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Pränatale Entwicklung in der Schwangerschaft und Umwelteinflüsse


In der Entwicklungspsychologie wird nicht nur die Phase der Kindheit untersucht. Es geht viel mehr um die menschliche Entwicklung während der gesamten Lebensspanne. Das umfasst nicht nur die Zeit von der Geburt bis zum Tod. Auch die Zeit davor wirkt sich bereits auf den Menschen als Individuum aus. Denn schon im Mutterleib werden wir von äußeren Faktoren beeinflusst.

In der Psychologie drehte sich lange vieles um die Frage, ob nun die Umwelt oder die genetische Veranlagung für die Persönlichkeit eines Menschen verantwortlich ist. Mittlerweile weiß man, dass beide ihren Anteil daran haben. Zu welcher Person wir uns entwickeln, welche Interessen und Fähigkeiten wir haben oder für welche Krankheiten wir anfällig sind, hängt demnach von unseren Genen und ebenso von Umwelteinflüssen ab. Doch dazu später mehr. Sehen wir uns zunächst die pränatale Entwicklung an, bevor wir einige Einflüsse unter die Lupe nehmen.

Was geschieht nach der Empfängnis

Von der befruchteten Eizelle zum fertigen Menschen passiert so einiges. Nach der Empfängnis – also nachdem Eizelle und Samenzelle miteinander verschmolzen sind – beginnt eine Phase der rasanten Zellteilung. Die befruchtete Eizelle (auch Zygote genannt) teilt sich immer weiter: Aus der einen Zelle werden zwei, dann vier, dann sechzehn und so weiter. Nach etwa zwei Wochen spricht man von einem Embryo.

Allerdings überlebt nicht einmal die Hälfte der Zygoten diesen Zeitraum. Falls doch, besteht die Zygote nach einer Woche aus circa hundert identischen Zellen. Erst jetzt beginnen diese, sich auch bestimmte Funktionen zu spezialisieren. Sie differenzieren sich und bilden die ihren Funktionen entsprechenden Strukturen aus. So werden die zuvor noch identischen Zellen zu etwa Gehirn-, Leber- oder Hautzellen. Etwa neun Monate später hat sich die Zygote so oft geteilt, dass ein kleiner Mensch mit mehr als 100 Billionen Zellen zur Welt kommt.

Nach zwei Wochen ist aus der Zygote ein Embryo geworden

Von einem Embryo ist von der zweiten bis zur achten Schwangerschaftswoche die Rede.

Ab der neunten Woche wird das Ungeborene als Fötus bezeichnet. Doch zunächst nochmal zurück zum Embryo. Nach gut zehn Tagen heftet sich die Zygote an die Wand der Gebärmutter. Die inneren Zellen der Zygote entwickeln sich nach und nach zum Embryo.

Die äußeren Zellen bilden zusammen mit der Gebärmutter schließlich die Plazenta aus, welche auch als Mutterkuchen bezeichnet wird. Die Plazenta stellt somit eine direkte Verbindung zwischen Mutter und Kind dar. Über diese Verbindung erhält das Ungeborene Sauerstoff und Nährstoffe von der Schwangeren. Gleichzeitig ist es die engste Verbindung die wir jemals zu einem anderen Menschen haben.

Der Embryo wäscht ziemlich schnell. Während der nächsten sechs Wochen entwickeln sich langsam die einzelnen Organe. Nach etwa vierzig Tagen ist die Wirbelsäule bereits zu erkennen. Auch Beine und Arme beginnen sich zu entwickeln. In der embryonalen Zeit beginnt unter anderem auch das Herz das erste Mal zu schlagen.

Neun Wochen nach der Empfängnis beginnt die Fötalzeit

Jetzt erkennt man beim Ungeborenen immer deutlicher menschlicher Züge.

Interessanterweise sehen die Embryos der meisten Tiere (und eben auch der Mensch) sehr ähnlich aus. Das ändert sich erst mit zunehmender Zeit. Das Ungeborene hat in dieser Phase mittlerweile Hände und Füße ausgebildet. Auch das Gesicht ist nun eindeutig zu erkennen. Zu Beginn des vierten Schwangerschaftsmonats wiegt der Fötus ungefähr sechzig Gramm. Zu diesem Zeitpunkt passt er noch problemlos auf eine Handfläche.

Auch seine Organe entwickeln sich stetig weiter. Im sechsten Schwangerschaftsmonat ist der Magen zum Beispiel schon so weit entwickelt, dass ein Frühchen gute Überlebenschancen hat. Wie sich der Fötus während der Schwangerschaft entwickelt, hängt von genetischen und umweltbedingten Faktoren ab. Das Ungeborene nimmt zu diesem Zeitpunkt bereits erstaunlich viel wahr, obwohl es selbst keinen direkten Kontakt zur Außenwelt hat.

Die Stimme der Mutter wird bevorzugt

Föten reagieren ab dem sechsten Monat auf Geräusche. Besonders auf den (wenn auch gedämpften) Klang der Stimme ihrer Mutter. Interessanterweise reagieren sie auch nach der Geburt stärker auf die Stimme der Mutter, obwohl diese außerhalb des Uterus für das Baby anders klingt. Außerdem reagieren sie auch mehr auf die mütterliche Stimme als auf die des Vaters oder auf die Stimmen anderer Frauen. Neugeborene zeigen auch bereits eine Vorliebe für die ihnen vertraute Sprache – sie reagieren stärker auf die buchstäbliche Muttersprache als auf andere Sprachen.

Das gilt zum Beispiel auch dann, wenn die Mutter während der Schwangerschaft zwei Sprachen benutzt hat. In diesem Fall ist das Baby an diesen beiden Sprachen mehr interessiert als an anderen. Dass der Spracherwerb bereits im Mutterleib beginnt, zweigen sogar die Melodien der Schreie, die die Babys verschiedensprachiger Mütter ausstoßen. Die Klangabfolgen der Schreie ähneln der Sprachmelodie der mütterlichen Sprache. Das bedeutet, dass zum Beispiel Babys deutschsprachiger Mütter anders schreien als die von französischen Müttern.

Gedächtnisprozesse entwickeln sich bereits um Mutterleib

Föten gewöhnen sich jedoch nicht nur an die Stimme der Mutter, sondern auch an andere Geräusche. In Studien wurden Schwangeren Apparate um den Bauch geschnallt, die etwa ein Hupen oder Vibrieren ausstießen. Sie zeigen sich selbst nach vier Wochen noch unbeeindruckt von diesen Geräuschen im Gegensatz zu anderen Föten, die diese Töne nicht gewohnt waren. Das zeigt, dass bereits in den Gehirnen Ungeborener Lernprozesse stattfinden.

Nehmen Schwangere Schadstoffe auf, geben sie diese ans Ungeborene weiter

Weniger harmlos als Geräusche sind Teratogene. Damit sind bestimmte Schadstoffe gemeint, welche über die Plazenta an den Fötus weitergegeben werden und das Ungeborene während der pränatalen Entwicklung Schaden zufügen. Die Plazenta hat zwar eine Art Schutzwall gegenüber Gefahren, doch alles kann sie nun einmal nicht abhalten.

Ein Beispiel dafür ist Alkohol. Diesen trinkt die Mutter nicht allein – sie sollte sich bewusst sein, dass das Kind in ihrem Bauch „mittrinkt“. Da der Alkohol mit dem Blut der Mutter durch die Plazenta in den Organismus des Kindes geschleust wird, wirkt sich das Glas Wein oder die Flasche Bier nicht nur auf das Nervensystem der Mutter aus. Auch das zentrale Nervensystem des Fötus ist betroffen und fährt seine Aktivität herunter.

Wenn eine Schwangere Alkohol trinkt, kann das die Ursache für eine spätere Alkoholabhängigkeit des Kindes werden. Durch das Trinken während der Schwangerschaft entwickelt das Kind eine Präferenz für Alkohol. Das erhöht das Risiko, dass das Kind später – etwa im Jugendalter – vermehrt zur Flasche greift und übermäßig viel Alkohol trinkt.

Doch das Trinken während der Schwangerschaft beeinflusst nicht nur die Vorliebe für Alkohol beim Kind. Es kann dieses darüber hinaus in seiner Entwicklung empfindlich schädigen. Schwangere mit starkem Trinkverhalten riskieren verschiedenste Schäden bei ihrem Kind. Es kann beispielsweise zu Hyperaktivität, Verhaltensproblemen oder Intelligenzminderung bei diesen Kindern kommen.

Ein bekanntes Phänomen ist das Fötale Alkoholsyndrom. Das mit FAS abgekürzte Syndrom ist die Folge eines Alkoholmissbrauchs der Schwangeren. Neben Gehirnanomalien können sich die Proportionen des Gesichts verändern oder der Schädel entwickelt sich nicht vollständig, was zu einem zu kleinen Kopf führt. Herzfehler oder Hörschäden sind weitere mögliche Folgen. Alkohol ist also in mehrfacher Hinsicht ein Risikofaktor für das ungeborene Kind.

Warum Schwangere nicht rauchen sollten

Die Schwangerschaft ist der ideale Zeitpunkt, sich das Rauchen abzugewöhnen. Ungeborene von rauchenden Schwangeren nehmen schlechter an Gewicht zu als die Föten von Nichtraucherinnen. Auch Entwicklungsprobleme können eine Folge des Nikotinkonsums sein. Nikotin verengt die Blutgefäße und sorgt so für eine schlechtere Sauerstoffversorgung des Kindes im Mutterleib.

Das Risiko einer Frühgeburt erhöht sich durch das Rauchen ebenfalls. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby Asthma oder Allergien ausbildet. Passivrauchen ist übrigens nicht wirklich unschädlicher für das Ungeborene als das aktive Ziehen an der Zigarette.

Koffein nur in Maßen

Untersuchungen zeigen einen Zusammenhang von Kaffeekonsum und dem Risiko von Totgeburten. Dänische Wissenschaftler fanden anhand einer Stichprobe von mehr als 18.000 Schwangeren heraus, dass Kaffee trinkende Frauen ein dreifach erhöhtes Risiko für eine Totgeburt hatten. Allerdings traf das nur auf diejenigen zu, die mehr als acht Tassen Kaffee pro Tag tranken. Interessanterweise hatten die Schwangeren, die hingegen eine bis drei Tassen tranken, ein leicht geringeres Risiko als Frauen, die gar kein Koffein konsumierten.

Was ist mit Umweltgiften, die Schwangere nicht vermeiden können

Schwermetalle können die Entwicklung des Ungeborenen beeinflussen. Selbst wenn Schwangere weder rauchen noch Alkohol trinken und auch keine Drogen oder Medikamente einnehmen, können sie ihr Ungeborenes nicht unter Garantie vor allen Schadstoffen beschützen. So kann beispielsweise das Trinkwasser in Altbauten durch veraltete Rohre mit Blei verunreinigt sein, wovon die werdende Mutter nicht zwingend Kenntnis hat. Blei kann neben Fehlbildungen auch Früh- oder Totgeburten zur Folge haben.

Manche Schadstoffe können in Nahrungsmitteln aus belasteten Gebieten vorhanden sein. Doch auch in Möbeln im eigenen Wohnumfeld oder am Arbeitsplatz können sich chemische Schadstoffe befinden.

…und nochmal kurz etwas zum Thema Zigaretten

In Zigaretten ist nicht nur Nikotin enthalten, sondern auch Kadmium. Es sammelt sich im Fruchtwasser an und das Wachstum des Kindes beeinträchtigen kann. Es steckt allerdings nicht nur in Zigaretten, sondern auch in bestimmten Nahrungsmitteln, wie beispielsweise Leber. Zigaretten enthalten neben Nikotin und Blei allerdings auch noch weitere Gefahrenstoffe, wie beispielsweise Arsen, Kohlenmonoxyd oder Teer.

Haben werdende Mütter Zahnfüllungen mit Amalgam, sollten diese während der Schwangerschaft nicht erneuert werden. Am besten schon vor Beginn der Schwangerschaft nicht. Dieser Füllstoff enthält Quecksilber. Über das Blut der Mutter kann dieser Schadstoff zum Ungeborenen gelangen und bei diesem Hirnschäden verursachen.

Zusammenfassung

  • Wie ein Mensch sich entwickelt hängt sowohl von seinen Genen als auch den Umwelteinflüssen ab.
  • Die Zeit vor der Geburt ist eine Phase, in der sehr viel in der Entwicklung passiert.
  • Durch unzählige Zellteilungen entsteht im Laufe von 9 bis 10 Monaten aus einer befruchteten Eizelle ein neuer Mensch.
  • Die Entwicklungsstadien des Ungeborenen können grob in drei Phasen eingeteilt werden: Zygote, Embryo und Fötus.
  • In der Zeit von der Empfängnis bis zur zweiten Schwangerschaftswoche spricht man von einer Zygote.
    Von der zweiten bis zur neunten Woche ist die Rede vom Embryo.
    Nach der neunten Schwangerschaftswoche handelt es sich beim Ungeborenen bis zur Geburt um einen Fötus.
  • Der Fötus weist bereits Lern– und Gedächtnisprozesse auf. So erkennt das Neugeborene etwa die Stimme seiner Mutter wieder, obwohl es diese zuvor nur in einer gedämpften Version im Uterus kennengelernt hat.
  • Auch bevorzugt es die Stimme seiner Mutter gegenüber anderen Stimmen.
    Die jeweilige Sprache der Mutter spiegelt sich bereits im Schreien des Neugeborenen wider.
  • Schadstoffe können die Entwicklung des Ungeborenen empfindlich beeinträchtigen.
    Einige Schadstoffe beziehungsweise Teratogene nimmt die Mutter aktiv auf. Dazu zählen etwa das Trinken von Alkohol oder das Rauchen von Zigaretten. Drogen und Medikamente können ebenfalls jeweils unterschiedliche negative Wirkungen auf die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes haben. Das Fötale Alkoholsyndrom ist nur ein Beispiel.
  • Weitere Giftstoffe werden unbewusst von der Schwangeren aufgenommen, wie beispielsweise Blei. Manche Teratogene verbergen sich in Nahrungsmitteln, der eigenen Wohnung oder auch in Zahnfüllungen.
  • Abschließend lässt sich festhalten: Die pränatale Entwicklung ist von erstaunlichen Entwicklungsschritten geprägt, welche jedoch von verschiedensten Einflüssen potenziell bedroht werden.

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