern, welchen er bis 1733 behielt.

Auf August den Starken folgte nach dessen Tod (1733) wieder Stanislaus I. Leszczyński, welcher mehrheitlich durch den Adel gewählt wurde. In die Wahl griffen bereits die Großmächte Europas ein. So wurde Stanislaus durch Frankreich bestätigt und gefördert, während Österreich und Russland eine Koalition gegen ihn bildeten.

Im Zuge des Polnischen Erbfolgekrieges (1733 – 38) wurde Stanislaus durch sächsische und russische Truppen entmachtet und floh ins Exil nach Königsberg.

In der Folge wurde August III., Sohn von August dem Starken, zum König von Polen-Litauen ab 1733 bis 1763. Mit seinem Tod endet die Personalunion Sachsen-Polen.

Ab 1700: Polen verliert seine Unabhängigkeit an Russland

Der russische Zar Peter I. (der Große) gewann den Großen Nordischen Krieg (1700 – 1721) und das Russische Zarenreich stieg endgültig zur Großmacht in Europa auf. Nach dem Friedensschluss mit Schweden änderte Peter seinen Titel von Zar in Kaiser. Er reformierte Russland und auch die Thronfolge, so dass der Zar (Kaiser) den Thronerben selbst bestimmen konnte. Der Einfluss auf Polen-Litauen wuchs in der Folgezeit, vielleicht auch deshalb – weil Alexanders Ehefrau eine Litauerin war.

Als 1716 ein Konflikt zwischen Adel und König in Polen-Litauen ausbricht, marschieren russische Truppen als Streitschlichter ein. Russland versteht sich in der Folgezeit immer mehr als Schutzmacht über das absteigende polnisch-litauische Königreich.

Nach Peters Tod (1725) übernahm dessen litauische Ehefrau Katharina Alexejewna die Führung Russlands und ließ sich als Katharina I. zur Kaiserin krönen.

1764: Der letzte polnische Wahlkönig

Auf den sächsischen August III. folgt Stanisław II., welcher zwischen 1764 und 1795 die polnisch-litauische Adelsrepublik regieren soll. Unter seiner Regierung wurden die drei Teilungen Polens vollzogen, wodurch sich 1795 der polnische Staat offiziell auflöste.

Vor der Königswahl war Stanislaw als polnischer Gesandter in Sankt Petersburg gewesen, lernte dort die russische Zarin Katharina II., auch als Katharina die Große bezeichnet, kennen. Diese unterstützte dessen Kandidatur auf die polnische Krone.

Polen-Litauen befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Würgegriff des russischen Zarenreiches. Wollte der König diverse Reformen umsetzen, welche das Land innerlich oder nach außen stärken sollten, drohte Russland mit Invasion oder Sanktionen. Der Adel und die Bevölkerung befürworteten keinesfalls, dass das Land fremdbestimmt wurde und so bildete sich 1768 eine Konföderation in der Stadt Bar (heute Ukraine).

Die Konföderierten, zu denen vorrangig der polnische Kleinadel gehörten, warfen dem polnischen König Landesverrat. Diese Bewegung gilt als erster polnischer Nationalaufstand, wurde aber durch russische Militär niedergeschlagen.

Parallel dazu formierten sich Bauern und Kosaken der heutigen Westukraine, um gegen die Feudalherrschaft des polnischen Landadels vorzugehen. Der Hajdamaken-Aufstand von 1768 wurde ebenfalls durch russisches Militär niedergeschlagen.

Da der polnisch-litauische König Stanisław die Lage im Land selbst nicht unter Kontrolle bringen konnte, unterschrieb er 1768 einen Vertrag mit dem Zarenreich, welches Russland massive Eingriffe in die Innenpolitik von Polen-Litauen ermöglichte. Da fortan der polnische König machtlos war, bot dies die Grundlage für die späteren Teilungen Polens.

1772: Erste Teilung Polens

Seit den Verträgen von 1768 war das russische Zarenreich bemächtigt, in die Innenpolitik Polen-Litauens einzugreifen. Neben Russland dominierten auch das Königreich Preußen und die Habsburgermonarchie die Geschehnisse in Osteuropa. Das Osmanische Reich, welches die Konföderation von Bar (1768, siehe oben) unterstützte, verwickelte Russland nun in einen zweiten Krieg (Russisch-Türkischer Krieg 1768-74).

Nimmt man die Aufstände von Bar, die Reformbemühungen Polens hinzu – hätte es passieren können, dass Russland in einen Zweifrontenkrieg gegen die Osmanen und Polen hineinrutschen könnte. Weiterhin sahen die europäischen Großmächte Preußen und Österreich das Machtgleichgewicht in Europa gefährdet und hätten ebenfalls Sympathisanten der polnischen Befreiungsbewegung werden oder Russland direkt angreifen können.

Russland sah sich demnach gezwungen – Polen-Litauen zu teilen. Der britisch-polnische Historiker Norman Davies nennt es „Bestechungsmittel“, welche auf Kosten Polens gingen. Bei der ersten Teilung Polens erhielt:

  • Preußen 34.900 km² Fläche
  • Russland 84.000 km² Fläche
  • und Österreich 83.900 km² Fläche

Das Königreich Preußen, welches seit 1701 bestand, setzte sich aus dem deutschen Kernland in Brandenburg (früher Brandenburg-Preußen) und dem Königsberger Gebiet, dass als Überbleibsel des Ordensstaates seit 1525 als Herzogtum Preußen geführt wurde, zusammen (siehe oben).

Mit der ersten Teilung Polens erhielt Preußen die nördlichen Gebiete der polnischen Ostseeküste und konnte dadurch die Landbrücke zu Ostpreußen (ehemals Ordensland) wieder schließen.

Fast 200.000 km² verlor Polen im Jahr 1772. Der König und der Sejm (Reichstag) bestätigten dennoch die Teilung, da sie eine Invasion der Großmächte befürchteten.

Ab 1788: Reformversuche werden durch Russland unterdrückt

Am 3. Mai 1791 beschließt der Reichstag (Sejm) in Polen die damals wohlmöglich fortschrittlichste Verfassung Europas. Unter anderem werden Gewaltenteilung und Mehrheitsprinzipien eingeführt. Das bis dahin geltende Recht auf Einspruch (liberum veto) wurde abgeschafft, da das Veto in der Vergangenheit stets Reformen ausgebremst hatte. Außerdem sollte das Stehende Heer von 24.000 auf 100.000 Soldaten hochgesetzt werden.

Die Reformpolitik setzte bereits 1788 ein und erreichte mit der Verabschiedung der neuen Verfassung ihren Höhepunkt. Leisten konnte sich dies Polen nur, da Russland sich im Türkisch-Russischen Krieg (1787-92) und im Schwedisch-Russischen Krieg (1788-90) befand. Sämtliche Ressourcen wurden dafür aufgebraucht, weshalb Zarin Katharina kein weiteres Militär für Polen abstellen konnte.

Doch am Ende des Krieges mit dem Osmanischen Reich wendet sich Katharina die Große wieder Polen-Litauen zu. Dazu unterstützt sie die Gegner der Reformen, den Adel – welcher seine Privilegien behalten will, und die konservativen Magnaten – die von der „alten“ Adelsrepublik profitiert haben.

Schon bald kommt es zum Aufstand gegen König Stanislaw und Russland sendet etwa 100.000 Soldaten gegen die polnischen Regierungstruppen. Der Russisch-Polnische Krieg von 1792 endet damit, dass die alten Gesetze wieder eingeführt und die Reformen für nichtig erklärt werden.

1793: Zweite Teilung Polens

Im Vertrag von Sankt Petersburg wurde am 23. Januar 1793 die zweite Teilung Polens zwischen Preußen und dem russischen Zarenreich verabredet. Dies war eine Reaktion auf die Reformbemühungen Polens ab 1788, welche im Russisch-Polnischen Krieg 1792 gipfelten.

Auf dem Sejm von Grodno (heute Belarus) wurde am 23. November 1793 die zweite Teilung vom Reichstag diskutiert und beschlossen. Nach 1773 war der Sejm in Grodno der zweite Teilungssejm und da die Widerspruchsrechte der Abgeordneten stark eingeschränkt waren, werden beide Reichstage auch als Stummer Sejm bezeichnet.

Preußen erhielt Danzig, das Gebiet Großpolen und den Westen Masowiens. Daraus entstand die Provinz Südpreußen mit den Verwaltungszentren in Posen, Kalisch und Plotzk. Russland erhielt das Gebiet von der Düna bis zum Dnister. Insgesamt erhielt Preußen etwa 58.400 km² und Russland etwa 228.600 km² polnischer Staatsfläche.

1794: Kościuszko-Aufstand in Krakau

In Krakau verkündet der polnische General Tadeusz Kościuszko am 24. März 1794 den Aufstand gegen die Teilungsmächte. Anders als die Konföderation von Bar war dies kein Aufstand des Adels, sondern ein Volksaufstand.

Kosciuszko erklärt sich selbst zum Monarchen oder Diktator über Polen-Litauen bis er die Regierungsgeschäfte an einen funktionierenden Sejm übergeben kann.

Schnell schließen sich ihm Bauern, Adlige, Bürger, Christen und Juden an. Bei der Schlacht von Racławice am 4. April gelang es den Kosciuszko-Anhängern, die russische Truppen zu besiegen und den Ort einzunehmen. Von dort aus, sollte ganz Kleinpolen befreit werden.

Beim Marsch auf Warschau kam es am 10. Oktober 1794 zur Schlacht bei Maciejowice (unweit von Warschau). In dieser Schlacht wurden die Kosciuszko-Truppen besiegt und ihr Anführer gefangengenommen.

Gegen den Kosciuszko-Aufstand gingen Österreich, Preußen und Russland gemeinsam vor. Die Schlacht bei Maciejowice führte zum Ende des Aufstandes und war der Grund für die dritte und vorerst letzte Teilung Polens.

1795: Dritte Teilung Polens

Bei der dritten Teilung Polens waren auch die Habsburger wieder beteiligt. Der noch übrig gebliebene Rumpfstaat wurde unter Preußen, Österreich und Russland komplett aufgeteilt. Somit war die Adelsrepublik Litauen-Polen komplett zerstört und von der Landkarte getilgt. Der damalige König Stanislaw dankte am 25. November ab.

An Preußen gingen die Gebiete von Bug und Memel, welche zur Provinz Neuostpreußen erklärt wurden. Auch der restliche Teil Masowiens mit Warschau wurde in Südpreußen integriert.

Österreich erhielt das Gebiet Westgalizien mit Krakau, Lublin und Radom. Russland erhielt auch diesmal wieder die größte Landesfläche mit Litauen und dem Kurland.

Um 1800: Viele Polen schlossen sich Napoleon Bonaparte an

Mit der Französischen Revolution (1789) begannen die Koalitionskriege ab 1792, in denen sich europäische Staaten in einer Koalition (Bündnis) zusammentaten, um gegen das revolutionäre Frankreich vorzugehen. Die Koalitionsstaaten wollten die Monarchie in Europa bewahren. Ihr Ziel war es, die Gründung der Ersten Französischen Republik (1792) rückgängig zu machen.

Zu den Gegnern Frankreichs gehörten auch die drei Teilungsmächte und viele polnische Bürger sahen in Napoleon Bonaparte einen Befreier und in seinem Krieg eine Chance zur Wiederherstellung des polnischen Staates.

Jan Henryk Dąbrowski

Polnische Nationalheld Jan Henryk Dąbrowski


Der polnische Nationalheld Jan Henryk Dąbrowski war ein Unterstützer des revolutionären Frankreichs. Dieser stellte sich in den Diensten der Französischen Republik, ging nach Italien und organisierte dort polnische Freiwillige, welche sich Napoleon anschließen würden. Von ihm handelt die Nationalhymne Polens, welche 1797 entstand.

„Noch ist Polen nicht verloren,
solange wir leben.
Was uns fremde Übermacht nahm,
werden wir uns mit dem Säbel zurückholen.

Marsch, marsch, Dąbrowski,
Von der italienischen Erde nach Polen.
Unter deiner Führung
vereinen wir uns mit der Nation.

Wir werden Weichsel und Warthe durchschreiten,
Wir werden Polen sein,
Bonaparte gab uns ein Beispiel,
wie wir zu siegen haben.

Marsch, marsch, Dąbrowski …“

1807: Herzogtum Warschau

Der französische Sieg des Ersten Koalitionskrieges (1792-97) bewirkte, dass die Französische Republik weiterhin bestehen konnte. Auf diesen folgten weitere Koalitionskriege gegen Napoleon mit wechselnden Koalitionspartnern.

Der Vierte Koalitionskrieg zwischen 1806 und 1807 richtete sich gegen Preußen. Beim Feldzug 1806 erreichten die französischen Truppen am 4. November Posen, am 18. November Thorn und am 28. November Warschau. In Polen schlossen sich Bauern und einfache Bürger den napoleonischen Brigaden an. Das Winterquartier war Warschau.

Im Frühjahr 1807 wurden weitere preußische Gebiete in Polen besetzt, wie das schlesische Brest, Schweidnitz und Brieg. Beim Friedensschluss am 7. Juli 1807 im ostpreußischen Tilsit musste Preußen auf sämtliche Gebiete westlich der Elbe verzichten. Da auch Berlin und das restliche Kernland Preußen besetzt waren, wäre das Königreich fast aufgelöst wurden. Nur Alexander I. (russische Zar) sprach sich für einen weiterhin existierenden Staat aus und so entging Preußen der vollständigen Auflösung.

In den polnischen Gebieten um Warschau wurde das Herzogtum Warschau gebildet. Diese Territorien entsprachen in etwa den Ländereien der zweiten und dritten Teilung. Später wurde das Herzogtum Polen um österreichische Gebiete in Westgalizien ergänzt.

Mit der Schaffung des Herzogtums Warschau erreichte Napoleon eine deutliche Schwächung des preußischen Staates, schuf allerdings auch einen Pufferstaat zwischen seinen größten Feinden (Österreich, Russland). Weiterhin diente Warschau als Aufmarschgebiet für den Russlandfeldzug 1812.

Ab 1815: Kongresspolen

Der Wiener Kongress fand zwischen dem 18. September 1814 und dem 9. Juni 1915 statt. Diskutiert wurde eine komplette Neuordnung Europas, um zukünftige Kriege verhindern zu können.

Nachdem Napoleon Bonaparte bei seinem Russlandfeldzug 1812 scheiterte, begangen die Befreiungskriege in ganz Europa. Nach der kriegsentscheidenden Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 wurden die Franzosen bis Frankreich zurückgedrängt. Im März 1814 wurde Paris eingenommen, Napoleon dankte ab und ging ins Exil nach Elba.

Auf dem Wiener Kongress sollte nun eine neue Friedens- und Nachkriegsordnung für Europa diskutiert werden. Und das ehemalige Königreich Polen bzw. Herzogtum Warschau war ebenfalls Teil der Wiener Kongressakte.

Im Zuge der Verhandlungen wurde das Warschauer Gebiet zu Kongresspolen (Wiener Kongress) erklärt, auf welchem ein neuer polnischer Staat (Königreich) gegründet werden soll. Das polnische Königreich soll allerdings vom russischen Zaren in Personalunion geführt werden.

Die übrigen Gebiete teilt die Wiener Schlussakte unter den Teilungsmächten Russland, Österreich und Preußen auf. Die Ausnahme bildet die Stadt Krakau, welche als „Freie Stadt“ von allen drei Teilungsmächten beaufsichtigt werden soll.

Des Weiteren wurde in Wien verfügt, dass die polnische Sprache und Kultur erhalten bleiben soll und dass das polnische Königreich eine eigene Verfassung, eine eigene Regierung und das Recht eine eigene Armee aufzubauen, erhält.

1825: Beginn der Russifizierung in Polen

Als Nikolaus I. im Jahr 1825 der Kaiser von Russland und zugleich der König von Polen wird, verspricht er – die Verfassung Kongresspolens von 1815 zu wahren.

Gleichzeitig beginnt aber die Russifizierung in Polen und Litauen. So wurde der Begriff „Polen“ in der russischen Sprache durch „Weichselland“ ersetzt, so dass der Begriff allmählich aus dem Geschichtsbewusstsein verschwindet. Litauische Offiziere wurden durch russische ersetzt. Die Umgestaltung von Universitäten und Lehranstalten nach russischen Bewusstsein setzte ein.

1830/31: Novemberaufstände und Absetzung des polnischen Königs

Im November 1830 beginnt der Aufstand zuerst in Warschau, breitet sich aber rasch über ganz Polen aus. Inspiriert von den französischen Aufständen (Julirevolution) und der Belgischen Revolution breiteten sich Revolutionsgedanken und der Wunsch nach Neuordnung auch in Polen aus.

Im Januar 1831 beschließt der Sejm, dass der russische Kaiser Nikolaus I. und seine ganze Dynastie nicht länger König von Polen sind. Die Absetzung bewirkte, dass die russische Armee in Polen einmarschierte, den Aufstand niederschlug und die Verfassung von 1815 aussetzte.

Durch die Aussetzung der Verfassung von 1815 war Polen nicht mehr in der Lage eine eigene Regierung zu bilden und ein eigenes Heer aufzustellen. In der Folge flohen viele Polen vornehmlich nach Paris, wo die Idee eines eigenständiges Polens viele Anhänger fand. Dort veröffentlichte 1834 der polnische Schriftsteller und Philosoph Adam Mickiewicz sein Werk mit dem Titel: „Pan Tadeusz“ (deutsch: der letzte Eintritt).

Der Nationalepos behandelt die Geschichte des jungen Tadeusz Soplica, welcher 1811 nach Litauen zurückkehrt und dort eine völlig fremde Heimat vorfindet. Sein Vater ist nun der Priester Robak, welcher Polens Unabhängigkeitswille und -bemühungen anerkennt, auf dem Sterbebett sich mit dem Sohn aussöhnt und ihm Hoffnung auf eine Zukunft gibt.

Die Exilpolen sorgten in Europa für das Aufkommen der Polenschwärmerei, wobei sich vornehmlich deutsche und französische Studenten sowie Liberale für ein freies Polen einsetzten. In deutschen Ländern wurden Polenvereine gegründet und in Burschenschaften sang man Polenlieder. Für viele deutsche Königsreiche wurde die Polenhilfe zur Pflichtaufgabe erklärt.

Ein Sinnbild der Polenschwärmerei wurde das Hambacher Fest 1832 im Königreich Bayern, wo die Beteiligten des Festes den polnischen Freiheitskampf öffentlich bewunderten.

In Polen folgten ab 1830 weitere Aufstände, wie:

  • Posener Aufstand 1846
  • Krakauer Aufstand 1846
  • Januaraufstand von 1863/64

1864: Folgen des Januaraufstandes

In der Folge des Januaraufstandes wurde die Russifizierung noch konsequenter vorangetrieben. Etwa 400 Aufständische wurden hingerichtet. Circa 20.000 Menschen wurden nach Sibirien oder in andere Teile Russlands deportiert. Etwa 2500 Revolutionäre mussten Zwangsarbeit leisten.

Die polnische Verwaltung wurde durch russische Beamte ersetzt. Das Wappen für Kongresspolen wurde abgeschafft und durch das Wappen des Weichsellandes ersetzt. In Verwaltungsakten wurde das Weichselland zum Allgemeinbegriff und das Wort „Polen“ wurde selbst als geografischer Begriff gemieden.

Wie in Sankt Petersburg nehmen auch Berlin und Königsberg die polnischen Nationalideen sehr kritisch auf. Und deshalb wurde in Preußen genauso wie in Russland an einem Abbau von polnischer Kultur und Sprache gearbeitet.

1905: Erster Literaturnobelpreis für Polen

Henryk Sienkiewicz war ein polnischer Schriftsteller, welcher 1846 in Kongresspolen geboren wurde. Seine Bücher behandelten die russische Unterdrückung, den Wunsch der Polen nach Einheit und Souveränität. Sein berühmtes Werk ist der Roman „Quo vadis“, in welchem er die Christenverfolgung im Römischen Reich unter Nero schildert.

1905 erhielt er den Literaturnobelpreis für sein Gesamtwerk. Quo Vadis wurde 1951 auch verfilmt und war 1952 für 8 Oscars nominiert, unter anderem als bester Film.

Polen im Ersten Weltkrieg (1914-18)

Der Auslöser für den Ersten Weltkrieg war das Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914. Auf dem Gebiet des heutigen Polen spielten sich in der Folge zahlreiche Gefechte ab. Doch der Schlieffen-Plan sah vor, dass ein Großteil der deutschen Armee zuerst gegen Frankreich eingesetzt wurde, um die Ausmaße des Zweifrontenkrieges zu minimieren. Demnach waren die Bemühungen an der Ostfront von deutscher Seite eher defensiv. Dennoch wurde im August 1914 die Stadt Kalisz als erste von den Deutschen zerstört.

Am 19. und 20. August folgte die Schlacht bei Gumbinnen (Königsberger Gebiet), bei welchem das Deutsche Reich sich gegen das Russische Kaiserreich geschlagen geben musste. Die Sicherung Ostpreußens gelang erst bei der Schlacht von Tannenberg, welche am 26. August 1914 begann und bis zum 31. August andauerte. Diese Schlacht wurde im Deutschen Reich als Wiedergutmachung der Schande von Tannenberg (1410) gefeiert. Damit begann die Vertreibung Russlands aus Ostpreußen.

Endgültig besiegt waren die Russen in Ostpreußen durch die Schlacht an den Masurischen Seen vom 24. August bis 11 September. Nachdem die Deutschen dort siegreich waren, zogen sich die Russen weitestgehend aus Ostpreußen zurück. In der Winterschlacht in Masuren (7. Februar – 22. Februar 1915) waren die Deutschen ebenfalls siegreich und der russische Ostpreußen-Feldzug galt als gescheitert.

Parallel dazu besetzten die Russen die Habsburger Gebiete auf polnischen Boden. Bei der Schlacht von Galizien vom 24. August bis 11. September konnte Russland die österreich-polnischen Gebiete erobern. Die Hauptstadt Galizien fiel bei der Schlacht von Lemberg am 11. September 1914 an Russland.

Die größte Belagerung im Zweiten Weltkrieg fand bei Przemyśl (Südpolen) statt, als russische Truppen die Stadt vom 16. September 1914 bis zum 22. März 1915 belagerten. Schließlich ergab sich die österreich-ungarische Armee, wodurch Russland die Stadt einnehmen konnte. Circa 110.000 österreichische Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Bei der Schlacht von Warschau kämpften die Deutschen und Österreicher gemeinsam gegen Russland. Diese Schlacht begann am 29. September 1914, dauerte bis 31. Oktober 1914 an und endete mit einem russischen Sieg.

Nachdem das Deutsche Reich herbe Verluste in Polen hinnehmen musste, wurde am 1. November die Heeresführung ausgetauscht. Neuer Oberbefehlshaber Ost wurde Generaloberst von Hindenburg.

Mit Hindenburg sollte die Schlacht um Lodz (11. November bis 5. Dezember) gelingen.
Zwar endete diese Schlacht mit einer Pattsituation, hatte aber dennoch strategisch wichtige Folgen für das deutsche Heer.

Bei der anschließenden Winterschlacht in den Karpaten (Dezember 1914 bis März 1915) konnte Russland die Stellung nicht halten und verlor gegen das Bündnis des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarn.

Die Winterschlacht kostete Österreich-Ungarn zahlreiche Ressourcen. Fast 250.000 Soldaten sind in dieser Schlacht gefallen. Eine Rekrutierung in den slawisch besetzten Ländern gelang kaum bis gar nicht. Deshalb nahmen Österreichs Kriegsbemühungen weiter ab, sollten in der Südtirol-Offensive (1916) gegen Italien nochmals aufkommen, aber dann komplett abflachen.

Bei der sogenannten Durchbruchsschlacht bei Gorlice-Tarnów (Südpolen) im Mai 1915 spielten österreichische Verbände kaum noch eine Rolle. Das Deutsche Reich siegte auch hier gegen Russland und schaffte den Durchbruch und die Befreiung der Festungsstadt Przemyśl, welche zuvor belagert und dann eingenommen wurde. Anschließend begann die Bug-Offensive (Juni 1915) und Narew-Offensive (Juli 1915), bei der Masowien und Galizien an die Mittelmächte gingen.

Die Durchbruchsschlacht (Gorlice-Tarnów) stellte den Wendepunkt an der Ostfront für die Mittelmächte dar, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreich-Ungarn bereits über 2 Mio. Soldaten seit Kriegsbeginn verloren hatte.

Zwischen Juni und September 1915 fand ein Rückzug Russlands statt, welcher in der russischen Geschichtsschreibung als „Großer Rückzug“ bezeichnet wird. In der Folge wurden große Teile Polens, Litauens und Kurlands geräumt. Bis September konnten das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn auch Warschau, Brest und Vilnius besetzen.

Ab November 1915 errichtete das Deutsche Heer einen Militärstaat in Polen, welcher als Ober-Ost bezeichnet wird. Dieses Gebiet umfasste ungefähr das Gebiet des früheren russisch-Polen.

1916: Regentschaftskönigreich Polen

Nachdem der erste Weltkrieg bereits zwei Jahre an der Ostfront tobte und das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn zahlreiche Gebiete des ehemaligen russisch-Polen erobert haben, eröffneten sie die Möglichkeit zur Errichtung eines neuen Königreichs in Polen, welches eine enge Bindung mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich halten sollte.

Am 5.11. 1916 wurde das Regentschaftskönigreich Polen öffentlich bekannt gemacht (Proklamation). Einen Vertrag gab es nicht, da sich sowohl das Deutsche Reich als auch Österreich-Ungarn noch im Krieg mit Russland befanden, welches die Gegenseite gewesen wäre.

Wohlmöglich wollten die Mittelmächte die polnische Hoffnung wecken, damit sich mehr polnische Soldaten in den besetzten Gebieten rekrutieren lassen. Als gemeinsamer Feind wurde das russische Kaiserreich ausgerufen, welches Kongresspolen über ein Jahrhundert besetzt hatte. Die Grenzen des neuen Staates sind unklar, sollten aber ungefähr das Gebiet von Kongresspolen umfassen.

Ein polnischer Verbündeter Österreich-Ungarns war der polnische Offizier Jozef Piłsudski, welcher im 1. Weltkrieg eine polnische Legion aufstellte, die sich den Landstreitkräften Österreich-Ungarns unterordneten. Seine Idee war für die Herstellung eines souveränen polnisches Staates und an der Seite der Mittelmächte sah er die Möglichkeit, dies zu verwirklichen.

Ab 1. Dezember ziehen die Piłsudski-Truppen in Warschau ein und sollen dort das Offizierskorps einer neu aufgestellten polnischen Armee bilden. Noch im selben Monat wird eine provisorische Regierung gebildet, welche einem sogenannten Kronmarschall unterstellt wird. Das erste Staatsoberhaupt wurde der Unternehmer Wacław Niemojowski, welcher zwischen 1916 und 1917 in das Amt des Kronmarschalls berufen wurde.

Die polnische Mark wird am 9. Dezember eingeführt und soll die Souveränitätsbemühungen der Mittelmächte unterstreichen.

1917: Regentschaftsrat und Eidkrise in Polen

Ab Januar 1917 wurde ein Provisorischen Staatsrat im Königreich Polen erschaffen. Der Militärexperte Josef Piłsudski tritt als militärischer Berater auf. Schon bald muss Piłsudski feststellen, dass die Bemühungen der Mittelmächte nach einem souveränen Polen nicht ausreichend unterstützt werden, weshalb er im Juli 1917 wieder austrat.

Im gleichen Jahr verweigerte Piłsudski den Treueid auf den deutschen Kaiser Wilhelm II., wodurch sich die polnischen Legionen seiner Rebellion anschlossen und die Eidkrise von 1917 ausgelöst wurde. Dadurch wandelte sich die allgemeine Stimmung der polnischen Bevölkerung gegen die deutschen und österreichischen Behörden.

Da noch kein König in Polen gewählt wurde, aber die Monarchie als Regierungsform am 14. Januar durch den Provisorischen Staatsrat bestätigt wurde, wird eine Übergangsregierung gebildet – welche als Regentschaftsrat bezeichnet wird. Dieser tritt am 12. September in Kraft. Am hundertsten Todestag des Nationalhelden Tadeusz Kościuszko (siehe Kościuszko-Aufstand 1794) wird der Regentschaftsrat vereidigt.

1918: Auflösung des Regentschaftskönigreichs Polen

Am Ende des Ersten Weltkriegs sind die Mittelmächte derart geschwächt, dass am 7.10. der Regentschaftsrat einen unabhängigen Staat Polen ausrufen kann. Das Deutsche Reich und auch Österreich-Ungarn stehen kurz vor ihrer Kapitulation (7.11. Waffenstillstand von Compiègne) und lösen bereits die Besatzungstruppen in Polen auf. Sie wollen allerdings ihr Gebiet nicht hergeben, während in Russland ein Bürgerkrieg seit der Russischen Revolution (1917) tob.

Diese Umbruchsphase sollte Polen für eine Neuschöpfung nutzen. Am 14. November wird die Staatsgewalt vom Regentschaftsrat auf Josef Piłsudski übertragen, welcher seit der Eidkrise als Frontman der Souveränitätsbemühungen Polens auftritt. Dieser ernennt eine Regierung und tritt selbst als erster Staatschef der neu gegründeten polnischen Republik auf.

Ab 1918: Zweite Republik Polen

Die Zweite Republik Polen trat formell am 11. November 1918 als Nachfolgestaat von Kongresspolen bzw. des Regentschaftskönigreichs Polen auf. Die Hauptstadt war Warschau und die Staatsform entsprach einer parlamentarischen Republik mit einer Demokratie als Regierungsform (bis 1926), welche dann durch eine Militärregierung bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges ersetzt wurde.

Mit Inkrafttreten der Republik wurde der Oberbefehl der polnischen Truppen an Josef Piłsudski übertragen, welcher kurz danach auch die Führung des polnisches Staates erhielt. Bestätigt wurde diese Übertragung durch den polnischen Sejm (Reichstag) am 20. Februar 1919.

Der Versailler Vertrag hielt fest, dass Westpreußen mit Posen als größere Stadt an Polen übergeben werden. Die Stadt Danzig blieb eine Freie Stadt und wurde dem Völkerbund unterstellt. Die Außenvertretung Danzigs wurde allerdings an Polen übertragen.

Das Königsberger Gebiet gehörte weiterhin zu Ostpreußen, jedoch die Landbrücke – welche durch die Erste Teilung Polens (1772) zwischen Kernpreußen und Königsberg bestand, ging an Polen zurück. Auch Niederschlesien ging an Polen.

Trotz der Gebietszusprüche war Polen von den Beschlüssen des Versailler Vertrages enttäuscht. Denn laut polnischer Seite war diese Grenzherstellung nicht genügend und unter Piłsudski entstand der Wille die Altpolnischen Grenzen vor 1772 wiederherzustellen.

Ab 1918: Idee des Miedzymorze

Als Miedzymorze (deutsch: Zwischenmeer) wurde das großpolnische Projekt verstanden, welches Jozef Piłsudski nach Kriegsende verfolgte. Im Wesentlichen sollten die Grenzen Polens vor 1772 wiederhergestellt werden.

Die ursprüngliche Idee war ein Staatenbund im Baltikum zu errichten, an denen sich die Zweite Republik Polen, die Ukraine, Weißrussland, Litauen, Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, Lettland, Estland und die Tschechoslowakei beteiligen sollten.

Mit diesem Staatenbund bezweckte Polen, dass ihre Nachbarstaaten sich nicht mit dem Deutschen Reich oder mit Sowjetrussland verbinden würden. Viele der Staaten waren verfeindet, weshalb es zu keiner Einigung kam. Außerdem befürchteten die Staaten, dass sie in einem Großpolen lediglich eine untergeordnete Rolle einnehmen würden. Die klare Haltung Polens zum Katholizismus behinderte außerdem den Gemeinschaftswillen.

1918-19: Polnisch-Ukrainischer Krieg

Nachdem Ostgalizien aus Österreich-Ungarn ausgelöst und in die Westukrainische-Volksrepublik eingegliedert wurde, begann in Lemberg (heute Ukraine) ein Aufstand der polnischen Bevölkerung, welche sich fortan in einem neuen Staat wiederfanden. Nachdem die zweite polnische Republik am 11. November 1918 ausgerufen wurde, riefen auch die Lemberger ihre Unabhängigkeit aus.

Polen verstand sich nun als Schutzmacht der Lemberger und der Westukraine. Im polnisch-ukrainischen Krieg erweiterte Polen seine Grenzen nach Westen in die Westukraine hinein.

Um Lemberg fanden besonders heftige Kämpfe statt, da beide Kriegsseiten – aufgrund ihrer Teilungsgeschichte – national aufgeladen waren. Bei der Einnahme Lembergs am 21./22. November 1918 wurde ein Pogrom an der jüdischen Bevölkerung begangen, da man in ihrer Neutralität gegenüber der Ukraine oder Polen eine Schuld sah, weshalb Lemberg ukrainisch wurde. Unterschiedliche Angaben sprechen von 73 bis 150 getöteten Juden.

1919- 1921: Polnisch-Sowjetischer Krieg

Das unter Jozef Piłsudski aufsteigende Polen proklamierte den Grenzverlauf vor 1772 wiederherzustellen. Dadurch wurden die Interessen des ehemaligen russischen Kaiserreichs erheblich gestört. Dieses litt 1919 zwar noch an den Folgen der russischen Revolution von 1917, schuf als Folge der Revolution aber den funktionierenden sowjetrussischen Staat unter Wladimir Iljitsch Lenin.

Beide Staaten hatten Interessen an den Gebieten der polnischen Miedzymorze-Idee. Zu Beginn des polnisch-sowjetischen Krieges drangen die Polen bis nach Kiew vor, wurden in der Ukraine von Nationalisten unterstützt, aber dann von der Roten Armee zurückgedrängt. Die Rückeroberung Sowjetrusslands führte bis nach Polen, so dass Polen wieder am Rande einer völligen Besetzung stand.

In der Schlacht um Warschau 1920, welche auch als Wunder an der Weichsel bezeichnet wird, gelang es den Polen den Kriegsverlauf noch mal entscheidend zu verändern. Die nachfolgende Gegenoffensive zwang die sowjetrussischen Streitkräfte sich bis hinter Litauen zurückzuziehen. In der Schlacht um Vilnius begann der litauisch-polnische Krieg.

Im Friedensvertrag von Riga wurde die polnische Ostgrenze festgelegt, wodurch die Zweite Republik Polen bestehend bleiben konnte.

1920: Polnisch-Litauischer Krieg

Piłsudskis Pläne zielten auf eine Errichtung eines großpolnischen Reiches mit Grenzen vor 1772 ab. Dadurch beanspruchte er Gebiete, in denen Ukrainer, Belarussen oder Litauer lebten. Das Ende des Ersten Weltkrieges schuf die Gründung des ersten litauischen Staates mit der Stadt Vilnius (deutsch: Wilna) als Hauptstadt.

Ab 1919 besetzten polnische Soldaten das litauische Gebiet um die Stadt Suwałki (heute Nordostpolen). Im Friedensvertrag von Suwałki, geschlossen am 7. Oktober 1920, verzichtete Polen offiziell auf die Gebiete rundum Vilnius.

Zwei Tage nach Friedensschluss marschierten polnische Soldaten, ohne Vorankündigung, in Vilnius ein und besetzten die Stadt. Außerdem wurden weitere Teile des Landes annektiert, wie die Stadt Aschmjany (heute Belarus).

1921: Kämpfe um Oberschlesien

Am 20. März 1921 kam es zu einem Volksentscheid über die Zugehörigkeit von Oberschlesien, bei der sich etwa 60 % der Wähler für einen Verbleib im Deutschen Reich aussprachen. Daraufhin begangen polnische Nationalisten am 3. Mai 1921 einen Aufstand und wurden dabei von französischen und britischen Truppen unterstützt.

Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Einschränkungen des Versailler Vertrages nicht gegen die Aufständischen vorgehen, allerdings wurde der Selbstschutz Oberschlesien von der Reichsregierung geduldet, wodurch der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde.

Am 20. Oktober 1921 beschlossen die Alliierten, dass das oberschlesische Industriegebiet mit reichhaltigen Steinkohlevorkommen an Polen übergeht. Dieses Abkommen führte in den Folgejahren zu Spannungen zwischen Polen und dem Deutschen Reich.

1926: Maiputsch in Polen

Die erste offizielle Präsidentschaftswahl fand am 9. Dezember 1922 in Warschau statt, bei der Gabriel Narutowicz zum ersten Präsidenten der Zweiten Republik Polens gewählt wurde. Der „starke Mann in Polen“ Józef Piłsudski wurde als Staatschef abgelöst und stand fortan als militärischer Berater zur Verfügung.

Nur fünf Tage nach Amtsantritt des Präsidenten wurde Narutowicz ermordet, so dass Maciej Rataj als Übergangspräsident ins Amt rutschte. Bei den Neuwahlen am 20. Dezember 1922 setzte sich Stanisław Wojciechowski durch, welcher sich als unfähig herausstellte. Das Land litt in den Folgejahren an Massenarbeitslosigkeit, Finanzskandalen und Regierungskrisen, welche sich bald in blutigen Auseinandersetzungen auf Krakaus Straßen äußerten.

Josef Piłsudski trat 1923 als Armeechef und militärischer Berater zurück, forderte die Regierung aber auf, den Parlamentarismus abzubauen. Nachdem sich die allgemeine Lage nicht besserte, wurde das Militär von Piłsudski unterwandert. Am 12. Mai begann dann der Militärputsch unter Führung von Jozef Piłsudski.

Die Putschisten zwangen den polnischen Präsidenten Stanisław Wojciechowski zur Niederlegung des Amtes und Maciej Rataj wurde ein zweites Mal als Übergangspräsident eingesetzt.

Diesmal verzichtete Piłsudski auf das Amt des Staatschef und überließ dieses Ignacy Mościcki. Er selbst nahm diverse andere Staatsfunktionen wahr, wie bspw. die Funktion des Außenministers oder des Verteidigungsministers. Der Staatspräsident verweilte stattdessen in Piłsudskis Schatten und war bis zu seinem Tode lediglich eine Marionette.

Nach 1926: Außenpolitik in der Piłsudski-Ära

Nach dem Maiputsch beherrschte Piłsudski das Land auf unterschiedliche Weise. Zwar gab es Oppositionsparteien, welche auch zu Wort kamen, aber polizeilich verfolgt wurden. Unter Piłsudski entwickelte sich Polen zu einem autoritären Staat, welcher nach außen demokratisch wirkte.

In seiner Außenpolitik war Piłsudski bis zu seinem Tod (1935) ziemlich erfolgreich. So bewirkte er:

  • den polnisch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1932
  • und den polnisch-deutschen Nichtangriffspakt von 1934

Dadurch waren Polens Grenzen beiderseitig abgesichert. Staatschef bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges blieb Ignacy Mościcki. Nach dem Überfall des Deutschen Reiches und der Sowjetunion im Jahr 1939 floh Mościcki aus Polen und bildete ab 1939 bis 1941 eine Exilregierung.

Vierte Teilung Polens

Die Vierte Teilung Polens ist Bestandteil des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Der Hitler-Stalin-Pakt war ein deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt, unterzeichnet von Joseph Stalin (Sowjetunion) und Adolf Hitler (Deutsches Reich).

In einem geheimen Zusatzprotokoll teilten sich beide Großmächte das Baltikum mit Finnland und das polnische Staatgebiet auf. Die Territorialpläne beider Staaten sollten im Zweiten Weltkrieg umgesetzt werden.

Die polnische Teilung sah vor, dass das Terrain entlang der Flüsse Weichsel, Narew und San unter beiden Großmächten aufgeteilt wird. Die Gebiete auf der linken Flussseite sollte das Deutsche Reich erobern und bekommen, die rechtsseitigen sollten in die sowjetische Einflusssphäre integriert werden. Mit dem Überfall auf Polen am 1.9. 1939 begann der Zweite Weltkrieg und die 4. Teilung Polens.

Überfall auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs

Am 1. September 1939 beschießt das deutsche Schulschiff „Schleswig-Holstein“, welches zuvor mit Artilleriegeschossen ausgerüstet wurde, ein polnisches Munitionsdepot bei Danzig. Kurz darauf marschiert die deutsche Wehrmacht von Westen und Norden in Polen ein und verwickelt den polnischen Staat in einen Zangenangriff. Der Überfall auf Polen gilt als Auslöser für den Zweiten Weltkrieg.

polen vor dem zweiten weltkrieg

Polen 1939 vor Beginn des Zweiten Weltkriegs

Da Großbritannien und Frankreich eine Garantie für Polen am 31. März 1939 unterschrieben haben, erklären beide Staaten am 3. September dem Deutschen Reich den Krieg.

Das Deutsche Reich erreicht bereits eine Woche nach Kriegsbeginn die polnische Hauptstadt Warschau. Die Sowjetunion fällt im August 1939 in Ostpolen ein und schafft es, das komplette Gebiet bis zum 17. September zu besetzen. Die Schlacht um Warschau dauert bis zum 28. September an und endet mit deutscher Besatzung.

Mit der Besetzung der Hauptstadt flieht die polnische Regierung ins Exil nach Paris und Polen kapituliert.

Vorabend des Krieges (1939): Unternehmen Tannenberg und Überfall auf den Radiosender Gleiwitz

Um einen deutschen Angriffskrieg gegen Polen zu rechtfertigen, wurde im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges die Militäroperation Tannenberg beschlossen. Dazu drangen SS-Leute am Vorabend des Zweiten Weltkrieges (31. August) in die Sendeanstalt des Rundfunksenders Gleiwitz (heute Schlesien, Polen) ein und überwältigten das Personal.

Gleiwitz Radiosender als Auslöser des Überfalls auf Polen

Historischer Radiosenderturm in Gliwice, Polen

Ausführender Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SS (SD) war Alfred Naujock, welcher den Befehl zum Überfall auf den Radiosender „persönlich“ erhalten haben soll.

Naujock und fünf oder sechs weitere SS-Leute drangen in den Radiosender ein, rissen das Mikrofon an sich und sagten: „Achtung! Achtung! Hier ist Gleiwitz. Der Sender befindet sich in polnischer Hand. […] Die Stunde der Freiheit ist gekommen!“

Geschlossen wurde der Aufruf mit der Ansage: „Hoch lebe Polen“

Da sich die Rundfunkanstalt auf damals deutschen Territorium befand, sollte der Übergriff als ein Angriff von Polen gewertet werden. Dadurch sollte das Deutsche Reich das Recht auf Selbstverteidigung ausüben können, wodurch der Überfall auf Polen eine neue Blickrichtung bekommen sollte.

In einer späteren Befragung gab Naujock zu, dass dieser Angriff fingiert war, um den nachfolgenden Überfall auf Polen rechtfertigen zu können.

Ab 1939 – 1990: Polens Exilregierung

Die Exilregierung in Polen wird von den Alliierten ab 1939 anerkannt, hat ihren Sitz bis 1940 in Frankreich, zieht dann nach London um. Sie gilt als Mitglied der Anti-Hitler-Koalition. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von der USA und Großbritannien die Volksrepublik Polen als legitimer Nachfolgestaat zur Zweiten Republik Polen anerkannt. Dadurch erlischt die Legitimität der Exilregierung für beide Staaten. Fast alle Staaten weltweit schlossen sich nach 1945 an.

Die polnische Verfassung aus dem Jahr 1935 sieht allerdings vor, dass der Staatspräsident einen Vertreter ernennen muss. Da dies nie geschah, existierte rein rechtlich die Exilregierung auch nach 1945 weiter.

Die letzten Staaten, welche Polens Exilregierung anerkannten, waren Spanien, Irland, Kuba und Vatikanstadt.

Nachdem Lech Walesa, während der Solidarnosc-Revolution (1989) und der daraufhin abgehaltenen freien Wahl (1990) ins Amt kam, übergab der letzte Präsident der Exilregierung die Insignien des Präsidentenamtes an den neuen Staatspräsidenten Polens. Damit erlosch die Exilregierung Polens.

1940: Massaker von Katyn

Zwischen dem 3. April und dem 11. Mai 1940 erschießen sowjetische Geheimpolzisten nahe dem Ort Katyn etwa 5000 polnische Kriegsgefangene. Die Massenmorde werden zum Symbol der sowjetischen Besatzungsmacht, welche vorrangig gegen polnische Eliten und Intellektuelle vorgeht.

1941: Errichtung des Vernichtungslager Kulmhof

Die deutschen Besatzer errichten in der Nähe des Dorfes Chelmno (Kulmdorf) ein Vernichtungslager, in welchem durch Giftgas zahlreiche Juden, Sinti und Roma und sowjetische Kriegsgefangene hingerichtet werden. Laut polnischen Angaben sollen in Kulmdorf etwa 300.000 Menschen ermordet worden sein.

Kulmdorf ist das erste Vernichtungslager, welches am 8. Dezember 1941 auf polnischen Terrain errichtet wurde. Weitere fünf Vernichtungslager werden folgen.

  • Auschwitz-Birkenau (1941)
  • Sobibor (Jahresanfang 1942)
  • Belzec (März 1942)
  • Treblinka (22. Juli 1942)
  • Lublin-Majdanek (Februar 1943)

Von den rund 3,3 Mio. Juden, welche vor 1939 in Polen lebten – sind nach 1945 nur noch circa 380.000 am Leben. Anders als bei bisherigen Massakern findet der Genozid an Juden, Sinti und Roma im Vernichtungslager industriell statt.

1943: Aufstand im Warschauer Ghetto

Am 19. April 1943 kommt es zu einem Aufstand im Warschauer Ghetto, an welchem circa 800 Mitglieder der „Jüdischen Kampforganisation“ beteiligt sind. Die jüdischen Widerstandskämpfer erheben sich gegen die nationalsozialistischen Besatzer. Fast vier Wochen dauert der Aufstand, bevor dieser blutig beendet wird.

Die Nationalsozialisten zerstören in einem symbolischen Akt die Synagoge des Ghettos, töten etwa 13.000 Menschen sofort und deportieren 43.000 in Konzentrationslager oder Vernichtungslagern.

Das Ghetto wurde 1940 auf einem drei Quadratkilometer großen Gebiet in Warschau errichtet. Schnell wurden dort etwa 400.000 Menschen eingesperrt. Die Menschen waren Hunger, Elend, Zwangsarbeit und Verfolgung durch SS-Offiziere ausgesetzt. Ab Juli 1942 beginnt die systematische Weiterleitung ins Vernichtungslager Treblinka.

1944: Widerstand der Armia Krajowa in Warschau

Am 1. August 1944 beginnt der staatliche Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Die Partisanenarmee bezeichnet sich als Armia Krajowa (polnische Heimatarmee) und ist der militärische Arm des polnischen Untergrundstaates.

Dieser Untergrundstaat wird von der Exilregierung aus Paris geleitet, setzt sich aus Universitäten, Gerichten, Kanzleien und Schulen zusammen – welche im Geheimen operieren.

Angeführt wurde die polnische Heimatarmee durch Graf Tadeusz Komorowski, welcher die Staatlichkeit in Polen herstellen soll, bevor die Sowjetarmee in Polen einrückt. Denn die Wehrmacht wurde in den letzten Kriegsmonaten von der Roten Armee zurückgedrängt.

Juli 1944: Gründung des Lubliner Komitees

Das Lubliner Komitee auch als Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung bezeichnet, war eine kommunistische Vereinigung – welche von der Sowjetunion unterstützt wurde und sich zum Ende des Zweiten Weltkriegs bildete, um eine Gegenregierung zur Exilregierung zu stellen. Letztlich wird sich am Kriegsende das Lubliner Komitee durchsetzen und am 1. Januar 1945 in die provisorische Regierung der Volksrepublik Polen übergehen.

Ab 1945: Volksrepublik Polen

Der Zweite Weltkrieg endet am 2. September 1945 mit der Kapitulation Japans, nachdem die Amerikaner die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki geworfen haben. In Europa endete der Zweite Weltkrieg am 8. Mai (Tag der Befreiung), nachdem die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapitulierte.

Vor den eigentlichen Kriegsende treffen sich die Alliierten bereits, um über die Nachkriegsordnung in Europa zu diskutieren. Auf der Jalta-Konferenz vom 4. bis zum 11. Februar 1945 wird darüber diskutiert, wie es mit Polen nach Kriegsende weitergehen soll. Bereits im Januar 1945 bildete sich eine provisorische Regierung in Polen aus dem Lubliner Komitee. Auf Jalta beschließen die Siegermächte, dass sie das Lubliner Komitee als provisorische Regierung anerkennen werden.

Auf Jalta wird auch die bereits 1943 in Teheran besprochene Westverschiebung Polens bestätigt bzw. akzeptiert. Demnach bekommt die Sowjetunion die östlichen Gebiete und Polen dafür Westgebiete der Lausitz. Die Flüsse Oder und Neiße werden zu neuen Grenzflüssen zum Deutschen Reich, dem späteren Deutschland.

Die Verschiebung hat Auswirkungen auf Millionen von Menschen. Deutsche in den Grenzgebieten werden nach Westen vertrieben, müssen ihre Häuser aufgeben und werden zur Flucht getrieben. Gleichzeitig holt Polen die eigene Bevölkerung aus den Ostgebieten, da dieses Gebiet nun Teil der Sowjetunion werden soll. Oftmals ziehen die Ostpolen in die verlassenen Häuser der vertriebenen Deutschen.

Weiterhin werden etwa 500.000 Litauer, Belarussen und Ukrainer in die Sowjetunion deportiert.

Ab 1947: Aufbau der Einparteien-Diktatur

Die erste Wahl in der Nachkriegszeit fand in Polen am 19. Januar 1947 statt. Dabei gewann – laut Regierungsangaben – die Kommunisten, Marxisten und Leninisten mit 80 % Stimmenanteil. Diese wurden in Nachkriegspolen und anderen sozialistischen Ostblockstaaten als „Demokratischer Block“ bezeichnet, um die „Freie Wählerstimme“ ausdrucksvoll zu betonen.

Tatsächlich errichteten die Kommunisten – unter sowjetischer Anleitung und Mitbestimmung – eine Einparteiendikatur. Zwischen 1948 und 1989/90 regierte lediglich die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP), gewann jede Wahl mit deutlichen Abstand und dass obwohl die Bevölkerung immer unzufriedener wurde.

Ab 1955: Vertrag der Freundschaft in Warschau unterzeichnet

Am 14. Mai 1955 kommen Vertreter der Sowjetunion, Polens, Ungarns, Albaniens, Rumäniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei und der DDR in Warschau zusammen und unterschreiben einen Vertrag der Freundschaft und des gegenseitigen Beistands.

Dieser Pakt ist ein Militärbündnis, in welchem sich die Bündnispartner dazu verpflichten, im Falle eines Angriffs auf einen Mitgliedsstaat – diesem militärisch beizustehen. Der Warschauer Pakt ist der osteuropäische Gegenentwurf zum westlichen NATO-Bündnis.

Ab den 1950-er Jahre: Aufstände gegen Regierung und Sowjetischen Einflüsse

Mit dem Tod Joseph Stalins (5. März 1953) kam es zu einem Aufatmen in den Ostblock-Staaten. Wohlmöglich glaubten sowohl die Bevölkerung als auch die Regierungen an Lockerungen. So begann am 17. Juni 1953 der Volksaufstand in der DDR, 1956 der Ungarische Aufstand und 1956 der Posener Aufstand.

1970: Warschauer Vertrag mit Deutschland

Am 7. Dezember ist der damalige Bundeskanzler Willy Brandt in Polen zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages. In diesem Vertrag sichert die BRD der polnischen Volksrepublik zu, die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen. Die DDR als Verbündeter Polens hatte diese Grenzanerkennung bereits 1955 unterzeichnet.

Willy Brandt, der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz, sowie die Außenminister Walter Scheel und Stefan Jędrychowski unterzeichnen den Vertrag. Während des Staatsbesuchs fahren die Politiker zum Warschauer Ghetto, wo 1943 der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde, um einen Kranz zur Erinnerung abzulegen. Bei der Kranzniederlegung kommt es zum Kniefall von Warschau durch Willy Brandt.

Kniefall Willy Brandt

3. MAI 2016. Denkmal in Warschau anlässlich des Besuchs des deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt im Jahr 1970, Bildnachweis: Alizada Studios / Shutterstock.com

Der Kniefall Willy Brandts war ein Zeichen von Demut. In Polen wird der Kniefall skeptisch bis misstrauisch gewertet. Denn die Drohkulisse des Klassenfeindes im kapitalistischen Ausland wird von allen Ostblockstaaten als Propaganda genutzt und weiterhin aufrecht gehalten.

1980: Die Streikbewegung Solidarnosc entsteht

Seit den 1950-er kam es immer wieder zu Aufständen und Unruhen. Oftmals entzündeten sich diese Unruhen an Preiserhöhungen auf Lebensmittel oder andere Haushaltswaren. Die Solidarnosc-Bewegung gehen weiter, da auch Intellektuelle die Streikenden unterstützen. Auslöser der Streikwelle von 1980 war die Preiserhöhung auf Fleisch.

Lokale Streiks begangen, entzündeten sich allerdings immer weiter. So wurde in Danzig eine Kranführerin der Lenin-Werft entlassen, welche im Streik 1970 zur Symbolfigur wurde. Wurde der 1970-er Streik noch blutig niedergeschlagen, gründeten jetzt die Werftarbeiter ein betriebliches Streikkomitee unter der Führung von Lech Walesa.

Bei der 1980-er Streikwelle schließen sich die Streikenden erstmals zu einer gemeinsamen Opposition zusammen und gründen die erste freie Gewerkschaft mit dem Namen Solidarnosc (deutsch: Solidarität). Zum Vorsitzenden wählen die Streikenden Lech Walesa – Werftarbeiter und gelernter Elektriker.

In der Folgezeit wächst Solidarnosc von einer Gewerkschaft zu einer Volksbewegung mit fast 10 Mio. Mitgliedern. Die Streikenden fordern nicht nur eine Senkung der Lebensmittelpreise, sondern der Ruf nach Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Abschaffung von Zensur wird lauter.

Werden die Streikenden von der Bevölkerung in den Ostblockstaaten heimlich unterstützt, beginnt im westlichen Ausland eine offenkundige Solidarität mit dem Aufständischen. In der Sowjetunion sieht man diese Bewegung äußerst kritisch und fordert deshalb die polnische Regierung dazu auf, hart gegen die Oppositionellen vorzugehen. Daraufhin verhängt Verteidigungsminister Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht in Polen, welches erst 1983 wieder aufgehoben wird.

Seit 1989: Republik Polen (Dritte Republik)

Am 4. und 18. Juni fanden freie Parlamentswahlen in Polen statt, bei denen sich das Bürgerkomitee Solidarnosc als stärkste Kraft durchsetzen konnte. Erster Ministerpräsident der freien Wahl wurde Tadeusz Mazowiecki, welcher die Regierungsgeschäfte aufnahm.

Im Dezember wurde die Verfassung geändert, die Volksrepublik Polen abgeschafft und durch die Republik Polen ersetzt. Der Staatschef musste mit Inkrafttreten der neuen Verfassung zurücktreten und im Jahr 1990 wurde Lech Walesa zum neuen Staatspräsidenten per Direktwahl gewählt.

Aufgrund seiner besonderen Rolle bei der polnischen Revolution erhielt Lech Walesa bereits 1983 den Friedensnobelpreis, welchen allerdings nicht selbst in Oslo entgegennehmen konnte.

Lech Walesa

Der ehemalige polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa während seines Besuchs in Kiew, Ukraine. Oktober 2014, Bildnachweis: paparazzza / Shutterstock.com

1999: Beitritt der NATO

Nachdem der Eiserne Vorhang 1989/90 gefallen ist und die Sowjetunion 1991 aufgelöst wurde, gab es Annäherungen zwischen den ehemaligen Ostblockstaaten und der westlichen Welt. Am 12. März tritt Polen der NATO bei und sendet 2003 eigene Soldaten in den Irak, um die von den USA angeführte Invasion zu unterstützen.

2004: Beitritt der Europäischen Union

Nach einer Volksabstimmung, bei der sich über 77 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt aussprachen, wird Polen 2004 zum EU-Mitglied. Heute zählt Polen zu den stärksten Volkswirtschaften Europas.

2006: Kritik an Nord Stream 1 und Nord Stream 2

Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind Ostsee-Pipelines zwischen Russland und Deutschland. In Polen löste die Errichtung der Pipelines heftige Kritik aus. Der polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski verglich den Bau mit dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939, welcher zum Überfall auf Polen führte.

Auch andere polnische Abgeordneten und Diplomaten kritisieren den Bau der Pipeline. Diese begründen ihre Kritik mit dem polnischen Geschichtsbewusstsein, wonach sich Großmächte verbünden würden und Pläne schmieden, um Polen abermals zu teilen.

Literatur

  • Günter Wegner (Autor), Altertümer aus Polen, ISBN: 978- 3920557366*
  • Witold Hensel (Autor), Ur- und Frühgeschichte Polens (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, 2, Band 2), ISBN: 978- 3112538456*
  • Jens Schröder (Autor), Markus Wolff (Autor), GEO Epoche 117/2022 – Polen: Das Magazin für Geschichte, ISBN: 978- 3652012157*
  • Norman Davies (Autor), Bronisław Geremek (Vorwort), Friedrich Griese (Übersetzer), Im Herzen Europas: Geschichte Polens, ISBN: 978- 3406758584*
  • Manfred Alexander (Autor), Kleine Geschichte Polens (Reclams Universal-Bibliothek), ISBN: 978- 3150170601*
  • Peter Gatter (Autor), Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft, ISBN: 978- 3426037249*

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