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Körperliche, mentale und kognitive Alterungsprozesse bei Erwachsenen


Früher glaubte man, dass das Erwachsenenalter in Bezug auf die Entwicklung ein langes Plateau sei. In der Kindheit und im Jugendalter passiert offensichtlich sehr viel: Wir lernen zu laufen, zu sprechen, kommen in die Pubertät und entwickeln unter anderen eine eigene Identität. Doch geschieht danach in Sachen Entwicklung gar nichts mehr vor dem Seniorenalter?

Im hohen Erwachsenenalter werden die Augen schlechter und das Gedächtnis funktioniert nicht mehr so zuverlässig. Doch passiert bis dahin wirklich keine nennenswerten Entwicklungsschritte? Doch, natürlich. Auch im jungen und mittleren Erwachsenenalter finden noch verschiedene Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen statt. In diesem Artikel erfährst du mehr über die körperlichen, kognitiven und sozialen Entwicklungen, die das Erwachsenenalter so mit sich bringt.

Die körperliche Entwicklung im Erwachsenenalter

Nach Zwanzig geht´s bergab?

Der Höhepunkt der körperlichen Leistung liegt tatsächlich in der Altersspanne von Anfang bis Mitte Zwanzig. Doch der Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ereignet sich schleichend über Jahrzehnte. Wir bekommen ihn in der Regel im Alltag gar nicht mit. Bei Hochleistungssportlern sieht das anders aus. Da sie regelmäßig an ihre körperlichen Grenzen gehen, fällt ihnen ein früheres Erreichen dieser Grenzen schneller auf.

Sie bemerken auch, dass der körperliche Leistungsabbau meist nach dem 40. Geburtstag schneller vonstattengeht. Allerdings gilt auch hier: Es ist keine pauschale Aussage, da der gesundheitlicher Zustand oder allgemeine Konstitution einer Person neben dem Alter auch eine Rolle spielen.

Sinkende Reproduktionsfähigkeit, längere Lebenserwartung

Im mittleren Erwachsenenalter sinkt die Reproduktionsfähigkeit.

Ein sinkender Testosteronspiegel und eine schwindende Spermienanzahl können einen Schwangerschaftswunsch erschweren. Auch wird es einige Jahre vor der Menopause schon schwieriger: Zwischen Anfang und Mitte Zwanzig klappt es mit dem Schwangerwerden doppelt so oft wie im Zeitraum von Mitte bis Ende Dreißig. Wie Menschen letztendlich mit ihrer schwindenden Fruchtbarkeit umgehen, ist individuell. Während die einen darum trauen, empfinden andere es als eine Erleichterung. Nicht zuletzt, weil das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft sinkt und Menstruationsbeschwerden verschwinden.

Die Lebenserwartung steigt. In den letzten sechzig Jahren stieg der weltweite Durchschnitt von rund 49 auf 69 Jahre. Die Lebenserwartung schwankt dennoch stark zwischen den verschiedenen Ländern. In einigen Industrienationen liegt das Durchschnittsalter um die 80 Jahre. Die Gesellschaft als Ganzes wird älter, wobei Frauen im Schnitt Männer um einige Jahre überleben. Den hundertsten Geburtstag erreichen dennoch die wenigsten Menschen.

Alterungsprozesse werden durch das Absterben der Telomere (die Spitzen der Chromosomen) angekurbelt. Es werden keine neuen Zellen mehr gebildet, welche die alten ersetzen. Ein gesunder und stressfreier Lebensstil wirkt sich positiv auf die Telomere aus.

Sensorische Einbußen und Veränderungen des Gehirns

Mit zunehmendem Alter lassen die Sinne nach.

Die Augen brauchen mehr Licht, das Hören fällt schwerer, der Geruchssinn schwindet. Auch das Immunsystem wird schwächer. Verhältnismäßig harmlose Erkrankungen können daher für Ältere gefährlich werden. Allerdings ist ihr Immunsystem über die Dauer des Lebens so weit ausgereift, dass beispielsweise Erkältungen – die bei Kindern noch ein Dauerthema sind – kaum noch auftreten.

Das Gehirn verändert sich im Erwachsenenalter ebenfalls. Bereits nach dem zwanzigsten Lebensjahr nimmt die Geschwindigkeit bei der Informationsübertragung langsam ab. Reaktionszeiten verlängern sich, die Fähigkeit zum Problemlösen nimmt ab. Das Gesamtgewicht des Gehirns nimmt bis zum Alter von etwa 80 Jahren um rund fünf Prozent ab. Sport ist gut für das Gehirn: Sauerstoff– und Nährstoffzufuhr werden durch körperliche Ertüchtigung gesteigert und das Risiko einer Demenzerkrankung gesenkt. Gleichzeitig verbessern sich Gedächtnisleistungen und das Urteilsvermögen.

Alzheimer ist eine gefürchtete Krankheit, bei der es zu einem extremen Absterben von Gehirnzellen kommt. Unter anderem nimmt das logische Denken ab, die zeitliche sowie räumliche Orientierung geht verloren, die Emotionen flachen ab und es kommt letztendlich zu einer geistigen Leere. Zwar hängt das Erkrankungsrisiko mit dem Alter zusammen. Dennoch sind die meisten Neunzigjährigen nicht betroffen.

Kognitive Entwicklung im Erwachsenenalter

Was in den Jahren des frühen Erwachsenenalters passiert, erinnern wir später in der Regel besonders gut.

Ihr Gedächtnis schätzen die meisten Menschen mit 40 bereits schlechter ein als noch mit 30 Jahren. Untersuchungen zeigten, dass es auf die Art des Erinnerns ankommt. Sollen wir Gedächtnisinhalte reproduzieren (zum Beispiel einen bestimmten Sachverhalt aus dem Stehgreif erklären), gelingt uns das im jungen Erwachsenenalter besser als in späteren Jahren.

Geht es allerdings darum, Gelerntes wiederzuerkennen (zum Beispiel bei Multiple-Choice-Aufgaben), kommt es zu keinem nennenswerten Unterschied zwischen den Altersgruppen. Allerdings liegen junge Erwachsen und diejenigen im mittleren Alter bei der Reaktionszeit zum Antworten vor den älteren Erwachsenen. Das bedeutet nicht, dass Ältere die Antwort nicht wissen. Sie können diese nur nicht mehr so schnell abrufen.

Auch das prospektive Gedächtnis funktioniert im höheren Alter nicht mehr so gut. Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich an zukünftige Ereignisse zu erinnern, zum Beispiel an Termine oder die Uhrzeit zur Einnahme der Medikamente. Für die Intelligenz ist das Alter an sich allerdings wenig aussagekräftig. Zwar findet irgendwann ein verstärkter kognitiver Abbau statt, doch dieser hängt eher mit dem Zeitpunkt des herannahenden Todes zusammen als mit dem Alter per se.

Welche sozialen Entwicklungen finden im Erwachsenenalter statt

Die Midlifecrisis ist nicht belegt.

In der Mitte des Lebens kommen allerdings dennoch viele kritische Lebensereignisse zusammen. Dazu zählt beispielsweise die Versorgung der eigenen Kinder oder deren Auszug von zu Hause, das Pflegen der eigenen alternden Eltern, Schwierigkeiten im Beruf oder Eheleben.

Zu den kritischen Lebensereignissen gehören allerdings auch frühere Dinge. Zum Beispiel der Berufseinstieg, die Eheschließung oder die Geburt des ersten Kindes. Wann diese einzelnen Ereignisse stattfinden sollten, gibt die sogenannte soziale Uhr vor. Damit sind gesellschaftliche Vorstellungen gemeint, nach denen zum Beispiel die Heirat in einem bestimmten Alter erfolgen sollte. Diese Vorstellungen wandeln sich über die Zeit und sind auch von Kultur zu Kultur verschieden.

Die soziale Uhr tickt nicht immer gleich

Mit jedem Altersabschnitt gehen unterschiedliche Aufgaben und Rollenbilder einher.

Früher gab die Uhr zum Beispiel Frauen den Ablauf der Rollen folgendermaßen vor: Schülerin, Berufstätige, dann Mutter und Hausfrau sowie eine erneute Berufstätigkeit mit anschließendem Ruhestand. Mittlerweile haben sich diese Rollenvorstellungen sowohl in der zeitlichen Abfolge als auch in Bezug auf die Geschlechter gewandelt. Schließlich können Väter heute auch in Elternzeit gehen und verschiedene Rollen werden zum Teil nebeneinander gehändelt. Allerdings verfallen Paare nach der Geburt des ersten Kindes dennoch wieder in alte Rollenbilder zurück.

Erikson nennt Intimität und Generativität als Hauptaufgaben im mittleren Erwachsenenalter. Es geht also um Liebe und Arbeit. Die Liebe bezieht sich sowohl auf die Paarbeziehung als auch auf die eigenen Kinder. Für eine Paarbeziehung sind verschiedene Faktoren von Vorteil. Zum Beispiel ähnliche Interessen und Werte. Allerdings spielt auch die Kommunikation zwischen den Partnern eine entscheidende Rolle.

Ein fairer Umgang miteinander will geübt sein, um langfristige Probleme oder eine Trennung zu vermeiden. So sollte es ein ungefähres Verhältnis von eins zu fünf bei positiver und negativer Interaktion vorliegen. Zum Beispiel sollten auf einen Streit mindestens fünf Handlungen kommen, die als positiv empfunden werden. Das kann gemeinsames Lachen oder einfach nur eine nette Geste sein.

Intimität und Generativität als Entwicklungsaufgaben

Aller Anfang ist schwer.

Das gilt auch für die Berufswahl. Bereits hierin besteht ein Problem: Wird die eigene Arbeit nicht als sinnvoll empfunden oder stimmt nicht mit den eigenen Interessen oder Werten überein, dann ist Frust vorprogrammiert. Unzufriedenheit und Frustration können auch durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben entstehen. Durch den Übergang in den Ruhestand verringert sich in der Regel das verfügbare Einkommen und mit der Arbeit entfällt ein Teil dessen, worüber sich jemand vielleicht mal identifiziert hat oder die Tätigkeit hat einfach Spaß gemacht.

Das geht natürlich nicht jedem so. Manche Menschen freuen sich auch auf den Ruhestand, um dann mehr für sich selbst zu tun und Interessen nachzugehen, die im Berufsleben häufig zu kurz gekommen sind. Beziehungen und die Arbeit haben also einen Anteil an der eigenen Lebenszufriedenheit.

Zufrieden trotz Einschränkungen

Doch wie sieht es mit der Lebenszufriedenheit über die gesamte Lebensspanne hinweg aus?

Nimmt diese zusammen mit einigen kognitiven Fähigkeiten und dem Abbau der körperlichen Leistung im späteren Erwachsenenalter ab? Studien zeigen, dass das nicht der Fall ist. Zwar kommt es im Alter zunehmend zu Belastungen. Dazu zählen beispielsweise die eben genannten körperlichen und kognitiven Einbußen, jedoch zum Beispiel auch der Tod des Ehepartners.

Dennoch kommt es zu keinem merklichen Einbruch der Lebenszufriedenheit. Ursachen dafür sind etwa die geringere Aktivität der Amygdala, welche für Emotionen (besonders Angst) zuständig ist. Außerdem halten Menschen im späteren Erwachsenenalter sich nicht mehr so lange mit negativen Emotionen auf wie jüngere. Sie lenken zudem ihre Aufmerksamkeit eher auf positive Erlebnisse statt auf negative.

Gleichzeitig kommt es allerdings auch zu einer gewissen Abflachung der Emotionen im Allgemeinen. Teenager erleben eine stetige Berg– und Talfahrt der Gefühle. Das nimmt mit zunehmendem Alter ab. Negative Ereignisse treten nicht mehr so schnell emotionale Tiefs los. Zu emotionalen Höhenflügen kommt es demnach jedoch auch nicht mehr. Statt einer Gefühlsachterbahn kommt es zu einem recht stabilen Verlauf der Emotionen im Alter. Das führt auch dazu, dass ältere Menschen unter dem Verlust eines Angehörigen nicht mehr ganz so lange leiden, wie es bei jüngeren der Fall ist.

Dazu sei jedoch gesagt, dass die individuelle Reaktion auf den Tod eines Angehörigen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Sowohl die Trauerzeit als auch der Umgang damit sind sehr persönliche Prozesse, die sich nicht in bestimmte, klar voneinander abgegrenzte Phasen einteilen lassen.

Zusammenfassung

  • Bei der körperlichen Entwicklung zeichnet sich nach den Zwanzigern ein Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ab.
  • Auch die Reproduktionsfähigkeit sinkt mit der Zeit, so dass es für Erwachsene ab Mitte Dreißig schwieriger mit dem Umsetzen des Kinderwunsches wird.
  • Die Lebenserwartung steigt weltweit. Frauen leben im Schnitt vier Jahre länger als Männer. Der Altersdurchschnitt in manchen Ländern liegt mittlerweile bei knapp über 80 Jahren. Dennoch erleben nur die wenigsten ihren hundertsten Geburtstag.
  • Im späten Erwachsenenalter lassen sensorische Fähigkeiten nach. Das Sehen, Hören und Riechen verschlechtern sich allmählig. Auch Reaktionszeiten oder die Fähigkeit zur Problemlösung sinken mit den Jahren.
  • Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko an Demenz oder Alzheimer zu erkranken. Dabei kommt es zum drastischen Verlust von Gehirnzellen. Betroffene verlieren langsam ihren Sinn für Raum und Zeit sowie ihr logisches Denken. Auch ihre Identität kommt ihnen irgendwann vollkommen abhanden.
  • Das Erinnerungsvermögen lässt generell im Alter nach. Jedoch ist auch die Art des Gedächtnisabrufs relevant. So können jüngere Erwachsene zum Beispiel Gelerntes schneller reproduzieren als Menschen im höheren Erwachsenenalter. Doch wenn es um das Wiedererkennen von gelernten Inhalten geht, findet sich kein bedeutender Altersunterschied.
  • Auch das prospektive Gedächtnis – die Fähigkeit sich an zukünftige Ereignisse zu erinnern – nimmt im Alter ab. Das Alter allein sagt jedoch wenig über die kognitiven Fähigkeiten aus. Ein starker Abfall der kognitiven Leistung ist viel mehr im Zusammenhang mit dem Tod zu verzeichnen.
  • Die soziale Entwicklung im Erwachsenenalter ist von kritischen Lebensereignissen geprägt. Beispiele dazu sind die Elternschaft oder der Ausstieg aus dem Berufsleben. Im mittleren Erwachsenenalter kommt es häufig zu Mehrfachbelastungen (Beruf, Kinder, Pflege der alternden Eltern).
  • Die soziale Uhr gibt kulturabhängig vor, wann der (gesellschaftlich gesehen) optimale Zeitpunkt ist, um beispielsweise zu heiraten, Kinder zu bekommen oder in den Ruhestand einzutreten. Diese Vorgaben sind mittlerweile nicht mehr so strikt wie früher und teilweise werden unterschiedliche Rollen und Aufgaben auch nebeneinander gehandhabt.
  • Nach Erikson geht es im Erwachsenenalter hauptsächlich um die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben Intimität und Generativität. Sowohl eine stabile, liebevolle Partnerschaft sowie die Elternschaft als auch ein erfüllendes Berufsleben gelten als Ziele dieser Aufgaben.
  • Die Lebenszufriedenheit bleibt trotz der zunehmenden gesundheitlichen Probleme und Verlusterlebnissen meist auf einem recht stabilen Niveau. Es unterscheidet nicht besonders von der Lebenszufriedenheit in den vorherigen Altersphasen.

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