Die Unterschiede zwischen Mensch & Person in der Geschichte bis heute
Die Frage, was ein Mensch ist, lässt sich heute relativ einfach klären und obgleich die Frage nach der Person so ähnlich ist, hängt ihre Beantwortung von ungleich mehr Faktoren ab. Denn während die Kategorie Mensch eine biologische ist, ist die Kategorie Person eine erkenntnistheoretische.
Inhalt
Grundlegende Unterschiede zwischen Menschen und Personen
Wir nutzen die Begriffe „Mensch“ und „Person“ heute meist nahezu synonym und für unsere Gegenwart funktioniert dies auch in den meisten Fällen und das nicht zuletzt, weil beide Begriffe gewachsen sind. Um zu verstehen, worin der letztendliche Unterschied besteht, muss man sowohl zurück in die Vergangenheit als auch nach vorne in eine mögliche Zukunft blicken.
Der Begriff „Mensch“ ist eine biologische Kategorie und bezeichnet im engeren Sinne die Art Homo sapiens aus der Gattung Homo, wobei es früher üblich war, alle Angehörigen der Gattung Homo im weitesten Sinne zur Spezies Mensch zu zählen, was dann etwa auch den Homo erectus oder Homo habilis einschließen würde. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang vor allem der Neandertaler (Homo neanderthalensis), der sich zeitgleich mit dem Homo sapiens, der in Afrika verbreitet war, in Europa entwickelte.
Der Neandertaler war in sozialer Hinsicht und in der Sinneswahrnehmung höchstwahrscheinlich sogar weiter entwickelt als der Homo sapiens, wurde aber, eben weil er weniger aggressiv war, vermutlich vom Homo sapiens verdrängt bzw. ging in geringen Teilen in ihm auf. So findet man Erbgut von Neandertalern in der DNA heute lebender Menschen.
Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben zudem, dass der Anteil an Neandertaler-Erbgut bei Menschen im Autismus- oder ADHS-Spektrum überdurchschnittlich hoch ist, was eine genetische Erklärung für die höhere Sensibilität, Reizempfindlichkeit und Empathie und niedrigere Aggressionsbereitschaft von vielen Neurodiversen darstellen würde.
In der äußeren Systematik zählt die Gattung Homo zur Familie der Menschenaffen (Hominidae) wie auch die Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans. Die Menschenaffen zählen wiederum zur Teilordnung der Affen (Anthropoidea) und Ordnung der Primaten (Primates). Diese werden mit noch einigen Taxonomien dazwischen zur Unterklasse der Höheren Säugetiere (Eutheria) und Klasse der Säugetiere (Mammalia) gezählt. Die Säugetiere werden zu den Synapsiden (Synapsida) gezählt, womit sie wie die Reptilien (dazu zählen Schuppenechsen, Krokodile, Schildkröten und Dinosaurier einschließlich der Vögel, ja Vögel sind biologisch Dinosaurier) zu den Amnioten gehören.
Gehen wir weiter nach außen, folgt die Reihe der Landwirbeltiere (Tetrapoda) und der Unterstamm der Wirbeltiere (Vertebrata), wo dann auch Fische, die sich in Knorpelfische (Chondrichthyes) und Knochenfische aufteilen, und Amphibien (Lissamphibia) dazuzählen.
Personen sind gesellschaftswissenschaftliche Menschen
„Person“ ist ein geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Begriff, wobei auch der „Mensch“ als Terminus in diesen Disziplinen eine Rolle spielt, dann aber meist im Sinne von „Person“. Der Begriff der „Person“ als Äquivalent zu „Mensch“ ist aber auch historisch gewachsen. Ganz ursprünglich bezeichnete der Begriff das Antlitz eines Menschen (altgriechisch πρόσωπον prosopon), was aber nichts mehr mit unserem heutigen Verständnis des Begriffs zu tun hat.
Eine Person ist ein juristisches Subjekt im Gegensatz zum Objekt, also einer Sache. Dass wir heute nicht mehr zwischen Person und Mensch unterschieden wollen, sieht man daran, dass es „Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ und nicht „Die allgemeine Erklärung der Personenrechte“ ist. Der Jurist spricht hierbei auch von der „natürlichen Person“ (= Mensch) und der „juristischen Person“, welche auch eine Institution bezeichnen kann.
So kann ein Unternehmen, ein Verein, eine Religionsgemeinschaft oder Partei juristisch als Person in Erscheinung treten. Gehen wir also in die Tiefe und sehen uns Beispiele für Fälle an, in denen ein Mensch keine Person wäre, aber auch solche, in denen eine Person kein Mensch wäre. Dabei spielen Merkmale wie Freiheit, freie Selbstbestimmung und Selbstentfaltung, gesellschaftlicher Status, Ich-Bewusstsein, Vernunftbegabung und Erkenntnis sowie theologische Auslegung eben dieser eine Rolle.
Wann sind oder waren Mensch und Person nicht deckungsgleich?
In der Geschichte gab es immer wieder Situationen, in denen jemand, der biologisch ein Mensch war, innerhalb der Gesellschaft nicht als Person gewertet wurde. Genauso gibt es auch – wenn bislang auch nur hypothetisch – Situationen und Szenarien, in denen eine Entität die Merkmale, an denen man Personen je nach Definition festmacht, erfüllen könnte, ohne ein Mensch zu sein.
Keine Freiheit, keine Person: Sklaverei und Menschenhandel
Will man einen Menschen als Sache deklarieren, muss man ihm den Status der Person absprechen. Das war in der Antike gang und gäbe: Im antiken Griechenland oder im Alten Rom hätte niemand bestritten, dass ein Sklave ein Mensch ist, aber eine Person im rechtlichen Sinne war er nicht. Man könnte sogar darüber streiten, inwieweit Frauen als vollwertige Personen gewertet wurden, Vollbürger mit Wahlrecht waren sie schon einmal nicht.
Doch Sklaverei gab es selbst in der westlichen Welt bis ins 18. Jahrhundert. Schwarze waren in weiten Teilen der USA keine Personen, sondern Sachen. Von der Diskriminierung Schwarzer, die in den USA im Grunde bis heute anhält, und der Apartheid in Südafrika, welche erst in den 1990ern beerdigt wurde, ganz zu schweigen.
Wobei man hier fragen kann, ob jemandem das Merkmal der Freiheit oder freien Selbstbestimmung, das eine Person im gesellschaftlichen Kontext erfüllen muss, fehlt und er deshalb keine Person ist, oder ob das Merkmal der betreffenden Person abgesprochen wurde, um sie nicht weiter als Person im juristischen und soziologischen Sinne anerkennen zu müssen.
In vielen muslimischen Ländern sind Frauen bis heute keine vollwertigen Personen, sondern abhängig von der Vormundschaft ihres Vaters oder Bruders, später Ehemanns. Sklavenhandel existiert im Nahen Osten ebenfalls heute noch. Und Religion wird ohnehin gerne vorgeschoben, um Menschen den Status der Person abzusprechen:
Gottgleich: „Ecce Homo!“
„Person ist sich selbst besitzender Geist. Sich selbst besitzend in der Eigengehörigkeit des Bewußtseins und der Freiheit; in der Eigengehörigkeit des einmaligen Soseins.“
(Romano Guardini)
Es wird von vielen religiösen Menschen, die zugleich eher dem politisch rechten Spektrum angehören, zitiert, Gott habe den Menschen nach seinem Bilde geformt und Gott wäre weiß. Diese Leute setzen sich dann weiße Zipfelkapuzen auf und zünden Kreuze an. Man kennt das. Tatsache ist schon einmal, dass Jesus von Nazareth in Galiläa und Judäa lebte und folglich nicht weiß war. Und Gott? Was sagt der denn in der Bibel? „Und Gott der HERR sprach: Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, daß er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!“ (1. Mose, 3,22)
Dadurch, dass der Mensch vom Baum der Erkenntnis isst, wird er wie Gott und die Engel (die wären übrigens Personen und keine Menschen), da er Richtig und Falsch zu unterscheiden lernt. Wäre er aber wie die Engel, wäre er zudem unsterblich, hätte kein Ziel, auf das er hinarbeiten müsste. Nein, der Mensch ist sterblich und weiß um seine Sterblichkeit, deshalb wiederum ist er kreativ und schöpferisch tätig und in diesem Sinne nach Gottes Abbild erschaffen, denn sonst ist einzig Gott schöpferisch tätig. Kurzum: Laut Bibel und Co zeichnet die Erkenntnis die Person und die Sterblichkeit und schöpferische Tätigkeit den Menschen aus. Die Schöpfung bei gleichzeitiger Unsterblichkeit ist Gott vorbehalten.
Anders als die herrschende Klasse: Keine Menschen, geschweige denn Personen
Hin und wieder sprach man in der Geschichte Menschen den Personenstatus ab, indem man ihnen gleichweg die Menschlichkeit absprach. Als die Europäer mit den eingeborenen Völkern der Neuen Welt in Kontakt kamen, stritten Naturwissenschaftler in Spanien, Italien, England und sonst wo, ob diese denn im engeren Sinne als Personen zu werten seien, da sie ja offenkundig nicht dem entsprachen, was man gemeinhin unter einem Menschen verstand.
Ein Mann wie Heinrich Kramer, der Verfasser des „Hexenhammers“, sprach auch Frauen den vollwertigen Personenstatus ab, da sie keine Seele hätten. Ähnliches galt für Rothaarige. Den extremsten Fall der Absprache der Menschlichkeit, wo man wirklich so weit ging, Individuen entgegen dem damaligen naturwissenschaftlichen Stand nicht nur ihre Rechte als Personen, sondern im biologischen Sinne die Gleichheit abzusprechen, wäre das Dritte Reich, wo eigens der Terminus „Untermensch“ eingeführt wurde. Als Lehre daraus entstanden die Menschenrechte und der erste Paragraf des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Gleichsetzung von Mensch und Person im allgemeinen Verständnis ist primär eine Lehre aus den Schrecken des NS-Regimes.
Den Gedanken, dass die herrschende Klasse bestimmt, wer gesellschaftlich als Person gilt, führte auch Karl Marx an. Marx würde gewiss zustimmen, wenn man sagt, dass die kapitalistische Arbeitsweise in der Hochzeit der industriellen Revolution das Proletariat derart degradiert hat, dass es sich um moderne Sklaven ohne die Rechte einer vollwertigen Person gehandelt hätte. Als Materialist hätte Marx zudem das Bewusstsein des Menschen über seine Existenz als Folge der Einwirkung des Seins, also der Umwelt auf das Bewusstsein gesehen. Ein Idealist hingegen hätte das Bewusstsein der Person als Ausgangspunkt genommen und nur durch dessen Erfahrung das Sein als existent anerkannt.
Vernunft und Bewusstsein
„Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind.“
(Immanuel Kant)
Wir hatten jetzt Beispiele für Fälle, in denen Menschen keine Personen waren. Wir haben auch festgehalten, dass eine juristische Person auch eine Institution darstellen kann. Aber ist es auch im philosophischen und ethischen Sinne möglich, dass jemand eine Person ist und kein Mensch? Würde man das Bewusstsein um die eigene Existenz und Vernunftbegabung als Kriterien für eine Person anführen, wäre dies zweifelsohne möglich.
Wir wissen heute etwa, dass einige Tiere wie Menschenaffen, Wale, einige Vögel und Kopffüßler über ein Ich-Bewusstsein verfügen und zumindest so vernunftbegabt sind, dass sie Problemlösungsstrategien entwickeln können. Immerhin wollte der römische Kaiser Caligula das Zirkuspferd Incitatus zum Konsul ernennen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl fiktiver Szenarien, die sich mit der Frage nach Mensch und Person befassen:
In „Planet der Affen“ sieht sich der menschliche Protagonist (Ulysse Mérou im Roman, George Taylor im Film von 1968) plötzlich genötigt, seine Vernunft als Beleg für seinen Status als Person zu beweisen. Der Affen-Wissenschaftler Zaius, welcher im Film eine weit tragendere Rolle einnimmt als in der Buchvorlage, zweifelt keineswegs daran, dass Mérou bzw. Taylor ein Mensch ist, aber um als Person zu gelten, müsse er ja ein Affe sein, denn die Affen gelten als den Menschen überlegen.
Was wäre mit den Völkern in Werken der Fantasy-Literatur? Tolkiens Hobbits, Elben und Zwerge sind keine Menschen, aber zweifelsohne Personen. Bei den Orks wird es schon schwieriger, wird deren Handeln doch vom Geiste Melkors oder Saurons bestimmt – sie sind also nicht selbstbestimmt, haben aber ein Ich-Bewusstsein. Das Joanne K. Rowlings Wizarding World entstammende Buch „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ widmet ein ganzes Kapitel der Frage, was ein Tierwesen und was ein Zauberwesen, also eine Person ist. Zentauren? Vernunftbegabt, also Person bzw. Zauberwesen, andererseits leben sie wie Tiere im Wald.
Und was ist mit Aliens? E.T. mag kein Mensch sein, aber wir würden ihn doch als Person einstufen, oder? In der „Stargate“-Episode 3.15 „Die Tollan-Triade“ soll gerichtlich geklärt werden, ob bei einem ergriffenen Goa’Uld (parasitärer Außerirdischer, der einen Mensch als Wirtskörper nutzt) dem Wirt oder dem Symbionten das Vorrecht eingeräumt wird, weiterzuleben, und die Seite des Parasiten plädiert, dass ein Goa’Uld einem Menschen ebenso überlegen wäre wie ein Mensch einem Schwein, und wir uns, solange wir Nutztiere halten würden, mal nicht so anzustellen hätten.
Dass es bei der Frage nach dem Status als Person im Kontakt mit uns möglicherweise weit überlegnen außerirdischen Völkern für den Menschen schnell eng aussehen könnte, zeigt auch die Folge 1.02 „Sondervorstellung“ der Sci-Fi-Satire-Serie „The Orville“ von „Family Guy“-Schöpfer Seth McFarlane. Hier landen zwei der menschlichen Hauptcharaktere als Ausstellungsstücke in einem außerirdischen Zoo. McFarlane scheint die Frage auch sonst zu beschäftigen, dreht sich sein Film „Ted 2“ um eine Gerichtsverhandlung, in der der zum Leben erwachte Teddybär Ted beweisen muss, dass er eine Person und keine Sache ist.
Und damit wären wir bei von Menschen geschaffenen Intelligenzen. Ganz gleich, ob nun „Blade Runner“, „Der 200 Jahre Mann“, „i, Robot“, „Ex Machina“, „Nummer 5 lebt“ oder „Matrix“: Angenommen, es gäbe ein Computerprogramm, das den Turing-Test besteht, wäre es dann nicht als Person einzustufen? Auch dann, wenn die KI mehr so vom Schlage Agent Smith, HAL-9000, GLaDOS, Skynet oder Ultron wäre und denken würde: „Personen sind was Feines, Menschen jetzt nicht so.“
Neben den mechanischen, von Menschenhand geschaffenen Intelligenzen gibt es aber auch biologische. Längst sind wir in der Lage, komplexe Lebewesen zu klonen. Und so wie Dr. John Hammond und Dr. Henry Wu in der Petrischale Dinosaurier erschaffen, wären auch Menschen denkbar.
Wäre so ein künstlicher Mensch – sei es nun ein Klon als Ersatzteillager wie in „Die Insel“ oder „Alles, was wir geben mussten“ oder ein genetisch designter Mensch wie in „Gattaca“ – denn eine Person im eigentlichen Sinne? „Ein Lebewesen, das nur existiert, weil wir es erschaffen haben, hat keine Rechte, wir haben es patentieren lassen“, erklärt InGen-Chef Peter Ludlow in „Vergessene Welt: Jurassic Park“ und was für Dinosaurier gilt, könnte auch für Menschen gelten, wie wir seit der Einführung von Klon-Mädchen Maise Lockwood ins Franchise wissen.
Und dann wäre da noch dieser Medizinstudent aus der Nähe von Genf, der auf seinem Dachboden in Ingolstadt eine hünenhafte Kreatur erschuf, wie ein Homunculus, nur riesig: Viktor Frankenstein. Frankensteins Wesen war kein Mensch, wenn auch aus menschlichen Teilen geformt. Wäre das Wesen aber eine Person? Die Kreatur ist hochintelligent, bringt sich selbst Lesen und Schreiben bei, bildet sich autodidaktisch in Natur- und Geisteswissenschaften. Der Appell der Kreatur an den Schöpfer spiegelt das Elend jener wider, die von der Gesellschaft als Nicht-Personen ausgeschlossen werden:
„Ich bin ja dein Geschöpf, will sanft sein und gefügig gegen meinen Herrn und Gott, sobald auch du das deine dazu beiträgst und tust, was du mir schuldest. Oh, Frankenstein, erweise nicht nur anderen deine Billigkeit, tritt nicht nur mich allein mit Füßen, mich, dem du mehr Gerechtigkeit, mehr Nachsicht und mehr Liebe schuldest denn jedem anderen Menschen! Sei dessen eingedenk, du selbst hast mich geschaffen – ich sollte ja dein Adam sein! Doch bin ich eher dem gefallenen Engel zu vergleichen, den du um nichts von dir gestoßen. Wohin ich schau, erblick ich Seligkeit und ich allein bin davon ausgeschlossen. Und war doch gut und war doch reinen Herzens! Das Elend erst hat mich zum Feind gemacht.“
Die Definition der Person über die Vernunftbegabung und das Ich-Bewusstsein wird nur ganz schnell schwierig, wenn wir den Schluss umdrehen und fragen: Ist man ohne Ich-Bewusstsein und Vernunftbegabung noch Person? Was ist mit ganz kleinen Kindern, Geistig Behinderten, Alzheimerpatienten. Diese sind zweifelsohne Menschen, aber im Sinne der Reflexion über das eigene Selbst wären sie keine Personen mehr. Im juristischen Sinne wären sie es aber noch, da heutzutage juristisch der Mensch immer Person ist, aber nicht jede Person Mensch.