Skip to main content

Kulturen


Als Kulturen bezeichnet man umgangssprachlich eine Zusammenfassung verschiedener Menschengruppen, welche sich durch Sprache, Sitten, Brauchtum oder einem anderen Merkmal von anderen Menschengruppen unterscheiden lassen. In den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften wird der Kulturbegriff etwas enger gefasst, um diesen besser, von anderen Begrifflichkeiten abgrenzen zu können.

Was sind Kulturen

Unter Kultur versteht man alle Errungenschaften, welche durch den Menschen hervorgebracht wurden. Dies kann Kunst, Handwerk, Sprache, Arbeit, Zivilisation, Brauchtum oder irgendein anderes kulturelles Gut sein.

In der Geschichtswissenschaft und anderen Kulturwissenschaften werden die verschiedenen Kulturen durch deren materielle und immateriellen Errungenschaften unterschieden. Unter materiellen Errungenschaften versteht man die Gesamtheit aller gegenständlichen Kulturgüter, welche eine Gesellschaft oder eine Menschengruppe hervorbringt bzw. hervorbrachte und wodurch sie sich von anderen Kulturen unterscheiden lässt. (siehe unten)

Kulturen können regional auftreten oder zeitlich begrenzt aufgetreten sein. Untergegangene Kulturen der Steinzeit, Bronzezeit und römischen Kaiserzeit werden als archäologische Kultur bezeichnet, da deren Existenz nicht durch Schriftquellen, sondern nur durch Keramik, Bauten oder Werkzeuge nachgewiesen werden kann.

Worin unterscheiden sich Kulturen

Unterscheidbar sind Kulturen in ihren materiellen und immateriellen Errungenschaften. Materielle Kulturgüter sind:

  • kulturspezifische Werkzeuge (z.B. Holzbumerang),
  • kulturspezifische Waffen (z.B. Samurai-Schwert),
  • kultureigene Keramik (z.B. Ming-Vase),
  • kulturspezifische Kunst und Architektur
  • kultureller Kleidung (z.B. Trachten),
  • kultureller Schmuck usw. sein

Weiterhin lassen sich Kulturen auch durch immaterielle Güter unterscheiden. Solche immateriellen Kulturgüter sind Sitten, Gebräuchen, Wertvorstellungen, Weltbilder, Religionen, Sprache, Traditionen, Sagenwelt und Mythologien.

Was sind Kulturträger

Als Kulturträger werden die Menschen bezeichnet, welche diese Errungenschaften nutzen, produzieren, praktizieren oder verbreiten. Die Gesamtheit aller Menschen, welche als Kulturträger auftreten, wird dann als eigenständige Kultur zusammengefasst.

Was ist der Unterschied zwischen Kulturen, Völkern und Nationen

Völker verbindet eine gemeinsame Identität. Diese Identitätsbildung kann aufgrund gemeinsamer Geschichte, gemeinsamer Sprache und Gebräuche entstanden sein. Werden Völker in einem Staat vereint, entsteht ein Nationalstaat mit einer Nation.

Bei Kulturen entsteht keine gemeinsame Identität obwohl identitätsfördernde Merkmale (z.B. gemeinsame Vergangenheit) vorhanden sein können. Stattdessen basiert die Definition von Kulturen nur auf Fremdbeschreibungen, welche von kulturfremden Personen vorgenommen wurde. Da die meisten Kulturen lediglich historisch vorliegen, erfolgt die Rekonstruktion durch Historiker, Archäologen usw.

Wie entstehen Kulturen

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Rassentheorie sehr verbreitet, wonach die Kulturentstehung durch Rassenunterschiede erklärt wurde. Dieser rassistische Ansatz basiert allerdings auf Vorurteile und Vorwegnahmen, wodurch diese Herangehensweise nicht auf Fakten, sondern auf Vermutungen beruht und äußerst unwissenschaftlich ist. Der Rassenbegriff wurde in der Biologie im 20. Jahrhundert aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass es im wissenschaftlichen Diskurs weder Menschenrassen noch Unterarten vom Menschen gibt.

Heute wird die Entstehung von unterschiedlichen Kulturen mit eigenen Bräuchen und Sitten durch eine unterschiedliche Geschichte erklärt. Jede Kultur ist demnach aus einer historischen Prägung entstanden. Diese kulturelle Prägung geschah nicht nur durch Kriegs- und Friedenszeiten, sondern auch durch die Alltagsgeschichte der Kulturträger. Aus der historischen Retroperspektive ergab sich für jede Kultur ein anderer Erkenntnisgewinn über eigene Fehler, Stärken und Schwächen – welche das eigene Weltbild prägen. An diesem Weltbild richtet sich dann das Denken, Verhalten, Erleben und Handeln einer Kultur aus.

Was sind Kulturstufen

Die Kulturstufentheorie ist eine Modellannahme, wonach sich die Menschheit vom Naturmenschen zum Kulturmenschen entwickeln konnte. Die Theorie stammt vom österreichischen Geographen Hans Bobek, welche mit dem Kulturstufenmodell wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge verschiedener Kulturen beschreiben wollte. Die 6 Kulturstufen der Menschheitsgeschichte sind laut Bobek:

  1. Jäger und Sammler: Der Wildbeuter-Mensch passt sich an seine Umwelt an und nutzt natürliche Ressourcen als Nahrung und Rückzugsort. Zeitlich ist diese Kulturstufe mit dem Beginn der Steinzeit verknüpft.
  2. Spezialisierte Jäger und Sammler: Erste Formen von Arbeitsteilung entstehen, wonach sich Jäger und Sammler spezialisieren konnten. Frühe Formen der Vorratshaltung entstehen, allerdings ohne Keramik, Ackerbau und Viehhaltung. Diese Kulturstufe beginnt noch während der Altsteinzeit, wird aber die typische Lebensweise der Mittelsteinzeit sein.
  3. Hirtennomaden und Sippenbauern: Nahrungsmittelproduktion geschieht durch Ackerbau und Viehhaltung. Allerdings sind keine Weideflächen oder andere Kulturlandschaften angelegt, so dass die Viehhirten weiterhin als Nomaden leben. Der Ackerbau bewirkt, dass sich Sesshaftigkeit einstellt. Dieser Kulturwandel setzte während der Jungsteinzeit ein und wird als Neolithische Revolution bezeichnet.
  4. Feudalgesellschaft: Ein hierarchisch aufgebaute Agrarwirtschaft mit Lehnwesen, abhängigen Bauern und sozialen Klassen. Das Feudalsystem war die typische Gesellschaftsordnung im europäischen Mittelalter.
  5. Rentenkapitalismus: Grundbesitzer überlassen abhängigen Bauern und Verwaltern ihre Agrarflächen und beziehen einen Großteil der Ernte. (Ertragsrente, Ernteeinkommen)
  6. Produktionskapitalismus: Kapitalisten sind Besitzer von Produktionsmitteln und setzen diese ein, um ihre Interessen zu wahren bzw. durchzusetzen. In Europa ist dies die typische Gesellschaftsordnung ab dem 18. Jahrhundert mit Beginn der Industriellen Revolution.

Das Kulturstufenmodell ist kritisch zu sehen. Denn es ist eng mit dem Evolutionismus verknüpft, da die Annahme suggeriert wird, dass es primitive Kulturen gibt, welche einen bestimmten Kulturwandel noch nicht durchlaufen haben. Demnach sind Naturvölker oder Naturreligionen als niederstufig anzusetzen, welche von höheren Kulturen dominiert werden könnten. Der Sozialdarwinismus, welcher im 19. Jahrhundert ebenfalls populär war, gründet darauf.

Ein weiterer Kulturstufenansatz geht auf Friedrich Engels zurück. Engels war Philosoph, Gesellschaftstheoretiker und Historiker des 19. Jahrhunderts. Laut Engels gibt es drei Stufen zur Zivilisation:

  • Wildheit: Jäger und Sammler-Kulturen jagen mit Pfeil und Bogen (Leitwaffe).
  • Barbarei: Diese Kulturstufe beginnt mit Ackerbau und Viehzucht (Jungsteinzeit). Das charakteristische Werkzeug der Barbaren war das Schwert.
  • Zivilisation: Erfindung der Schrift führt zu Regelungen des menschlichen Miteinanders (Gesetzestexte, Urkunden, Erlässe) – wodurch die Barbarei überwunden und die Zivilisation ermöglicht wurde. Diese Stufe begann in der Frühgeschichte am Ende der Eisenzeit und mit dem Beginn der Antike bzw. des Altertums. Das Feuerrohr ersetzt das Schwert des Barbaren.

Warum gibt es verschiedene Kulturen

Unterschiedliche Kulturen entstehen aufgrund unterschiedlicher Geschichte und dem Erkenntnisgewinn aus der eigenen Vergangenheit (siehe oben). So ist bspw. die Europäische Union nicht nur ein Wirtschaftssystem mit einheitlicher Währung, sondern vielmehr ein gemeinsames Wertesystem der Mitgliedsstaaten.

Das Konzept, dass Europa durch Handel und gleiche Wertvorstellungen vereint sein muss, entstand aus dem Trauma beider Weltkriege. Die Erkenntnis, dass sich Kriege in Europa nicht wiederholen dürfen, führte also zur Gründung der EU und der damit kulturellen Angleichung der Mitgliedsstaaten.

Jedes Land und jede Kultur hat geschichtliche Ereignisse, wie Krieg, Vertreibung oder Ähnliches überstanden, welche dazu führte, dass sich diese kulturell unterschiedlich entwickelten als andere Kulturen. So basieren Agrarkulturen ohne ausreichende Gesetze und Rechtsprechung auf dem Prinzip der Stärke. Diverse Konzepte, wie Ehre oder Standhaftigkeit, sind in diesen Kulturen stärker ausgeprägt, da ein Zeichen von Schwäche dazu führen könnte, dass ein Dritter kommt und sich das Land gewaltsam nimmt. Jede Form von Provokation, Verleumdung oder Anfeindung muss notfalls mit Gewalt beantwortet werden, um keine Anzeichen von Schwäche aufkommen zu lassen. Solche Agrarkultur bestand in Amerika im 18. und 19. Jahrhunderts (Wilder Westen).

Das Konzept des Kulturrelativismus geht davon aus, dass das Innenleben einer Person individuell und kulturell geprägt ist. Demnach kann ein Kulturfremder die Moral- und Wertvorstellungen der anderen Kultur nicht nachvollziehen, da er nicht deren Geschichte verinnerlicht hat. Und da er diese nie verinnerlichen kann, sollte der Kulturfremde nicht versuchen, seine eigenen kulturell erworbenen Moralvorstellungen durchzusetzen, da dies nicht gelingen wird.

Was für die eine Kultur moralisch verwerflich ist, kann in der anderen Kultur moralisch wertvoll sein und umgekehrt.

Warum gehen Kulturen unter

Durch das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen findet immer ein Austausch statt. Bei jedem Austausch kommt es zu einem kulturellen Ausgleich, da Wissen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen ausgetauscht werden. Der weltweite Handel verbindet Kulturen, führt zu mehr Austausch und somit zu einer noch schnelleren kulturellen Angleichung.

So ging bspw. die Jäger und Sammler Kultur der Alt- und Mittelsteinzeit unter, da Bauern aus dem Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds nach Europa kamen, um neue Ackerflächen zu erschließen. Der Austausch mit den dort ansässigen Nomadenkulturen führte zu einer Angleichung beider Seiten. Am Ende der Neolithisierung wurde in ganz Europa eine Agrarkultur eingeführt.

Die Germanen gingen unter, da die einzelnen Germanenstämme mit Vertretern des Römischen Reiches handelten, deren Kultur allmählich annahmen, wodurch ihre eigene Kultur zunehmend verblasste. Die Kultur der griechischen Antike ging unter, da zwischen den Stadtstaaten Athen und Sparta zunehmend Uneinigkeiten herrschte. Dadurch verblasste auch hier die gemeinsame Kulturidee – wodurch sie vom Römischen Reich vereinnahmt werden konnten.

Kulturen gehen immer dann unter, wenn sie ihren kulturellen Pfad verlassen und neue Kulturelemente von außen zulassen. Da dies etwas ganz normales ist, ist der Untergang einer Kultur ebenso normal und Teil des Entwicklungsprozesses.

Welche Kulturen gibt es

Europa ist ein landschaftlich äußerst vielseitiges Gebiet mit Flachland, Bergland, Inseln und Halbinseln. Dass Europa zum Schauplatz unzähliger Kriege, zweier Weltkriege und des Dreißigjährigen Krieges werden konnte, liegt an der Vielfältigkeit der geographischen Landmasse, welche ein Antreiber für die Ausprägung verschiedener Kleinst-Kulturen ist. So gibt es Bergkulturen gegenüber Inselkulturen oder Flachlandkulturen. Es gibt die mitteleuropäische Kultur, welche sich von der Kultur Südeuropas, Osteuropas oder Nordeuropas unterscheidet.

Ganz Europa grenzt sich kulturell von Asien ab, weshalb Eurasien als ein geographischer Doppelkontinent mit zwei Kulturräumen betrachtet wird. Neben den vielfältigen Kulturen Europas gibt es in Asien ebenfalls zahlreiche Kulturen. So sind die Kulturen in Südasien (Indien) ganz anders geprägt als in Nordasien (Russland).

Die Kultur Nordafrikas ist arabisch geprägt. In Zentralafrika entstanden im 19. und 20. Jahrhundert diverse Kolonien, welche durch die europäischen Kolonialmächte geprägt wurden. Dadurch ist Zentralafrika europäisch christlich geprägt.

Nordamerika gehört zur westlichen Welt und die USA gelten als Kulturgeber des Abendlandes. Zwischen Nord- und Südamerika existiert ein riesiger Kulturunterschied, welcher ebenfalls historisch begründet ist. So sind die Staaten in Süd- und Mittelamerika durch spanischen und portugiesischen Eroberer geprägt, während Nordamerika durch Großbritannien geprägt wurde.

Neben den Kulturunterschieden auf jedem Kontinent existieren auch regionale Unterschiede innerhalb eines Staates. So existieren im ländlichen Raum ganz andere Vorstellungen als in den Großstädten, was zu anderem Brauchtum und einer ganz anderen Lebensweise führt. Im Bergland werden andere Feste und Bräuche ausgeübt als an Küstengebieten oder im Flachland. In einigen Nationalstaaten leben zudem ethnische Gruppen, indigene Völker – welche sich kulturell von der restlichen Bevölkerung ebenfalls unterscheiden.

In den ehemaligen Kolonien Asiens (z.B. Indien, Pakistan) und Afrikas setzten die Kolonialmächte einige Vertreter einer lokalen Ethnie als Verwalter der Kolonie ein. Die Verwalter erhielten Privilegien und konnten sich von anderen ethnischen Kulturen der Region abheben. Als im 20. Jahrhundert die Kolonialmächte ihre Kolonien in Afrika und Asien aufgaben, kam es zu Bürgerkriegen in einzelnen Ländern, zu Völkermorden zwischen den konkurrierenden Kulturen.

Der Kulturunterschied wird im Nahen Osten ebenfalls deutlich, wo das jüdische Israel in Konflikt steht mit den umgebenden islamisch geprägten Staaten.

Wie werden Kulturen benannt

Archäologische Kulturen werden entweder nach dem Fundort oder nach einem markanten Merkmal ihrer Kulturgüter benannt. So gibt es bspw. die Hamburger-Kultur, welche in der Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit existierte. Diese wurde nach Fundstellen in Hamburg benannt. Und die Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit wurde nach der äußerlichen Form der Keramik benannt.

Was war die erste Kultur der Menschheit

Die erste Kultur war die Oldowan-Kultur, benannt nach der Olduvai-Schlucht in Tansania, in der man 1931 diverse Steinwerkzeuge fand. Diese Oldowan-Werkzeuge bilden die erste Kulturstufe der Menschheit und zugleich die primitivste Technologiestufe.

Datiert wurden die Werkzeuge auf ein Alter von 2,6 Mio. Jahren. Mit der Oldowan-Kultur begann die Steinzeit zuerst in Afrika, dann in Asien, später in Australien, Europa und Amerika. Vor etwa 1,5 Mio. wurden die Oldowan-Werkzeuge durch bessere Geräte – wie den Faustkeil – ersetzt. Diese modernen Steingeräte gehören dann zur zweiten Kulturepoche der Menschheit, dem Acheuléen.


Über den Autor

wissen
Folge Sciodoo und bleibe stets auf dem Laufenden. Schließ dich uns an und abonniere unseren Instagram-Kanal ein. Wir stellen täglich neue Artikel für dich rein.
Weiter zum Kanal>>>
     

Ähnliche Beiträge